Marine Chronobiologie

Ein grundlegendes Merkmal des Lebens im Meer ist, dass es starken Umweltrhythmen ausgesetzt ist. Die Einflüsse von Mond und Sonne erzeugen regelmäßige Zyklen mit unterschiedlichen Periodenlängen, die sich überlagern und interagieren. Wissenschaftliche Arbeiten haben gezeigt, dass Organismen oft endogene Oszillatoren verwenden, um sich auf die Rhythmen des Ozeans einzustellen. Doch während das "richtige" Timing von entscheidender Bedeutung für intra- und interspezifische Interaktionen sind, und damit auch für die Nahrungsnetze und das Gleichgewicht der Ökosysteme, sind die biologischen Regeln dieser marinen Oszillatoren bislang nur unzureichend verstanden worden. Neben dem mangelnden Verständnis der existierenden marinen Uhrmechanismen ist noch weniger klar, wie sie auf drastische Umweltveränderungen in der Vergangenheit reagiert haben. Es wird jedoch wichtig sein, die Schlüsselmechanismen für diese Anpassungen zu kennen, um vorauszusehen, wie diese Systeme auf Veränderungen in Zukunft reagieren können. Die Gruppe konzentriert sich auf drei verschiedene Aspekte mariner Uhrsysteme:

- die Rolle des Mondes bei der biologischen Zeitmessung
- Rhythmen, Uhren und Licht in pelagischen Habitaten
- Rhythmen, Uhren und Licht in der Tiefsee
 

Neben diesen Schwerpunkten ist die Gruppe an mehreren Kooperationen beteiligt, die das Ausmaß und die Mechanismen untersuchen, durch die endogene Uhren und Rhythmen die Physiologie und das Verhalten von Tieren beeinflussen. 

Nicht zuletzt wird immer deutlicher, dass endogene Oszillatoren und Umweltrhythmen auch Auswirkungen auf die Entwick-lungsprozesse von Meerestieren haben, insbesondere auf die Stammzellen. Daher arbeiten wir auch an Aspekten wie dem Einfluss der monatlichen Zeitmessung auf die Plastizität des Nervensystems und den Einfluss mariner Mikroben auf die Regenerationsfähigkeit von Schwämmen.

Projekte


Wissenschaftlicher Ansatz

Wir konzentrieren uns auf ausgewählte Arten, die wir sowohl im Labor als auch im natürlichen Lebensraum eingehend untersuchen. Diese Arten werden ausgewählt aufgrund von:

- Zugänglichkeit und einzigartige Biologie. Dies gilt insbesondere für den Borstenwurm Platynereis dumerilii, der einen sehr gut dokumentierten Mondzyklus besitzt, der von einem inneren monatlichen Oszillator angetrieben wird. Andere Arten, die dieses Phänomen ebenfalls aufweisen, sind derzeit schwieriger zu kultivieren und auch (noch) nicht für eine eingehende funktionelle genetische Analyse verfügbar. Mit allen verfügbaren molekularen Werkzeugen und Ressourcen wollen wir Platynereis dumerilii für die zirkalunare Biologie so nützlich machen, wie es Drosophila für die zirkadiane Biologie war.

- ökologischer Relevanz mit wenig verstandener Chronobiologie. Dies gilt insbesondere für die Copepodenart Calanus finmarchicus und die Muschel Bathymodiolus azoricus. Beide sind wichtige Schlüsselarten in ihren jeweiligen Ökosystemen und es ist klar, dass biologische Rhythmen für ihre Physiologie und ihr Verhalten von Bedeutung sind. Die molekularen und zellulären Mechanismen, die diesen Rhythmen zugrunde liegen, sowie die Grenzen ihrer Plastizität sind jedoch nicht bekannt. Wir etablieren die entsprechenden Arten und/oder Gewebekulturen für detaillierte molekulare und zelluläre Analysen, die wir anschließend mit den Ergebnissen aus dem Feld in Zusammenhang bringen.

Implementierung
Unsere Analysen reichen von Probennahmen im Feld, Verhaltens- und physiologischen Analysen bis hin zu -omics Studien mit Zeitreihen, und Tests der biochemischen Proteininteraktion und der transkriptionellen Aktivität.

AG-Leitung:

Prof. Dr. Kristin Tessmar-Raible

Forscht außer am AWI noch an der Universität Wien und an der Universität Oldenburg


Team:

 

Dr. Sören Häfker
Projektleiter 
“Light, rhythms & clocks in pelagic habitats”

Peggy Wellner 
Technische Assistentin

Dr. Audrey Mat
Projektleiterin “Rhythms, clocks and 
light in the deep sea”

Dr. Roger Revilla
Projektleiter "Microbial influences on 
developmental regenerative timing in sponges"