PS111 - Wochenbericht Nr. 1 | 19. - 26. Januar 2018

Temperaturschwankungen

[30. Januar 2018] 

Wir sind gerade noch so weggekommen aus dem Schneeunwetter in Deutschland. Die zweimalige Enteisung des Flugzeugs verspätete den Transit nach Südafrika um 3 Stunden. Zwischen bajuvarischem Schneematsch und antarktischem Festeis genießen wir eine kurze Aufwärmphase bei 26°C in Kapstadt bei einem Farewell-Bier an der „Waterfront“.

Das Auslaufen von Polarstern wird vorverlegt. Durch die auffrischenden Kapwinde drohte Hafenschließung - die zwei Stunden hinter uns in der Tat erfolgte. Am Nachmittag des 19. blicken wir auf unruhiger Wegstrecke der Kreuzung von Breitengeraden mit Eigennamen entgegen - und sind nach wenigen Tagen wieder bei deutschen Wintertemperaturen angekommen.

Einweisungen in Schiff und Gerät, seine Gepflogenheiten und die Sicherheit nehmen ihren Lauf. Die Roaring Fourties werden durch eine Hochdruckbrücke beruhigt und erlauben so eine reibungslose Entfaltung des Forschungsgeräts. Unzählige Kisten rumpeln über Deck - an Bord sind 360 Tonnen Forschungs- und Versorgungsgüter, verteilt über 41 Container. Viele bleiben vorerst unberührt, sie beinhalten den Nachschub für Neumayer III. 53 Wissenschaftler richten sich in den Laboren häuslich ein - in jeder Hinsicht professionell unterstützt von 43 Besatzungsmitgliedern.

In den Furious Fifties geht dann und wann auch schon mal ein Gerät über Bord: FLOATs - autonome ozeanographische „one-way“-Sonden, die ihre Messungen über Satellit in ihre persönliche Datenbank „Coriolis“ liefern bis die Batterien ermüden. Ein neues CTD-Model schwimmt am Band hinterher und mißt Wassertemperaturen, die polare Breiten ankündigen. Und die Geologen machen ihre Rohre scharf, um erste Profile aus dem Meeresboden zu stechen.

Ein Loch im Meereis (> 100 m) wird international mit dem russischen Begriff „Polynya“ bezeichnet - meist hervorgerufen durch starke ablandige Winde, die den Küstenbereich vor der Schelfeiskante freihalten. Es gibt einen Sonderfall: Die Maud Rise Polynya - so groß und eigenartig wie selten. Nach 40 Jahren war mal wieder ein Loch im Eis: 40 000 qkm flüssiges Wasser im tiefsten Winter im dicksten Meereis! Jetzt ist Hochsommer im Südpolarmeer. Das Meereis hat sich auf sein Minimum zurückgezogen. Unser Kurs kreuzt Polynyas geschmolzene Existenz - selbstverständlich muss die CTD da nachfühlen, ob sich das Wasser über dem Maud Rise noch an sie erinnert.

Wenn dann in der Morgensonne eine Buckelwalfamilie dem Nachwuchs zeigt, wie ein Forschungsschiff aussieht und dass man ganz dicht ranschwimmen darf, wird Wissenschaft zur Nebensache und der Kaffee kalt. Und die Lote sind stumm vor Staunen.

PS111 grüßt erwartungsfroh und voller Forschungselan vom Maud Rise - dem Hausberg vor der Atkabucht.

 

Liebe Grüße an alle daheim

Michael Schröder

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