Zooplankton im Klimawandel – Schlüssel für gesunde Meere

Prof. Dr. Maarten Boersma, kommissarischer Direktor, Leitung AWI Helgoland und AWI Sylt sowie Professor an der Universität Bremen.

Zooplankton

Küstenforschung

Küstenmeere wie die Nordsee sind wahre Multitalente: Sie liefern Energie, sichern Arbeitsplätze, ermöglichen Handel und locken jedes Jahr Millionen von Tourist:innen an. Doch die wirtschaftliche Nutzung hat ihren Preis – und der Zustand des Meeres gibt zunehmend Anlass zur Sorge. 

Die Nordsee zählt zu den am intensivsten genutzten Meeresräumen Europas. Seit Jahrhunderten wird hier Fischerei betrieben. Inzwischen gesellen sich riesige Offshore-Windparks hinzu, die eine zentrale Rolle in der Energiewende spielen. Zudem ist die Region ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt: Die Großhäfen in Rotterdam, Hamburg und Antwerpen machen die Nordsee zu einer der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt. Mit dem Schiffsverkehr aber kommt auch die Belastung. Ballastwasser, Lärm, Schadstoffe und das Risiko von Ölunfällen setzen der Umwelt zu. Doch nicht nur die menschliche Nutzung, sondern auch der Klimawandel macht der Nordsee zu schaffen. Steigende Meeresspiegel, häufigere Sturmfluten und Küstenerosion bedrohen Natur und Siedlungen gleichermaßen. Besonders sensibel ist das Wattenmeer – eines der artenreichsten, aber zugleich verletzlichsten Ökosysteme Europas.

Neben den sichtbaren Problemen rücken nun auch weniger offensichtliche Zusammenhänge in den Fokus der Forschung – etwa beim Plankton. Die winzigen Organismen sind unscheinbar, aber zentral: Sie stehen am Anfang der Nahrungskette, produzieren mithilfe von Sonnenlicht organische Substanz und bilden die Grundlage für alles Leben im Meer. Änderungen der Nährstoffverhältnisse im Wasser, die durch den Klimawandel verursacht werden, können die Qualität der Planktonnahrung verschlechtern. Die Folge: Zooplankton, das sich vom Phytoplankton ernährt, wächst langsamer oder leidet trotz reichlich Nahrung an Mangelerscheinungen. Dies wirkt sich wiederum auf Fische und andere Meeresbewohner aus, die auf das Plankton als Nahrungsquelle angewiesen sind.

Ein Forschungsansatz, der bislang vor allem in Fachkreisen bekannt ist, ist die ökologische Stöchiometrie. Sie untersucht, wie das Verhältnis von chemischen Elementen wie Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor das Zusammenspiel von Organismen beeinflusst. Denn nicht nur die Menge an Nährstoffen zählt, sondern auch ihr Verhältnis zueinander. Besonders die sogenannte Eutrophierung, also die Überdüngung von Gewässern durch landwirtschaftliche Einträge, kann diese empfindlichen Gleichgewichte stören und eine Kettenreaktion im Ökosystem auslösen. Um solche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, ist ein besseres Verständnis der Nährstoffbedürfnisse von Schlüsselorganismen wie dem Plankton unerlässlich.

Die Nordsee zeigt, wie eng Umwelt, Wirtschaft und Wissenschaft miteinander verknüpft sind – und wie wichtig es ist, ökologische Zusammenhänge nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn was mit winzigem Plankton beginnt, kann am Ende weitreichende Folgen für Mensch und Meer haben.