Das Spurenstoff Observatorium ("Spuso")

Reinluftgebiet Antarktis

Die Luft in der Antarktis ist die sauberste und damit der am wenigsten von der Zivilisation beeinflusste Teil der globalen Atmosphäre; sie kann weitgehend als natürliche Referenzatmosphäre angesehen werden. Durch den extremen geographischen Standort fernab von anderen Kontinenten und den nur wenigen bemannten Stationen in der Antarktis selbst, können wir eine unmittelbare Beeinflussung durch die Zivilisation praktisch ausschließen, eine Situation die z.B. für die Arktis generell so nicht mehr gilt (man denke an das als "Arctic haze" berüchtigte Smog-Phänomen, verursacht vor allem durch Abgase des dicht besiedelten Europäischen Kontinents).

Wie die jährliche Bildung des im Wesentlichen durch Fluorkohlenwasserstoffe verursachten Ozonlochs (siehe auch Ozonmessungen an Neumayer) ab den frühen 1980er Jahren eindringlich belegt, reagiert diese natürliche Reinluftatmosphäre aber äußerst sensibel und bisweilen dramatisch auf menschliche Einflüsse. Atmosphärenchemische Untersuchungen in dieser Region sind deshalb wissenschaftlich hoch interessant und umweltpolitisch relevant. Hier können wir die Zusammensetzung der globalen Hintergrundatmosphäre sowie deren langfristige Veränderungen frei vom direkten Einfluss der Zivilisation dokumentieren und natürliche biogeochemische Stoffkreisläufe aufklären.

Das Spurenstoff Observatorium an der Neumayer Station ist speziell für solche Untersuchungen vom AWI in enger Kooperation mit dem Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg (IUP) konzipiert worden. Es ermöglicht uns die kontrollierte kontaminationsfreie Luftprobenahme, sowie die in situ Messung von Spurengasen Aerosolen, d.h. in der Luft suspendierten Partikeln. Ein kurzer Überblick gibt dieses Informationsblatt.

Spurenstoffquellen

Man muss sich vergegenwärtigen, dass die nahezu vollständig mit Eis bedeckte kontinentale Antarktis praktisch frei von natürlichen Spurenstoff- und Aerosolquellen ist. Folglich stammen die Spurengase und Aerosole aus der marinen Atmosphäre des südlichen Ozeans oder sind durch die großräumige atmosphärische Zirkulation aus weiter nördlichen Gebieten eingetragen worden.

Anhand von Langzeitmessungen langlebiger Spurengase, zu denen auch die dominanten Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas zählen, lassen sich so der Einfluss der Zivilisation auf die globale Änderung der Zusammensetzung der Atmosphäre ohne störenden Einfluss regionaler Quellen dokumentieren. Kurzlebige Spurenstoffe, zu denen generell Aerosole aber auch reaktive Spurengase zählen, helfen hingegen die komplizierten natürlichen biogeochemische Stoffkreisläufe der südpolaren Region aufzuklären.

Klimaarchiv Antarktis

Eine besondere Bedeutung der Polargebiete liegt außerdem darin, dass sich die großen Inlandeisgletscher der Antarktis (und Grönlands) als natürliches Archiv erwiesen haben, in dem die Klimageschichte und die atmosphärische Zusammensetzung der Erde bis zu ca. einer Million Jahre vor unserer Zeit „eingefroren“ sind. Neben Lufteinschlüssen im Eis sind für uns Mineralstaub und die ionischen Komponenten des Aerosols von besonderem Interesse, die im polaren Eis als "Verunreinigung" chronologisch geschichtet deponiert wurden.

Aus den zeitlich zugeordneten chemischen Profilen in Eiskernen lässt sich prinzipiell die Zusammensetzung der Paläoatmosphäre in Zusammenhang mit den damaligen klimatischen Bedingungen ableiten (Glaziologie). Solche Analysen erfordern allerdings eine sorgfältige Erforschung der atmosphärenchemischen und meteorologischen Prozesse in dieser Region, verbunden mit der Frage wie und von wo Spurenstoffe in die Antarktis transportiert und wie sie dort deponiert werden. Auch für diese Fragestellungen ist das Spurenstoff-Observatorium eigens konzipiert und seit seiner Inbetriebnahme 1982 mittlerweile eine der bedeutendsten Beobachtungsplattformen geworden, da es in der Antarktis kein anderes Observatorium mit vergleichbar umfassenden kontinuierlichen atmosphärenchemischen Langzeit-Messreihen gibt.