Nach mehreren Wochen auf See ist das Forschungsschiff Heincke von seiner Expedition HE666 im Arktischen Ozean nach Bremerhaven zurückgekehrt. Ziel der Reise war Spitzbergen, wo ein zehnköpfiges Team von Forschenden des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), des GEOMAR und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz unter wissenschaftlicher Leitung von Felix Mark die Auswirkungen des Klimawandels auf arktische Fjordökosysteme untersuchte. Dazu sammelten sie umfangreiche Daten zu Wasser, Sedimenten und marinen Organismen, um Veränderungen in der Region besser erfassen zu können. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die ökologischen Folgen des Klimawandels in der Arktis genauer zu verstehen.
Schon die Fahrt selbst macht die Veränderungen anschaulich: Erstmals konnte die Heincke Spitzbergen komplett umrunden. In früheren Jahren scheiterte die Umrundung am Meereis, doch in diesem Sommer war das Seegebiet östlich der Inselgruppe ungewöhnlich eisarm. Dabei wird sehr deutlich, wie stark der Klimawandel die Bedingungen in der Arktis bereits verändert hat.
„Unsere große Fragestellung der HE666 ist, wie stark der atlantische Einfluss die polaren Fjorde mittlerweile prägt und welche Auswirkungen das auf die Artengemeinschaften hat“, erklärt Felix Mark, Fahrtleiter der Expedition und Wissenschaftler in der Abteilung Integrative Ökophysiologie am AWI. Besonders im Fokus der Reise stand der Polardorsch. Der kleine Verwandte des Kabeljaus gilt als Schlüsselspezies der arktischen Nahrungsketten. Er ist Nahrungsgrundlage für Vögel, Robben und Wale und damit ein zentrales Bindeglied im gesamten Ökosystem. Doch der Polardorsch gerät zunehmend unter Druck, da wärmeres Wasser den atlantischen Kabeljau in bislang arktisch geprägte Fjorde vordringen lässt.
Um das besser zu verstehen, hat das Team verschiedene Methoden benutzt. Jeden Tag begann die Arbeit damit, eine CTD-Sonde von der Wasseroberfläche bis in große Tiefen abzulassen. Die Sonde misst Temperatur, Salzgehalt, Fluoreszenz und Sauerstoffgehalt und liefert somit wichtige Informationen über die Schichtung, Durchmischung und biologische Aktivität der Wassermassen. Parallel dazu wurden Sedimentproben mit einem Van-Veen-Greifer und Bohrkernen entnommen. Die Analyse dieser Ablagerungen erlaubt Rückschlüsse darauf, wie sich die Ozeane im Laufe der Jahrhunderte verändert haben und wie sich Kohlenstoff im Meeresboden einlagert.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Fischerei. Mithilfe eines pelagischen Netzes und des sogenannten „Fischlifts“ konnten die Forschenden Fische aus Tiefen von bis zu 300 Metern schonend an die Oberfläche bringen. Der „Fischlifter“ funktioniert wie ein mobiles Wasserbecken, in dem die Tiere während des Aufstiegs im Wasser verbleiben. So bleibt ihre empfindliche Haut intakt, die durch die Enge im Netz sonst verletzt werden könnte. „Auf diese Weise können die Fische unsere Aquarien in einem gesunden Zustand erreichen. Nur so können wir anschließend ihre Reaktionen auf Umweltveränderungen untersuchen“, betont Felix Mark.
Die so gewonnenen Tiere ermöglichten weitere Untersuchungen. Femke Thoben, Doktorandin am GEOMAR, entnahm während der Fahrt Proben der roten Blutzellen von Kabeljau und Polardorsch. „Der Sauerstofftransport im Blut ist entscheidend für das Überleben der Fische“, sagt sie. „Mit den Proben wollen wir analysieren, wie Umweltfaktoren diese Funktion beeinflussen und welche Unterschiede zwischen den Populationen bestehen."
Auch Max Willems, Doktorandin im YESSS-Projekt (Year-round EcoSystem Study on Svalbard), war Teil des Teams. Das Projekt untersucht mithilfe saisonaler Experimente an unterschiedlichen Organismen, wie steigende Wassertemperaturen das arktische Ökosystem beeinflussen. Der Fokus liegt dabei auf den lichtarmen Wintermonaten, über die bislang nur wenige Daten vorliegen. Im Laufe des letzten Jahres verbrachte Max Willems vier längere Forschungsaufenthalte von jeweils rund zwei Monaten in Ny-Ålesund. Auf der Expedition HE666 steuerte die Heincke zudem die dortige Forschungsstation im Kongsfjord an, um Geräte und Proben abzuholen, die in den vergangenen zwölf Monaten für das Projekt gesammelt worden waren. Damit ist die Feldforschungsphase nun offiziell abgeschlossen.
An Bord der Heincke übernahm Max Willems die Bestimmung der Organismen im Meeresboden. In den Sediment- und Schlammproben identifizierte sie Würmer, Weichtiere und vor allem Krebstiere. Diese Analysen liefern wertvolle Hinweise auf die Vielfalt und Anpassungsfähigkeit benthischer Organismen in der Arktis.
Während der 14 Arbeitstage und 15,5 Transittage an Bord der Expedition HE666, darunter zwei wetterbedingte Hafentage, nahm das Team an insgesamt 32 Stationen Proben. Dabei führten die Forschenden 21 CTD-Messungen durch und entnahmen mit elf Van-Veen-Greifern sowie 13 Mini-Bohrkernen Sedimentproben vom Meeresboden. Hinzu kamen 27 Schleppnetzfänge, drei Einsätze des Tauchroboters und sieben wissenschaftliche Angelversuche auf Kabeljau. Darüber hinaus wurden acht weitere Sedimentkerne mit dem Schwerelot gewonnen.
Mit den zahlreichen Wasser-, Sediment- und Fischproben im Gepäck geht die Arbeit nun im Labor weiter. Mithilfe der gesammelten Daten und Analysen soll dort ein klareres Bild davon gezeichnet werden, wie die Erwärmung des Nordatlantiks die Arktis verändert und welche Folgen das für Schlüsselarten wie den Polardorsch hat.