30. Juli 2025
Online-Meldung

Riesige versteckte Flut durchbricht die Oberfläche des grönländischen Eisschildes

2014 löste das schnelle Abfließen eines Sees unter dem grönländischen Eisschild eine riesige Flut aus, die so stark war, dass sie das darüberliegende Eis durchbrach und über den Gletscher floss

Eine neue Studie unter der Leitung der Universität Lancaster und unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Institutszeigt, wie sich Schmelzwasser, das unter dem grönländischen Eis fließt, einen Weg nach oben durch das Eis bahnen und an der Oberfläche des Eisschildes entweichen kann. Die Forschenden konnten dieses Phänomen zum ersten Mal in Grönland beobachten und haben es in der Zeitschrift Nature Geoscience detailliert beschrieben. Die Entdeckung wirft ein neues Licht auf das zerstörerische Potenzial des unter dem Eisschild gespeicherten Schmelzwassers.

Das internationale Forscherteam untersuchte einen bisher unentdeckten subglazialen See unter dem Eisschild in einer abgelegenen Region Nordgrönlands. Mit modernsten Satellitendaten und numerischer Modellen konnten sie eine detaillierte dreidimensionale Abbildungen der Oberfläche des Eisschildes erstellen und sehen, wie der See plötzlich sein Wasser verlor. Die Forscher entdeckten, dass im Sommer 2014 über einen Zeitraum von zehn Tagen ein 85 Meter tiefer Krater auf einer Fläche von zwei Quadratkilometer in der Eisoberfläche entstand, weil 90 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem darunter liegenden See flossen. Das entspricht der Menge Wasser, die in etwa neun Stunden während der Hochsaison über die Niagarafälle sprudelt. Es ist eine der größten subglazialen Überschwemmungen in der Geschichte Grönlands.

Doch was die Forscher weiter flussabwärts fanden, war noch überraschender: In einer Region, in der das Eis zuvor unbeschädigt war, entdeckten sie, dass auf einer Fläche von 385.000 Quadratmetern – oder 54 Fußballfeldern – das Eis plötzlich Risse zeigte und 25 Meter hohe Eisblöcke auf der Gletscheroberfläche lagen. Über eine Fläche  von etwa sechs Quadratkilometern war die Gletscheroberfläche dort mit Wasser überspült worden. „Damit das passieren konnte, müssen sich Risse schräg durch das Eis bis zur Oberfläche entwickeln“, sagt Prof. Angelika Humbert, Glaziologin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Diese Risse schaffen einen Weg, über den das Wasser dann nach oben fließen kann. „Auch wenn dies erst mal ungewöhnlich erscheint, sind solche Risse in der Bruchmechanik durchaus bekannt.“ 

„Als wir das zum ersten Mal sahen, dachten wir, dass es ein Problem mit unseren Daten gibt, weil es so unerwartet war”, sagt Hauptautorin Dr. Jade Bowling. Als wir jedoch unsere Analyse vertieften, wurde uns klar, dass es sich um die Nachwirkungen einer riesigen Wasserflut handelte, die unter dem Eis austrat.” Bisher war man davon ausgegangen, dass das Schmelzwasser von der Oberfläche zur Basis des Eisschildes und dann weiter zum Ozean fließt. Die Studie liefert jedoch den eindeutigen Beweis, dass das Wasser auch in umgekehrter Richtung nach oben fließen kann. 

Die Entdeckungen verdeutlichen die Komplexität des Wasserflusses und die Notwendigkeit, besser zu verstehen, wie der Eisschild auf extreme Schmelzwasserzuflüsse reagiert. Dies wird wahrscheinlich immer häufiger der Fall sein, wenn sich das Klima erwärmt und die Eisschilde immer stärker schmelzen.
 

Originalpublikation

Bowling, J.S., McMillan, M., Leeson, A.A. et al. Outburst of a subglacial flood from the surface of the Greenland Ice Sheet. Nat. Geosci. (2025). https://doi.org/10.1038/s41561-025-01746-9

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