09. Oktober 2025
Pressemitteilung

Multitalent Treibholz: Erste großflächige Kartierung an arktischen Küsten

AWI Forschende legen die Grundlage dafür, die Funktionen von Treibholz systematisch zu erfassen und Veränderungen in Zukunft besser zu verfolgen
Treibholzansammlungen entlang artkischer Küsten (Foto: Alfred-Wegener-Institut / Carl Stadie)

Treibholz spielt eine wichtige Rolle für arktische Küstenökosysteme: Es stabilisiert Küstenlinien, bietet Lebensraum für Tiere und speichert Kohlenstoff. Gleichzeitig kann es auch Hinweise auf Umweltveränderungen im arktischen Raum liefern, etwa für Sturmfluten, Küstenerosion oder sich verändernde Flussdynamiken. Trotz dieser wichtigen Rolle wissen wir noch sehr wenig über großflächige Verteilungsmuster von Treibholz. Forschende des Alfred-Wegener-Instituts haben nun erstmals Treibholzablagerungen systematisch entlang einer 11.000 Kilometer langen Küstenlinie in Alaska und Nordwest-Kanada kartiert. Dabei nutzten sie Satellitendaten und KI-gestützte Auswertungsmethoden. Am Ende konnten sie über 19.000 stabile Ablagerungen identifizieren – eine Datenbasis, die es in diesem Maßstab bislang nicht gab. Die Ergebnisse erschienen kürzlich in der Fachzeitschrift Scientific Reports.

Entlang der arktischen Küsten sammelt sich eine erstaunliche Menge Treibholz – meist Stämme von Kiefern, Fichten und Lärchen aus den Wäldern. Über Flüsse werden sie ins Meer gespült und lagern sich schließlich an den Küsten ab, entweder als einzelne Stämme oder als dichte Teppiche aus Holz. Manche dieser Ansammlungen sind mit bis zu 15 Hektar etwa so groß wie 20 Fußballfelder. „Unsere Studie gibt den bisher größten Überblick darüber, wo und nach welchen Mustern sich Treibholz in der Arktis verteilt und anhäuft“, sagt Carl Stadie, Erstautor der Studie und Doktorand aus der Sektion Permafrostforschung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Hierfür hat das Team zwischen 2019 und 2023 rund 2,3 Terabyte Satellitendaten gesammelt, die insgesamt 1,3 Millionen Quadratkilometer Küste in der nordamerikanischen Arktis abdecken. „Anschließend haben wir ein neuronales Netz darauf trainiert, Treibholz auf den Bildern automatisch zu erkennen.“

Wie zuverlässig dieses Netzwerk funktioniert, haben die Forschenden mit hochaufgelösten Luftaufnahmen aus AWI-Flugkampagnen überprüft. Tatsächlich konnten sie so entdecken, dass sich Treibholz nicht wahllos entlang der arktischen Küsten verteilt, sondern sich vor allem in der Nähe großer Flussdeltas ansammelt. Das Team fand über 19.000 Depots, die zwischen den Jahren 2019 und 2023 eine Fläche von knapp 23 Quadratkilometern abdeckten und über die Jahre hinweg recht stabil an denselben Stellen blieben. „Flüsse sind das wichtigste Transportsystem für Treibholz in die Ozeane“, so Carl Stadie. „Die Wasserwege, auf denen es in die offenen Gewässer gelangt, sind aber noch unklar. Um herauszufinden, ob Treibholz in der Nähe seiner Ursprungsflüsse bleibt oder sich weiträumig verteilt, haben wir nach einem Zusammenhang gesucht, zwischen der mit Treibholz bedeckten Fläche und der Entfernung zur nächstgelegenen Flussmündung.“ 

Tatsächlich zeigen die Bilder, dass sich mehr als 80 Prozent des gesamten Treibholzes innerhalb von 200 Kilometern Entfernung zu den Flussmündungen ansammelten. Die räumliche Dichte der Ablagerungen nahm deutlich ab, je weiter sie von der Flussmündung entfernt waren. „Das legt nahe, dass sich die Verteilung von Treibholz über Meeresströmungen oder Eis möglicherweise weniger weitläufig vollzieht als bislang angenommen“, so Carl Stadie. Doch nicht nur die Dichte der Ablagerungen unterscheidet sich je nach Ort, auch die Art der Ablagerung variiert: In Flussdeltas findet man eher kleinere, dichte Depots, an offenen Küsten dagegen größere, stabile Matten. Wie viel Holz sich abgelagert hat, hing stark damit zusammen, wie dicht die Einzugsgebiete mit Wäldern bewachsen waren.

„Unser Deep Learning-Ansatz ist die bisher umfassendste Bewertung von Treibholz in der Arktis“, fasst Carl Stadie zusammen. „Er zeigt, wie und wo sich Treibholz ansammelt und liefert eine Datengrundlage, um seine ökologischen Funktionen systematisch zu erfassen und Veränderungen in Zukunft besser zu verfolgen.“ Langfristig eröffnet die Methode die Möglichkeit, Treibholz als Indikator für klimabedingte Veränderungen in Flüssen, Wäldern und Küstenlandschaften zu nutzen. 

Originalpublikation

Carl Stadie, Martin Brandt, Ingmar Nitze, Xiaoye Tong, Siyu Liu, Ankit Kariryaa, Sizhuo Li, Florian Reiner, Tabea Rettelbach, Guido Grosse: Large driftwood accumulations along arctic coastlines and rivers. Sci Rep 15, 32500 (2025). https://doi.org/10.1038/s41598-025-17426-y 

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