PS124 - Wochenbericht Nr. 2 | 08. - 14. Februar 2021

Auf dem Weg ins Eis!

[15. Februar 2021] 

Es ist schon ungewöhnlich für eine Expedition in das südliche Weddellmeer, dass die erste Station nach nur einer Woche Anreise stattfindet. Zwar handelt es sich – nur - um eine Teststation, die noch fernab von jeglichem Meereis liegt, aber schnell stellt sich heraus, dass sie dringend notwendig ist, da Teile des Equipments ihre Eigenheiten haben, die zu unvorhersehbaren Problemen führen können.

Mit diesen ernüchternden Erkenntnissen geht er weiter Richtung Südwest, wo wir am 9. Februar zum ersten Mal auf dieser Reise auf das Meereis treffen. Zwar treiben die Schollen noch in losen Verbänden, teils ‚bemannt‘, an uns vorbei (Foto 1), doch ist das eine oder andere Mal schon metallisches Schrammen im ganzen Schiff zu hören. Als Eisbrecher liegt es Polarstern jedoch fern, von nun ab in Schlangenlinien die Fahrt fortzusetzen. Diese Art der Fortbewegung behält sie sich für die ‚richtigen‘ Eisbedeckungen von einigen Metern Mächtigkeit vor.

Am Morgen des 10. Februars ist der etwas dichtere Meereisriegel vor unserem Untersuchungsgebiet durchbrochen. Nun geht es in dem küstennahen Streifen offenen Wassers, auch Küstenpolynya genannt - Polynya ist der russische Begriff für eine offene Wasserfläche innerhalb einer geschlossenen Meereisfläche - nach Süden zu unserer ersten ozeanographischen Station. Auf dem Weg dorthin kommt zum ersten Mal der Hubschrauber, wir haben zwei davon an Bord, zum Einsatz, denn auch die Meereisphysiker und –biologen wollen ihr Equipment auf einer der nahen Schollen ausprobieren (Foto 2).

Obwohl die anvisierte Position noch von einzelnen Schollen bedeckt ist, wird am 11. Februar um 6 Uhr morgens der Knopf gedrückt, um eine 2000 m lange Verankerung aus dem eisernen Griff des Ankersteins zu befreien. Nach gut 30 Minuten sehen die gespannten Brückenblicke erleichtert die ersten Zeugen, die Auftriebskörper, an der Oberfläche auftauchen. Alles Weitere ist nun Routine der sehr erfahrenen Besatzung, vorsichtiges Nähern, längsseits gehen, die Verankerungsleine an den Haken bekommen und dann Instrument für Instrument, Meter für Meter Leine mit dem Kran an Bord holen.

Nach 2 Stunden und 15 Minuten ist die erste ‚Ernte‘ eingefahren, sodass genügend Zeit bleibt, auch die nahe gelegene Verankerung unserer französischen Kollegen anzusteuern. Hier jedoch soll aufgenommen und ausgelegt werden, ausgerechnet in der Nähe einer Scholle, die lauernd darauf wartet, dieses zu verhindern. Was für eine Erleichterung, als der erste Auftriebskörper 100 m vor der Scholle nach vier Jahren der Dunkelheit das Tageslicht erblickt. Die eingeübte Routine beginnt von neuem und endet um 18 Uhr, rechtzeitig zum Abendessen (Foto 3).

Wir machen uns nun auf den Weg zu der ersten großen, weiter südlich gelegenen BioGeo-Station, wo gleich 10 verschiedene Instrumente im Laufe des Tages zum Einsatz kommen sollen (Foto 4). Die Organisation solch einer Station ist eine Herausforderung, da einzelne Beprobungen nur im Block und zeitlich begrenzt und versetzt erfolgen können. Der Start in den Tag ist deshalb etwas holperig, was den Erfahrungsschatz nur fördert. Am Ende ist es das heranrauschende Sturmtief, das uns zu einem schnellen Aufbruch in den etwas ruhigeren, eisbedeckten Norden treibt. Doch wir werden wiederkommen, da wir zwei Lander, autonome Instrumente, die verschiedene bio-geo-chemische Parameter in der Nähe des Meeresbodens messen, und eine treibende Sinkstofffalle zurückgelassen haben.  

Die Entscheidung, sich dem Zentrum des Tiefs im Norden zu nähern, wird belohnt, denn dort hat selbst der schwächere Wind einen solchen Kehraus gemacht, dass wir am Morgen des 13. Februars die zweite ozeanographische Verankerung ausbringen können. Die mehrjährige Messung von Temperatur, Salzgehalt und Strömungsgeschwindigkeit und -richtung über eine rund 2000 m mächtige Wassersäule übernehmen hier sowohl Instrumente des AWIs als auch die unserer Kolleg*innen aus Norwegen und Schweden. Rechtzeitig zum Mittagessen ist die Arbeit getan, sodass wir uns nun gen Süden zu den beiden norwegischen Verankerungen pirschen können, die am Morgen des 14. Februars aufgenommen und an selbiger Position Anfang März wieder ausgebracht werden sollen. Auf dem Weg dorthin wird die Front, die die kalten (-1,9 °C) Wassermassen des Kontinentalschelfs von den relativ warmen (+0,75 °C) des offenen Ozeans trennt, in kleinen Abständen durch CTD (Leitfähigkeit, Temperatur und Druck) Stationen vermessen und beprobt.

Es ist fast müßig zu berichten, dass die Aufnahme der beiden norwegischen Verankerungen wieder sehr routiniert geschieht und wir uns daher früher als kalkuliert auf die Suche nach der zurückgelassenen Sinkstofffalle machen können, die sich per Satellit von einer Position rund 20 nm südlich von ihrer Auslegung gemeldet hat. Und während des Schreibens dieses Berichtes kommt der ‚Ausreißer‘ auch schon wieder sicher an Bord.

PS124 grüßt noch frohen Mutes aus dem sich beruhigenden Weddellmeer – seit mehr als 35 Jahren ein beliebtes Ziel der Polarstern.

 

Hartmut H. Hellmer (Fahrtleiter)

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