Wissenschaftliche Publikation

Die feurige Vergangenheit der Südhalbkugel

Eisbohrkerne aus der Antarktis zeigen: Auf der südlichen Hemisphäre gab es in vorindustrieller Zeit viermal mehr Rußpartikel in der Atmosphäre als bislang bekannt
[31. Mai 2021] 

Ein internationales Forschungsteam hat herausgefunden, dass die vorindustrielle Atmosphäre deutlich mehr Aerosole aus Feuern und Brandrodungen enthielt, als es frühere Studien nahelegen. Weil Rußpartikel einen kühlenden Effekt auf die Erde haben, müssen einige Klimamodelle nun möglicherweise angepasst werden.

Eine aktuelle Studie im Fachmagazin Science Advances untersucht die Rolle von Rußpartikeln im Klimasystem der Erde. Das internationale Forschungsteam um den Hauptautoren Pengfei Liu von der Harvard University hat dazu Eisbohrkerne aus der Antarktis und die darin enthaltenen Aerosolpartikel analysiert. Ein Teil der untersuchten Kerne wurde dabei von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in einem schwer zugänglichen Teil der Antarktis gebohrt.

Rußpartikel spielen eine wichtige Rolle im Klimageschehen. Während Treibhausgase wie CO2 die Atmosphäre aufheizen, weil sie Wärmestrahlung absorbieren, haben Aerosole aus Vulkanen, Waldbränden und der Verbrennung fossiler Energieträger einen kühlenden Effekt, weil sie das Sonnenlicht aus dem All blockieren und die Wolkenbildung fördern. In Klimamodellen müssen deshalb beide Effekte so realitätsnah wie möglich abgebildet werden, damit Prognosen für die künftige Netto-Erwärmung verlässlich sind.

Um die Qualität zu testen, lassen Forschende ihre Computermodelle durch die Vergangenheit „laufen“. Kann das Modell die Klimadaten aus natürlichen Archiven – etwa Eisbohrkerne, Gestein oder Sedimente – reproduzieren, sind alle relevanten Prozesse korrekt dargestellt. Die Computer können dann weiter in die Zukunft rechnen und Prognosen liefern. Anders als bei Treibhausgasen ist die Datenlage zu den kühlenden Aerosolen in vorindustrieller Zeit jedoch sehr dünn. Deshalb ist es dringend nötig, diese Wissenslücke zu füllen, damit die Vorhersagen der Klimamodelle noch besser werden.

Um herauszufinden, in welchen Konzentrationen Rußpartikel in der vorindustriellen Atmosphäre präsent waren, analysierte das Forscherteam 14 Eisbohrkerne, die an verschiedenen Stellen der Antarktis geborgen wurden, unter anderem durch das AWI. „Für eine belastbare Abschätzung der relevanten Aerosolbeiträge zum Klimageschehen, müssen auch Eisbohrkerne aus schwer zugänglichen Regionen in die Auswertung einfließen. Diese zu erreichen ist eine große logistischen Herausforderung“, sagt AWI-Wissenschaftler Johannes Freitag. „Einen der Studienkerne haben wir auf einem Antarktis-Plateau in knapp 4.000 Meter Höhe gebohrt. Dazu wurden wir von der Kohnen-Station des AWI aus zu viert auf das Plateau geflogen, wo wir dann knapp zwei Wochen bei -40°C bohrten und in provisorischen Zelten lebten. Die Luft war hier so dünn, dass der Flieger den schweren Kern auf der Rückreise nicht zuladen konnte. Er wurde dann zwei Jahre später mit Schneefahrzeugen geborgen und nach Bremerhaven gebracht.“

Und die Mühe hat sich gelohnt. Bei der Auswertung der Kerne zeigte sich, dass die Menge an Rußpartikeln von 1750 bis zur industriellen Revolution zumindest auf der Südhalbkugel viermal höher gewesen sein muss, als es frühere Studien nahelegen. Das Team um Pengfei Liu vermutet, dass die Menschen in Südamerika, Afrika und Australien offenbar deutlich intensiver Brandrodung betrieben haben, als bislang bekannt. Damit zeigt die Studie, dass der kühlende Effekt von Aerosolen in vorindustrieller Zeit auch in Klimamodellen neu kalibriert werden muss. „Klimaforscherinnen und Klimaforscher wissen, dass viele Modelle der aktuellen Generation die Sensitivität der Oberflächentemperatur auf Treibhausgase überschätzen. Bislang wussten wir nur nicht warum“, sagt Pengfei Liu. „Unsere Studie liefert nun eine mögliche Erklärung, mit der die Modelle angepasst und verbessert werden können.“
 

Originalpublikation

Pengfei Liu et al.: Improved estimates of preindustrial biomass burning reduce the magnitude of aerosol climate forcing in the Southern Hemisphere. Science Advances (2021), DOI: 10.1126/sciadv.abc1379

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