24. Oktober 2025
Online-Meldung

Untersuchung unerforschter Ozeanströmungen im Norden Grönlands

Forschungsschiff Polarstern kehrt nach insgesamt knapp fünf Monaten in der Arktis nach Bremerhaven zurück
Polarstern nahe Grönland (Foto: Marcel Nicolaus)

Die wenig erforschte Region im Norden Grönlands war das letzte Untersuchungsgebiet, das die Polarstern auf drei Arktis-Expeditionen seit Ende Mai 2025 erforscht hat. In diesem weitgehend unbefahrenen Seegebiet konnte ein Forschungsteam unter Leitung des physikalischen Ozeanographen Torsten Kanzow vom Alfred-Wegener-Institut einmalige Daten zur Ozeanzirkulation nördlich und nordöstlich von Grönland sammeln. Außerdem wurde dort eine Kette von sechs Verankerungen ausgebracht, die ein ganzes Jahr autonome Messungen durchführen sollen.

„Es fehlt uns grundlegendes Verständnis der Schließung der arktisweiten Zirkulation nördlich und nordöstlich von Grönland, wo das warme Wasser das Schmelzen großer Gletscher antreibt. Es war beispielsweise bisher nicht bekannt, ob es nördlich von Grönland einen Randstrom gibt und in welche Richtung er fließt“, erklärt Prof. Dr. Torsten Kanzow, warum die Region von besonderem Interesse ist. Der Leiter der Physikalischen Ozeanographie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ergänzt: „Bislang gab es in dieser ganzjährig vom Meereis bedeckten Region noch keine strukturierte, ozeanographische Aufnahme der Strömungsverhältnisse sowie des Ökosystems. Wir haben also mit dieser Expedition Neuland betreten, und hoffen, mit den Analysen wichtige Wissenslücken schließen zu können.“ 

Die Messungen der 50 wissenschaftlichen Expeditionsteilnehmenden zielten darauf ab, die Zirkulation von arktischem Atlantikwasser und polarem Oberflächenwasser auf dem Schelf und am Kontinentalabhang nördlich von Grönland zu vermessen. Außerdem wollte das Team deren Verbindung zum weiter südlich gelegenen Ostgrönlandstrom bestimmen. Gleichzeitig wurde die Verbindung der Strömungs- und Schichtungsverhältnisse zu den marinen Ökosystemen untersucht, indem Verteilungen und Zusammenhänge von Nährstoffen, Algen und Zooplankton beprobt wurden. Ein anderer, wichtiger Aspekt des Messprogramms war es herauszufinden, wie die ozeanisch getriebene Schmelze der sich zurückziehenden Gletscher von Atlantikwasser beeinflusst wird und wie das Gletscherschmelzwasser die Küstenzirkulation und den Export von Kohlenstoff zum offenen Ozean hin beeinflusst.

„Unsere Messprogramme waren äußerst erfolgreich. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass entlang der Schelfkante nördlich und nordöstlich von Grönland ein Strömungsband in Tiefen von wenigen Hundert Metern existiert, dass das warme atlantische Wasser aus dem Arktischen Ozean nach Süden hinausbefördert“, berichtet der wissenschaftliche Fahrtleiter der Expedition. Dabei gab es erste Hinweise, dass dieses Wasser im arktischen Ozean unterschiedliche Pfade zurückgelegt hat, bevor es die nordgrönländische Küste erreichte. Torsten Kanzow erläutert weiter: „Im Bereich der Meeresströmungen an der Meeresoberfläche, die kalte und recht süße polare Wassermassen transportieren, war das Bild komplexer: Im südlichen Teil des Messgebietes fanden wir ausgeprägte, und wie erwartet nach Süden (also in Richtung der Fram Straße) gerichtete Strömungen. Im nördlichen Teil hingegen fanden sich jedoch spannenderweise Strömungen in der entgegengesetzten Richtung (also in Richtung der Nares Straße zwischen Grönland und dem kanadischen Archipel). Nachfolgende Analysen werden Auskunft darüber geben, was die Ursache dieser Strömung ist, und ob sie ein Teil eines Strömungsbandes darstellt, das die polaren Wassermassen westlich von Grönland aus dem Arktischen Ozean hinausbefördert. Diese ersten Erkenntnisse haben uns dabei unterstützt, verankerte Dauermessungen auszubringen, die wir hoffentlich im nächsten Sommer bergen werden und die uns dann ermöglichen, einzuschätzen, ob die ersten Erkenntnisse von dieser Reise auch über ein ganzes Jahr hinweg zutreffen.“

Diese 150. Polarstern-Expedition namens EGC-Sources startete am 4. September 2025 in Lonyearbyen (Svalbard), und endet voraussichtlich am frühen Morgen des 24. Oktober 2025 in Bremerhaven. Zuvor war der deutsche Forschungseisbrecher auf der CONTRASTS-Expedition unter Leitung des AWI-Meereisphysikers Dr. Marcel Nicolaus in der Zentralarktis unterwegs (Start am 2. Juli im norwegischen Tromsø, Ende 1. September in Longyearbyen). Den Auftakt der diesjährigen Arktissaison bildete eine Expedition in den sogenannten AWI-Hausgarten und Leitung der Biologin Dr. Jennifer Dannheim (29. Mai Start in Bremerhaven, 29. Juni Ende in Tromsø). Rund drei Wochen verbringt die Polarstern jetzt für standardmäßige Wartungs- und Reparaturarbeiten in der Lloyd Werft in ihrem Heimathafen Bremerhaven bevor sie Mitte November den Transit Richtung Antarktis antritt. 

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