Permafrost in der Arktis speichert große Mengen an organischem Kohlenstoff in gefrorenen Böden und tieferen Ablagerungen. Doch die Arktis erwärmt sich besonders schnell und lässt diese Speicher auftauen. Die Folge: Immer mehr Treibhausgase aus den Böden gelangen in die Atmosphäre. Wo und wie schnell Permafrost auftaut, ist erst wenig erforscht, ebenso wie die Prozesse, die das Tauwetter antreiben. Das internationale Projekt PeTCaT will insbesondere die Wissenslücken um schnelle Tauprozesse schließen. Unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts werden Forschende aus Deutschland, den USA, Kanada, den Niederlanden und Schweden einen neuartigen Datensatz aufbauen, mit dem sie die möglichen Entwicklungen und Einflüsse von Treibhausgasen aus tauendem Permafrost projizieren können. Gefördert wird das Projekt von der gemeinnützigen Organisation Schmidt Sciences.
„Wie schnell Permafrost auftaut, hängt davon ab, in welcher Region in der Arktis wir uns befinden und welche Prozesse das Tauen antreiben“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Guido Grosse, Leiter der Sektion Permafrostforschung am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Während das sommerliche Auftauen der oberen Permaforstböden ein natürlicher Prozess ist, gibt es langfristig durch die arktische Erwärmung auch ein Vertiefen dieser Auftauschicht und damit ein allmähliches Tauen des Permafrost von oben um einige zusätzliche Zentimeter pro Jahr. Dieser Prozess wird zum Beispiel durch die kontinuierlich wärmer werdende Lufttemperatur, stärkere Schneedicken, oder Veränderungen in der Vegetation angetrieben, welche die Bodentemperaturen erhöhen. Dann gibt es aber auch abrupte Tauvorgänge, durch die schnell mehrere Meter Permafrost pro Jahrzehnt oder gar pro Jahr verschwinden, etwa wenn auftauende Küsten plötzlich abbrechen, sich Thermokarstseen vertiefen und wachsen, oder wenn Hangrutschungen eisreichen Untergrund freilegen. Dabei können große bisher im Permafrost gespeicherte Mengen organische Substanz freigesetzt werden, die Mikroorganismen in CO₂ und Methan umwandeln können. „Eben diese abrupten Prozesse sind bisher wenig erforscht und werden bisher in keinem Klimamodell berücksichtigt“, sagt Guido Grosse. „Es ist aber wichtig, diese weitverbreiteten schnellen Tauvorgänge und ihre Auswirkungen zu erfassen, um zu verstehen, wie sie den Kohlenstoffkreislauf beeinflussen – besonders über die kurzen Zeiträume von Jahren und wenigen Jahrzehnten, die für die Klimapolitik relevant sind.“
Genau hier setzt PeTCaT (Rapid Permafrost Thaw Carbon Trajectories) an: Im Zentrum steht die Frage, wie plötzlich freigesetzte Treibhausgase aus zerfallendem Permafrost kurzfristig das Klima beeinflussen – zusätzlich zu anderen natürlichen und menschengemachten Emissionen. Und was das wiederum für das verbleibende Kohlenstoffbudget und unsere klimapolitischen Ziele bedeutet. In den kommenden fünf Jahren entwickelt das Projektteam verschiedene Klimaprojektionen, die zeigen, wie sich der Kohlenstoffkreislauf und das Klima im arktischen Permafrostgebiet künftig entwickeln könnten. Die Projektionen bilden dabei auch ab, welche Wechselwirkungen mit veränderten Vegetationsmustern und biogeochemische Rückkopplungen diese zusätzlichen Emissionen in verschiedenen Klimaszenarien auslösen können.
Dafür bauen die Forschenden einen neuartigen Datensatz auf: Zum einen nutzen sie Fernerkundung und Deep-Learning-Methoden, um abrupte Tauprozesse in der gesamten Arktis zu kartieren. So wollen sie herausfinden, wo, wie häufig und wie intensiv diese Prozesse auftreten – und wie sie mit Klimamustern und Extremereignissen zusammenhängen. Diese Informationen verknüpfen sie mit bestehenden Datensätzen und Prozessmodellen, um abzubilden, wie sich solche Veränderungen künftig entwickeln könnten. Zum anderen sammelt das Team auch im Feld Daten: An ausgewählten Standorten in der Arktis untersucht es, wie sich verschiedene Arten von organischem Material aus auftauendem Permafrost zersetzen. Dafür nehmen die Forschenden Bodenproben, messen die Freisetzung von Treibhausgasen sowie deren Flüsse vor Ort und werten bestehende Datensätze für die gesamte Arktis aus. „Am AWI untersuchen wir, wie sich Thermokarstseen, die Kohlenstoffspeicherung im Boden und die Biogeochemie des Bodens verändern, ebenso wie stark sich der Permafrost erwärmt“, so Guido Grosse.
In PeTCaT arbeiten Forschende aus sechs Institutionen zusammen: dem Alfred-Wegener-Institut (Deutschland), der University of Alaska Fairbanks (USA), der University of Alberta (Kanada), der Universität Hamburg (Deutschland), der Stockholm University (Schweden) und der Vrije Universiteit Amsterdam (Niederlande). Sie kombinieren ihre Expertise in der Permafrostforschung, Bodenkohlenstoff- und Biogeochemie von Treibhausgasen, Fernerkundung, Prozessmodellierung und globalen Klimamodellierung. „Wir müssen die Prozesse und ihre Interaktionen besser verstehen, die hinter abrupt tauendem Permafrost stecken“, fasst Guido Grosse zusammen. „Mit unserem jetzigen Wissensstand können wir nicht verlässlich einschätzen, wie sich plötzlich freiwerdende Mengen an Treibhausgasen auf die Atmosphäre und das Klima auswirken. Sie könnten das verbleibende Kohlenstoffbudget, welches der Menschheit für das Erreichen der 1,5 Grad Marke maximal noch zur Verfügung steht, deutlich verringern und damit auch den verbleibenden Handlungsspielraum, um menschengemachte Emissionen drastisch zu reduzieren.“
Über PeTCaT (Rapid Permafrost Thaw Carbon Trajectories)
Laufzeit: Fünf Jahre, von Oktober 2025 bis September 2030
Fördersumme: 10,4 Millionen US Dollar von Schmidt Sciences
Geografischer Schwerpunkt: die gesamte Arktis, mit Feldstudien in Alaska, Kanada und Finnland
Webseite: www.schmidtsciences.org/vicc/
Über Schmidt Sciences
Schmidt Sciences ist eine gemeinnützige Organisation, die Forschungsprojekte in den Bereichen KI und fortschrittliches Computing, Astrophysik, Biowissenschaften, Klima und Weltraum unterstützt, um wirkungsvolle und exzellente Wissenschaft zu ermöglichen. Mit der Forschungsinitiative VICC (Virtual Institute for the Carbon Cycle) unterstützt Schmidt Sciences gezielt Forschung, um Prozesse im globalen Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen und abzuschätzen, wie er sich künftig entwickeln könnte. PeTCaT ist eines von vier Projekten, die über das VICC gefördert werden.