Einfluss von bio-inspirierten Strukturen auf die Schwingungseigenschaften

Hintergrund und Motivation

  • Jede Struktur schwingt mit einer charakteristischen Eigenschwingung, die durch eine bestimmte Frequenz (Eigenfrequenz) und eine Schwingform (Eigenmode) definiert ist. Wirken externe Frequenzen auf eine Struktur, kann es zu einer erhöhten Schwigungsamplitude kommen, sobald die externen Frequenzen mit den Eigenfrequenzen der Struktur übereinstimmen. Diese Resonanzphänomene gilt es zu vermeiden, denn sie können zur Strukturzerstörung führen. Eine Möglichkeit, Resonanz zu verhindern, besteht in der Verschiebung der Eigenfrequenzen, damit sie nicht mehr mit externen Frequenzen zusammenfallen. Und genau darum geht es in diesem Projekt: Erhöhung (Maximierung) von Struktureigenfrequenzen durch den Einsatz biologisch-inspirierter Strukturen und Optimierungsverfahren.

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg sollen die Forschungserkenntnisse auf eine Magnetträgerstruktur für den neuen Teilchenbeschleuniger PETRA IV angewandt werden, um gleichzeitig hohe Eigenfrequenzen und eine hohe Steifigkeit sowie eine geringe Masse zu erreichen.
Die Untersuchung des Einflusses struktureller Komponenten auf die Eigenschwingungen von Strukturen ist für viele Anwendungsbereiche von großem Interesse. Mögliche Anwendungsfelder sind u. a. Maschinenbau, Automotive, Luft- und Raumfahrt, Bauwesen und Optik.


Ziele und Vorgehen
Das Projekt umfasst mehrere kleine Projekte, die bearbeitet werden:

  1. Einfluss biologisch-inspirierter, komplexer Gitterstrukturen auf die Eigenfrequenzen
  2. Einfluss biologisch-inspirierter, komplexer Wabenstrukturen auf die Eigenfrequenzen
  3. Einfluss von Strukturverformungen auf die Eigenfrequenzen entsprechend den Eigenmoden, wie es in Diatomeen zu finden ist
  4. Aufbau eines Entwicklungsprozesses für eine optimierte, biologisch-inspirierte Magnetträgerstruktur für den Teilchenbeschleuniger PETRA IV (DESY)
  5. Einfluss biologisch inspirierter, komplexer Strukturen auf die Dämpfungseigenschaften
  6. Formulierung genereller Prinzipien zur Eigenfrequenzmaximierung von Strukturen, die in Form von Algorithmen in eine Optimierungssoftware integriert werden

Einige Unterprojekte sind bereits bearbeitet und die Ergebnisse veröffentlicht worden. Weiter unten finden Sie weitere Informationen zu den einzelnen Unterprojekten.


Aktuelles


Abschlussarbeiten
Im Rahmen dieses Projekts können Abschlussarbeiten durchgeführt werden:

  • - derzeit ist kein konkretes Thema vorgegeben -

Initiativbewerbungen nehmen wir gerne an und können an Sandra Coordes gerichtet werden. Wichtig ist uns, dass aus der Bewerbung die eigene Motivation, der Bildungsweg und die bisherigen, praktischen Erfahrungen/Berufserfahrungen hervorgehen.

Veröffentlichungen

Projektdurchführung:
Dr. Simone Andresen (Projektleiterin)
Dr. Ahmad Burhani Bin Ahmad Basri
Oleksander Savysko

Kontakt:
Ahmad Burhani Bin Ahmad Basri
+49 (0)471 4831 2125
E-Mail

Laufzeit:
Dezember 2017 bis Dezember 2020
Januar 2021 bis 29.02.2024
(3 Jahre  + 3 Jahre Verlängerung)

Förderung:
AWI Innovations Fond, DESY

Abschlussarbeiten:
In diesem Projekt können Abschlussarbeiten geschrieben werden (Aktuelle Themen weiter unten)



Unterprojekt 1 (abgeschlossen):

In der Natur, vor allem in aquatischen Planktonorganismen (Diatomeen, Radiolarien) finden sich komplexe, unregelmäßige Gitterstrukturen. Welchen Einfluss haben komplexe Gitterstrukturen auf die Schwingungseigenschaften?
 

Durch unregelmäßige Gitterstrukturen lassen sich die Eigenfrequenzen im Vergleich zu regelmäßigen Gitterstrukturen erhöhen. Die Abbildung zeigt exemplarisch ein regelmäßiges (links) und ein unregelmäßiges (rechts) Gitter.

Details zu der Studie sind in folgender Publikation zu finden:
Andresen et al. (2020): “Eigenfrequency maximisation by using irregular lattice structures”, Journal of Sound and Vibration 465.

Dieses Unterprojekt wurde in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgeführt
 



Unterprojekt 2 (abgeschlossen):

In vielen Diatomeenschalen lassen sich komplexe Wabenstrukturen finden. Beeinflussen diese das Schwingungsverhalten von Wabenplatten?
 

Unregelmäßige Wabenstrukturen weisen höhere Eigenfrequenzen als regelmäßige Wabenplatten auf. Die Abbildung zeigt, wie sich die Eigenfrequenz von einer soliden Platte über regelmäßige Wabenplatten zu einer unregelmäßigen Wabenplatte erhöht.

Details zu der Studie sind in folgender Publikation zu finden:
Andresen S. (2021): “Impact of Bio-inspired Structural Irregularities on Plate Eigenfrequencies”, In: Sapountzakis E.J., Banerjee M., Biswas P., Inan E. (Eds): Proceedings of the 14th International Conference on Vibration Problems. Lecture Notes in Mechanical Engineering, Springer, Singapore.
 



Unterprojekt 3 (laufend):

Diatomeenschalen weisen Verformungen auf, die Schwingungsmoden entsprechen (Gutiérrez et al. 2017). Was passiert, wenn Strukturen nach ihren Eigenmoden deformiert werden?

(Gutiérrez et al. 2017: “Deformation modes and structural response of diatom frustules“, Journal of Materials Science and Engineering with Advanced Technology 15)
 

Werden ein Balken (1D) oder eine Platte (2D) nach ihren Eigenmoden deformiert, steigen die Eigenfrequenzen sehr stark an! Die Abbildung zeigt exemplarisch einen Balken und eine Platte, die nach ihrem ersten Schwingungsmode deformiert werden, wodurch die zugehörige Frequenz enorm angestiegen ist.

Details zu der Studie sind in folgender Publikation zu finden:
Andresen et al. (2020): “Shape adaptation of beams (1D) and plates (2D) to maximise eigenfrequencies”, Advances in Mechanical Engineering 12(11).

Aktuell untersuchen wir, ob sich diese effiziente Methode zur Eigenfrequenzmaximierung auch in 3D Strukturen anwenden lässt.
 



Unterprojekt 4 (laufend):

Können wir biologisch-inspirierte, komplexe Strukturen nutzen, um die Eigenschaften von Magnetträgerstrukturen in Teilchenbeschleunigern zu verbessern?
 

Eine erste Studie zeigte, dass durch den Einsatz von biologisch-inspirierten Strukturen in Trägerstrukturen Eigenfrequenzen und Steifigkeit erhöht sowie die Masse verringert werden.

Details zu der Studie sind in folgender Publikation zu finden:
Andresen S. (2018): “Optimizing the PETRA IV Girder by Using Bio-Inspired Structures”, In: Schaa V.R.W., Tavakoli K., Tilmont M. (Eds): Proceedings of the 10th Mechanical Engineering Design of Synchrotron radiation equipment and Instrumentation (MEDSI’18) Conference, JACoW Publishing, Geneva, Switzerland, pp. 297-301.
 

Durch den Einsatz von biologisch inspirierten Strukturen und Optimierungsverfahren ist nun eine optimierte Trägerstruktur für PETRA IV entwickelt und in einem komplexen Gussverfahren hergestellt worden. Das nachfolgende Bild zeigt einen Ausschnitt aus dem Gussbauteil, auf dem eine komplexe Wabenstruktur zu erkennen ist.

Demnächst werden bei DESY Schwingungsmessungen an der Struktur durchgeführt, um die Simulationsergebnisse zu validieren. Darüber hinaus wird die gegossene Trägerstruktur genutzt, um den Einsatz weiterer Komponenten (Magnete, motorisierte Unterbauten) zu untersuchen.

Im Anschluss soll der aufgebaute Entwicklungsprozess für die Trägerstruktur durch neue Randbedingungen ergänzt und erneut durchgeführt werden.
 



Unterprojekt 5 (offen):

Die Schalen der Diatomeen werden von den Fressfeinden (Ruderfußkrebse) nicht nur aufgeknackt, sondern auch geschüttelt. Es ist zu erwarten, dass die Schale diese Schwingungen dämpft, um die Alge zu schützen. Das wollen wir untersuchen!

Es soll untersucht werden, wie komplexe, unregelmäßige Strukturen die Dämpfungseigenschaften beeinflussen.
 



Unterprojekt 6 (offen):

Das gezielte Verschieben von Eigenfrequenzen ist für viele Anwendungsbereiche von großem Interesse. Können wir die gewonnen Erkenntnisse auf andere Strukturen übertragen?

Die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse sollen in Algorithmen überführt und in eine Optimierungssoftware integriert werden, um für weitere Problemstellungen aus verschiedensten Anwendungsbereichen zur Verfügung zu stehen.
 


Gefördert durch den AWI Innovationsfond und das DESY.