Am Donnerstag, den 29. Mai 2025, startete das Forschungsschiff Polarstern von Bremerhaven aus Richtung Arktis. Das Ziel der 95 Expeditionsteilnehmenden unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts ist das Langzeitobservatorium AWI-Hausgarten zwischen Spitzbergen und Grönland. Dort werden sie erforschen, wie die Ökosysteme der arktischen Tiefsee auf veränderte Umweltbedingungen in Folge des raschen Klimawandels reagieren. Dabei stehen die Benthosgemeinschaften und die Planktongemeinschaften im freien Wasser sowie die physikalischen Veränderungen des Ozeans im Fokus der einmonatigen Expedition, die Ende Juni im norwegischen Tromsø enden wird.
Das Tiefseeobservatorium AWI-Hausgarten besteht seit dem Jahr 1999 und ist das einzige seiner Art, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kontinuierlich seit über 25 Jahren wichtige physikalische, chemische, ozeanographische und biologische Daten erfassen. An 21 Stationen zwischen 250 und 5.500 Metern Wassertiefe und vom offenen Ozean bis zur Meereisgrenze stehen Verankerungen, die das ganze Jahr über Wassertemperatur, Strömungsgeschwindigkeit und -richtung sowie durch die Wassersäule herabsinkende Partikel erfassen. Am Meeresboden sind sogenannte Crawler (autonome Kettenfahrzeuge) unterwegs, die sogar die Sauerstoffzehrung durch Mikroben im Meeresboden messen und die Umgebung fotografieren. Um diese Systeme zu warten und mit neuen Batterien zu bestücken, fahren Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) jeden Sommer in ihren sogenannten Hausgarten.
„Dieses Jahr legen wir einen besonderen Fokus darauf, die biologischen Systeme am Meeresboden genauer zu untersuchen“, berichtet Dr. Jennifer Dannheim. Die AWI-Biologin leitet die Expedition und erläutert: „Sowohl unser Ozeanboden-Beobachtungssystem OFOBS als auch unser autonomer Unterwasserroboter, das AUV, haben mittlerweile Sonare an Bord, mit denen wir viel genauer als bisher den Meeresboden kartieren können. So können wir große räumliche Flächen im Hausgarten mit bildgebenden Verfahren erfassen, um räumliche Muster in der Struktur der Lebensgemeinschaften in der gesamten Untersuchungsregion zu erkennen. Das OFOBS nimmt zusätzlich hochaufgelöste Fotos und Videos vom Meeresboden auf. Wir ergänzen diese bildgebenden Verfahren dann mit punktuellen Probennahmen durch Kastengreifer, Multicorer und weiteren Geräten, die uns Bodenproben mit den darin enthaltenen Arten, also Kleinstlebewesen der Tiefsee, liefern. Das Auftreten der Arten und deren Anzahl untersuchen wir in Abhängigkeit verschiedener Umweltbedingungen wie Temperatur, Salzgehalt und organischem Material im Sediment als Nahrungsgrundlage.“ So kann das Team nicht nur größere bodenlebende Arten wie Schwämme, Krebse oder Seesterne erkennen und ihr Auftreten und ihre Häufigkeit bestimmen, sondern auch die Biodiversität und den Beitrag der Kleinstlebewesen zu ökologischen Prozessen unter dem Einfluss sich ändernder Umweltbedingungen im Hausgarten über die Zeit untersuchen. Außerdem steht auch der Müll in der Tiefsee im Hausgarten seit Jahren im Fokus und die Zeitreihe seiner Erfassung wird fortgesetzt.
In der Wassersäule erforscht das Team, wie sich der Klimawandel auf das Phytoplankton auswirkt. Allgemein wird angenommen, dass die Kleinstalgen in der sich verändernden Arktis produktiver werden, beispielsweise weil durch weniger Meereisbedeckung mehr Licht für die Photosynthese verfügbar ist. Ob dies allerdings zu einem stärkeren Export von partikulärem organischem Kohlenstoff im Vergleich zu den Bedingungen vor zwanzig Jahren führen wird oder ob der organische Kohlenstoff an der Oberfläche verbleibt und von Bakterien umgesetzt wird, wird auf der Expedition erforscht. Solche Analysen verbessern die Kenntnisse über biogeochemische Kreisläufe, die beispielsweise bestimmen, unter welchen Bedingungen Nährstoffe für eine Algenblüte verfügbar sind oder zum Meeresboden absinken, wo sich Tiefseelebewesen davon ernähren.
Das Expeditionsteam setzt sich aus 52 wissenschaftlichen Fahrtteilnehmenden und 43 Crewmitgliedern zusammen, die planmäßig am 29. Juni im nordnorwegischen Tromsø ankommen sollen. Nach kurzem Hafenaufenthalt dort beginnt dann mit einem neuen Team eine zweimonatige Expedition in die Zentralarktis und nach einem weiteren Zwischenstopp mit Crewwechsel auf Spitzbergen startet eine knapp zweimonatige Expedition nach Nordgrönland. Ende Oktober wird die Polarstern in ihrem Heimathafen Bremerhaven zurückerwartet.