Pressemitteilung

Der älteste antarktische Eiskern

[13. Januar 2005] 

Am 21. Dezember 2004 haben Wissenschaftler des europäischen Eisbohrprojektes Epica (European Project for Ice Coring in Antarctica) an der Station Dome C auf dem Inlandeisplateau der Ostantarktis eine Bohrtiefe von 3270,2 Metern erreicht, fünf Meter oberhalb des Felsuntergrunds. Weil das Eis am Felsuntergrund schmilzt, entschieden die Wissenschaftler die Bohrung bei dieser Tiefe zu beenden.

Der 70 Meter lange Eiskern, der jetzt gebohrt wurde, ist der letzte dieses Projektes, das 1996 angefangen hat. Die Klimaaufzeichnungen des Eiskerns, der Schneefälle aus mindestens 740.000 Jahren enthält, wurde im Juni 2004 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Das neue Stück Eiskern erweitert die Klimaaufzeichnungen auf mehr als 900.000 Jahren. Das ist das älteste Eis, das von tiefen Eisbohrungen gewonnen wurde. Der unterste Teil des Eiskerns enthält Kristalle bis zu 40 Zentimeter Größe. Zwischen diesen Kristallen gibt es mehrere Stellen mit eingeschlossenem braun-rötlichen Material. Die Informationen, die sich aus Studien dieses Eiskerns ergeben werden, könnten großen Einfluss auf unser Verständnis des Erdklimas haben.

Diese Pressemitteilung wird herausgegeben im Namen der Steuerungsgruppe des Projektes Epica, der Europäischen Union, und der European Science Foundation. In Deutschland erhalten Sie weitere Informationen bei Prof. Dr. Heinz Miller (hmiller@awi-bremerhaven.de, Tel: 0471 4831 1210).

Weitere Hintergrundinformationen:
Das Projekt Epica wird von einem Konsortium aus zehn europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz) durchgeführt. Es wird unter dem Dach der European Science Foundation koordiniert und durch die beteiligten Länder und die Europäische Union finanziert.

Die Wissenschaftler benutzen die einzigartige Klimaaufzeichnung in Eiskernen, um aus der Analyse der chemischen Zusammensetzung und der physikalischen Eigenschaften des Eises und der darin eingeschlossenen Luft die Prozesse in der Atmosphäre und Klimaänderungen in der Vergangenheit zu untersuchen. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Effekten von Kohlendioxid, Methan und anderer Komponenten der Atmosphäre. Die Ergebnisse werden bei der Überprüfung und Weiterentwicklung von Rechenmodellen zur Vorhersage künftiger Klimaentwicklungen eingesetzt.

Ziel von Epica ist es, im Inlandeis der Antarktis zwei Eiskerne zu erbohren. Neben der Bohrung an Dome C (75° 06’S, 123° 21’E), wird auch an der Kohnen-Station in Dronning Maud Land (75°00'S, 00°04'O) gebohrt. Diese Bohrung hat eine Tiefe von 2565 Metern erreicht und soll in zwei Jahren abgeschlossen sein.

Deutscher Partner des Projektes Epica ist das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Es trägt die Verantwortung für die Bohrung in Dronning Maud Land. Darüber hinaus obliegt Prof. Heinz Miller, stellvertretender Direktor am Alfred-Wegener-Institut, die Gesamtkoordination von Epica. Epica ist eines der Kernprojekte im Rahmen des Forschungskonzeptes Meeres-, Küsten- und Polarsysteme (Marcopoli) des Alfred-Wegener-Instituts, das im Forschungsbereich „Erde und Umwelt“ der Helmholtz-Gemeinschaft angesiedelt ist.

Eiskerne sind Eis-Zylinder mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern, die im Bohrvorgang stückweise in Längen von bis zu drei Metern gefördert werden. Dieses Eis geht letztlich zurück auf Schneeflocken, die in den letzten hunderttausenden von Jahren gefallen sind. Aus den Schneeflocken entwickelten sich im Laufe der Zeit Eiskristalle, die die zwischen ihnen gelegene Luft mitsamt kleinsten Schwebteilchen in Bläschen einschließen.

Feldforschung in der Antarktis stellt große wissenschaftliche und logistische Anforderungen an Wissenschaftler und Techniker. Die Orte, an denen im Rahmen von Epica Eiskernbohrungen durchgeführt werden, gehören zu den abgelegensten und unwirtlichsten der Welt, mit Jahresdurchschnittstemperaturen unter –54 Grad Celsius.

Bremerhaven, den 13. Januar 2005

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Das Institut

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.