20. Oktober 2025
Online-Meldung

Wichtiges Phänomen in der Arktis entdeckt

Stickstofffixierung im Arktischen Ozean (Foto: Rebecca Duncan)

In einer internationalen Studie unter Leitung der Universität Kopenhagen und Mitwirkung des Alfred-Wegener-Instituts wurde ein wichtiges Phänomen unter dem arktischen Meereis entdeckt, das bisher für unmöglich gehalten wurde: Sogenannte Nicht-Cyanobakterien können auch unter arktischen Bedingungen Stickstoff fixieren, was wiederrum Auswirkungen auf das Nahrungsnetz und den Kohlenstoffhaushalt im kalten Norden haben könnte, wie die Forschenden jetzt in der Fachzeitschrift Communications Earth and Environment berichten. 

Das Abschmelzen des Meereises im Arktischen Ozean hat weitreichende negative Auswirkungen. Aber paradoxerweise kann das Schmelzen des Eises auch den Motor der arktischen Nahrungsnetze antreiben: die Algen. Algen sind die Hauptnahrungsquelle für das Leben im Meer, aber sie brauchen Stickstoff, um zu wachsen. Und Stickstoff ist im Arktischen Ozean ein knappes Gut. Eine neue internationale Studie unter der Leitung der Universität Kopenhagen und Mitwirkung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) zeigt jedoch, dass der Stickstoff durch einen Prozess zugeführt wird, von dem man bisher annahm, dass er nicht unter dem arktischen Meereis stattfinden kann. Dies könnte die Zukunftsaussichten für das Meeresleben im hohen Norden und möglicherweise auch für den Kohlenstoffhaushalt verändern.

Das Forschungsteam ist das erste, das herausgefunden hat, dass das Phänomen der Stickstofffixierung sogar im zentralen Arktischen Ozean unter dem Meereis stattfindet. Generell ist Stickstofffixierung ein Prozess, bei dem spezielle Bakterien im Meerwasser gelöstes Stickstoffgas (N2) in Ammonium umwandeln. Ammonium hilft einerseits den Bakterien zu wachsen, andererseits kommt es auch den Algen und dem übrigen Nahrungsnetz im Ozean zugute. Stand der Wissenschaft war bisher, dass die Stickstofffixierung unter dem Meereis nicht stattfinden kann, weil man annahm, dass die Lebensbedingungen für die Organismen, die die Stickstofffixierung durchführen, zu schlecht sind. 

Während in den meisten anderen Ozeanen Cyanobakterien für die Stickstofffixierung zuständig sind, zeigt die Studie, dass im zentralen Arktischen Ozean eine ganz andere Art von Bakterien den Stickstoff umwandelt: die sogenannten Nicht-Cyanobakterien. Die Forschenden haben während einer Studie mit dem Forschungsschiff Polarstern die höchsten Raten der Stickstofffixierung im Bereich der Eisrandzone gemessen, wo das Eis am aktivsten schmilzt. Die Bakterien können zwar auch unter dem geschlossenem Packeis Stickstoff fixieren, aber die Raten sind dort deutlich geringer. Wenn sich also das Meereis zurückzieht und sich der Bereich des Schmelzens ausweitet, wird erwartet, dass größere Mengen an Stickstoff durch Stickstofffixierung zugeführt werden könnten. 

Das würde bedeuten, die Zugabe von verfügbarem Stickstoff im Arktischen Ozean wurde bisher unterschätzt - sowohl heute als auch für zukünftige Prognosen. Das könnte heißen, dass auch das Potenzial für die Algenproduktion unterschätzt wurde, wenn der Klimawandel die Meereisbedeckung weiter reduziert. Da Algen die Hauptnahrungsquelle für kleine Tiere wie planktische Krebstiere sind, die wiederum von kleinen Fischen gefressen werden, können mehr Algen letztendlich das gesamte Nahrungsnetz beeinflussen. 

Darüber hinaus könnte die neu entdeckte Stickstoffquelle auch für die CO2-Aufnahme von Vorteil sein - zumindest regional. Je mehr Algen wachsen, desto besser kann der Ozean CO2 aufnehmen. Für das Klima und die Umwelt ist das wahrscheinlich eine gute Nachricht. Wenn die Algenproduktion zunimmt, wird der Arktische Ozean mehr CO2 aufnehmen, weil mehr CO2 in der Algenbiomasse gebunden wird. Aber biologische Systeme sind sehr komplex, so dass es schwierig ist, sichere Vorhersagen zu machen, da andere Mechanismen in die entgegengesetzte Richtung wirken können. Dennoch sind die Forschenden der Meinung, dass die Stickstofffixierung in die Prognosen für den Arktischen Ozean einbezogen werden sollte. Es sei noch unklar, ob der Nettoeffekt sich positiv auf das Klima auswirken wird. Aber klar sei, dass ein wichtiger Prozess wie die Stickstofffixierung in die Gleichung einzubeziehen sei in Vorhersagen, was mit dem Arktischen Ozean in den kommenden Jahrzehnten passieren wird, wenn das Meereis abnimmt so die Autor:innen der Studie.

Originalpublikation: 

Lisa W. von Friesen, Hanna Farnelid, Wilken-Jon von Appen, Mar Benavides, Olivier Grosso, Christien P. Laber, Johanna Schüttler, Marcus Sundbom, Sinhué Torres-Valdés, Stefan Bertilsson, Ilka Peeken, Pauline Snoeijs-Leijonmalm, Lasse Riemann: Nitrogen fixation under declining Arctic sea ice. Commun Earth Environ 6, 811 (2025). DOI: https://doi.org/10.1038/s43247-025-02782-4

Diese Meldung erschien zuerst bei der Universität Kopenhagen (englisch). 

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