Pressemitteilung

Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan weiht hochmoderne deutsche Antarktisstation ein - Neumayer-Station III nimmt den wissenschaftlichen Betrieb auf.

[20. Februar 2009] 

Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan weihte heute Mittag die Neumayer-Station III ein. Die neue deutsche Forschungsbasis nimmt damit ihren wissenschaftlichen Betrieb auf. Sie liegt 6,5 Kilometer südlich der alten Neumayer-Station auf dem Ekström-Schelfeis im Dronning Maud Land in der Antarktis. Die Station dient als Basis für die wissenschaftlichen Observatorien sowie als logistisches Zentrum für Inlandexpeditionen und Polarflugzeuge. In einer Bauzeit von insgesamt sieben Monaten hat das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft die Neumayer-Station III über zwei antarktische Sommersaisons errichtet. Sie bietet Platz für maximal 40 Personen. Neun Personen stellen den ganzjährigen Betrieb der Station sicher. Das rund 40 Millionen Euro teure Bauwerk ist über die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) langfristig bereitgestellten Mittel für Polarforschung finanziert und im Rahmen des Internationalen Polarjahres realisiert worden.

Deutsche Antarktisforschung seit 1981

Seit 28 Jahren betreibt das Alfred-Wegener-Institut ganzjährig eine Forschungsstation in der Antarktis. Benannt nach dem deutschen Polarforscher Georg von Neumayer wurde 1981 die Erste, die Georg-von-Neumayer-Station in Betrieb genommen. 1992 wurde sie durch die Neumayer-Station ersetzt, die wie ihre Vorgängerstation eine Röhrenkonstruktion war. Durch einen jährlichen Schneezutrag von etwa 80 Zentimetern liegt die Neumayer-Station mittlerweile 15 Meter unter der Schneeoberfläche. Durch die Bewegung und den Druck des Eises sind die Stahlröhren stark verformt, so dass ein sicherer Betrieb ist nicht länger gewährleistet ist. Deshalb wurde der Neubau notwendig.

„Als erste Forschungsstation in der Antarktis besteht die Neumayer-Station III aus einem kombinierten Gebäude auf einer Plattform oberhalb der Eisoberfläche, verbunden mit einer in den Schnee gebauten Garage“, erklärt Dr. Hartwig Gernandt, Leiter der Logistik und Hauptverantwortlicher für den Bau am Alfred-Wegener-Institut. Eine wesentliche technische Innovation ist die Möglichkeit, den wachsenden Schneezutrag mit Hilfe hydraulischer Hebevorrichtungen zu kompensieren. Die Station steht auf 16 Stützen und kann als Ganzes angehoben werden, um den Schneezutrag auszugleichen. „Die Lebenszeit der Station wird damit deutlich länger, sie wird mindestens für die nächsten 25 bis 30 Jahre betriebsfähig bleiben“, so Gernandt weiter. Durch die Nutzung des Eises als Fundament kann die Station bei Bedarf vollständig rückgebaut werden und erfüllt damit eine wichtige Forderung des Umweltschutz-Protokolls für die Antarktis.

Nicht nur bei dem Bau und dem Bauwerk sondern auch beim Betrieb werden für den Umweltschutz die höchsten Standards berücksichtigt. Für den sicheren Betrieb im antarktischen Winter sind Dieselgeneratoren unerlässlich. Ein Dieselaggregat von 160 Kilowatt elektrischer und 190 Kilowatt thermischer Leistung versorgt die Station mit Strom. Ein Regelkreis steuert die bestmöglichste Ausnutzung der verfügbaren Energie. Die entstehende Abwärme wird für Heizung, Schneeschmelze  und Warmwasseraufbereitung genutzt. Insgesamt vier dieser Aggregate, drei Stück im Wechselbetrieb sowie ein Aggregat als Notstromversorgung, stehen an der Station als Blockheizkraftwerk zur Verfügung. Seit Ende Januar 2009 liefert eine Windkraftanlage mit 30 Kilowatt zusätzlich Energie in den Regelkreis der Station. In den nächsten Jahren werden schrittweise vier weitere Windkraftanlagen hinzukommen, die den Kohlendioxid-Ausstoß auf ein Minimum reduzieren werden.


Internationale Zusammenarbeit - Position 70° 40’ S - 008° 16’ W

„Die Neumayer-Station III schafft die Vorraussetzungen für langfristige Forschung und ist ein wichtiger Bestandteil der internationalen wissenschaftlichen und logistischen Zusammenarbeit in der Antarktis“, erklärt Prof. Dr. Karin Lochte, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts. „Für die nachfolgende Generationen deutscher und ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird die Station eine hervorragende Forschungsplattform sein“,  freut sich Lochte.

Per Satellitenverbindung ist die Station an das weltweite Kommunikationsnetz angeschlossen. Die Standleitung gewährleistet die Übertragung der wissenschaftlichen Daten der Observatorien zum Alfred-Wegener-Institut und in die weltweiten Messnetzwerke. Darüber hinaus ermöglicht sie die Kommunikation der Station per E-Mail und Telefon und stellt für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Zugang zum Internet sicher.

Wissenschaftliche Langzeitmessreihen in der Antarktis

Seit 1981 liefert das meteorologische Observatorium der Neumayer-Station für die Klimaforschung entscheidende Daten. Die an der Station gewonnene Messreihe aus Ballonaufstiegen mit Ozonmessgeräten hat für die Erforschung des Ozonlochs über der Antarktis einen wesentlichen Beitrag geleistet. Die Strahlungsmessungen der Neumayer-Station werden in einem vom Alfred-Wegener-Institut geleiteten internationalen Messnetz für die Klimaforschung aufbereitet. Weiterhin dient die Station mittlerweile als Wettervorhersagezentrum für das gesamte Dronning Maud Land. 1982 wurde das geophysikalische Observatorium in Betrieb genommen. Hier werden die Langzeitveränderungen des magnetischen Feldes der Erde gemessen und lokale sowie weltweit verteilte Erdbeben kontinuierlich erfasst. Seit 1983 werden am Spurenstoffobservatorium klimawirksame Gase wie Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan und Ozon gemessen. Diese Observatorien liefern für die Antarktis zum Teil einmalige Datenreihen. Die Infraschallanlage IS27 dient seit 2002 zur Überwachung der Einhaltung des Vertrages über ein umfassendes Verbot von Nuklearversuchen. Seit 2005 steht nördlich der Neumayer-Station III an der Schelfeis-Kante das Observatorium für Unterwasserakustik PALAOA (Perrenial Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean). Mit PALAOA wird das natürliche Geräuschspektrum des Antarktischen Ozeans aufgezeichnet sowie das Verhalten von Meeressäugern untersucht.

Antarktisstation „Made in Bremerhaven“

Die ersten Überlegungen für die neue Forschungsstation begannen bereits 1999. Nach einer Planungsphase von fünf Jahren wurde das Bauvorhaben im Juli 2004 auf dem internationalen Antarktiskongress in Bremen bekannt gegeben. Im Januar 2005 reichte das Alfred-Wegener-Institut eine Umweltverträglichkeitsstudie beim Umweltbundesamt ein, welche auch die Rückführung der alten Neumayer-Station beinhaltete und nach internationaler Begutachtung im Oktober des gleichen Jahres genehmigt wurde. Mit der Vertragsunterzeichnung mit dem Firmenkonsortium J.H. Kramer Stahlbau und Kaefer Isoliertechnik, der ARGE Neumayer III, begann im Dezember 2006 die Fertigung der Neumayer-Station III.

Die Station wurde zum Großteil in Bremerhaven gefertigt und teilweise vormontiert. Im Dezember 2007 hat das dänische Frachtschiff Naja Arctica rund 3000 Tonnen Material von Bremerhaven in die Antarktis transportiert. Eine schwere Packeisbarriere verhinderte Mitte Dezember das Anlegen der Naja Arctica an der Schelfeiskante am Ekström-Schelfeis. Der vom Alfred-Wegener-Institut betriebene Forschungseisbrecher Polarstern brach die Eisbarriere so dass Mitte Januar mit der Entladung begonnen werden konnte. Trotz dieser Verzögerung war bis zum Ende der Sommersaison im März 2008 die gesamte Garagensektion mit den 16 hydraulischen Hebevorrichtungen montiert – das passende Winterlager für einen Teil der Baumaschinen und das Material. In der zweiten Bauphase, ab Anfang November 2008, wurde mit der Montage der über dem Eis stehenden Plattform begonnen. In diesem Bauabschnitt montierten die Arbeiter den gesamten Stahlbau, die Außenhülle sowie die aus 100 Containermodulen aufgebauten Etagen mit den wissenschaftlichen Laboren, Wohnräumen, Sanitäranlagen, dem Hospital und der Messe. Für die Unterbringung der rund 50 Arbeiter stand 300 Meter südlich der Baustelle ein eigenes Baucamp zur Verfügung. Dieses Baucamp ist inzwischen abgebaut worden.

Die technischen Daten:
Gesamtgewicht: 2.300 Tonnen
Stationscontainer: 100 Stück (Deck 1 und 2)
Breite: 26 Meter
Länge: 68 Meter
Gesamthöhe: 29 Meter (Garagenboden bis Dach der Ballonfüllhalle)
Höhe der Station: 21 Meter (ab Eisoberfläche)
Stützenfreiraum unter der Plattform: 6 Meter
Nutzfläche: 4.473 m2, davon 1.850 m2 klimatisiert
Energieversorgung: 3 Dieselaggregate mit je 160 kW, 1 Notstromaggregat mit 160 kW, 1 Windkraftanlage mit 30 kW
Unterkünfte: 15 Räume, 40 Betten
Labore und Büros: 12 Räume
Winterpersonal: 9 Personen
Bauzeit: 7 Monate
Bauausführung: ARGE Neumayer III: J.H.Kramer Stahlbau/Kaefer Isoliertechnik
Bauherr: Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft

Weitere Informationen über die neue Forschungsstation in der Antarktis unter:

http://www.awi.de/de/infrastruktur/stationen/neumayer_station_iii/



Weitere Fotos von der Neumayer-Station III finden Sie in unseren Bildergalerien: Fotogalerie zum Bau der Station.

Hinweise für Redaktionen:


Im Auftrag des Alfred-Wegener-Instituts erstellt die Produktionsfirma realnature.tv Filmaufnahmen der Bauarbeiten in der Antarktis.
Aktuelles Filmmaterial für Ihre Berichterstattung erhalten Sie gegen eine Lizenzgebühr bei:

realnature.tv

Lars Wehrmann

l.wehrmann@realnature.tv

Tel.: 0431 98 28 444



Ihr Ansprechpartner in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist Dr. Ude Cieluch (Tel: 0471 4831-2008; E-Mail: ude.cieluch@awi.de).

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands

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Das Institut

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.