Seit Ende Oktober breitet sich in Deutschland die Vogelgrippe H5N1 aus. Forschende vom Alfred-Wegener-Institut richten ihren Blick nun auf die Antarktis: Auf einer Expedition in das neu eingerichtete Schutzgebiet „Danger Islands“ wollen sie herausfinden, ob sich der hochansteckende Virus auch unter antarktischen Seevögeln verbreitet und ob Pinguine, die in riesigen Kolonien brüten, bereits gefährdet sind. Unterstützt wird das Forschungsteam vom Tierpark Berlin, der seine langjährige Erfahrung im Umgang mit Pinguinen einbrachte.
„In den letzten beiden Brutsaisons wurde das Virus erstmals in der Antarktis nachgewiesen. Derzeit sind vor allem Raubmöwen betroffen“, erklärt Dr. Simeon Lisovski vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), der die Expedition leitet. „Noch gibt es zwar aktuell keine Hinweise auf infizierte Pinguine, doch sollte der Erreger in deren dichte Kolonien gelangen, könnte das katastrophale Folgen für die ganze Population haben.“
Für ihre Untersuchungen müssen die Forschenden den Tieren Blut abnehmen, was nicht so leicht ist: „Pinguine sind Meister der Anpassung an das Leben im Wasser. Ihr ganzer Körper ist mit winzigen, überlappenden Federn bedeckt, mehrere Dutzend pro Quadratzentimeter, ähnlich wie Schuppen. Dadurch sind keine Adern sichtbar“, sagt Lisovski. „Selbst an den Füßen, die frei von Federn sind, wird die Durchblutung stark reduziert, um Wärme zu sparen. Hier auf klassische Weise Blut zu entnehmen ist fast unmöglich.“ Deshalb hat sich der AWI-Ökologe an die Tierärzte des Tierparks Berlin gewandt, die für ihre Humboldt-Pinguine eine spezielle Technik nutzen, bei der eine Vene im unteren Rücken kurz vor dem Schwanz punktiert wird. „Wir haben Dr. Lisovski eingeladen, bei unseren Pinguinen zu üben“, erinnert sich Tierarzt Dr. Andreas Pauly. „Wissenschaft und Tiergarten können voneinander lernen, wenn es darum geht, Tiergesundheit und Artenschutz weltweit zu fördern.“ Mithilfe dieser Methode gelang es dem AWI-Team bereits im vergangenen Jahr, erfolgreich Blutproben von wildlebenden Pinguinen zu gewinnen – ein entscheidender Schritt, der gezeigt hat, dass die beprobten Tiere noch keinen Kontakt mit dem Virus hatten.
Mit Team Malizia ins neue Schutzgebiet „Danger Islands“
Mitte November ist Simeon Lisovski von Ushuaia im Süden Argentiniens Richtung Danger Islands aufgebrochen, um dort etwa vier Wochen lang mit AWI-Doktorand Bennet Stolze Adélie-Pinguine auf den Vogelgrippevirus H5N1 zuuntersuchen. Ihre Kolonie auf den Danger Islands zählt zu den größten der Welt, sie wird auf über 750.000, teils sogar mehr als eine Million Brutpaare geschätzt. In dieser enormen Dichte könnte sich ein Virus wie H5N1 rasend schnell verbreiten und das empfindliche Gleichgewicht des antarktischen Ökosystems aus dem Lot bringen. „Wir stehen an einem Wendepunkt“, sagt Lisovski. „Die Antarktis war lange ein Rückzugsort unberührter Natur. Jetzt könnte sie zur letzten Frontlinie einer globalen Pandemie werden.“
Die Expedition führt in ein Gebiet, das von besonderer ökologischer Bedeutung ist: die Danger Islands. Die kleine Inselgruppe im nordöstlichen Bereich der Antarktischen Halbinsel ist seit 2024 als Schutzgebiet ausgewiesen – das erste in der Antarktis, das von Deutschland initiiert und verwaltet wird. Das Areal umfasst sieben weitgehend unberührte Inseln mit einer Landfläche von rund 4,5 Quadratkilometern. „Die Danger Islands sind eines der letzten nahezu intakten Brutgebiete der Antarktis“, sagt Lisovski. „Sie zu verstehen und zu schützen ist entscheidend für die Zukunft dieser einzigartigen Tierwelt.“
Die Untersuchungen sind Teil einer gemeinsamen Expedition mit dem Bundesumweltamt, die durch das Segelteam Malizia von Boris Herrmann und dem neu für die Wissenschaft ausgestatteten Segelschiff Malizia Explorer unterstützt wird. Dieses sammelt auf seinen Fahrten Meeresdaten wie Temperatur, Salzgehalt oder CO2-Gehalt, mit denen wissenschaftliche Einrichtungen wie das AWI, Meeresregionen, die sonst nur schwer erreichbar sind, besser erforschen können.