Pressemitteilung

Dauerfrostspezialisten in Potsdam

[08. Juni 2005] 

Vom 12.-17. Juni findet im Wissenschaftspark “Albert Einstein” auf dem Potsdamer Telegrafenberg die 2. Europäische Permafrostkonferenz (EUCOP) statt. Dazu haben sich rund 300 Wissenschaftler aus 26 Nationen angemeldet. Neben europäischen Wissenschaftlern werden Forscher aus China, Japan, USA, Kanada, Neuseeland, Argentinien und Südkorea erwartet. Die Teilnehmer präsentieren und diskutieren neueste Forschungsergebnisse aus der Arktis und Antarktis, sowie der nichtarktischen Gebiete Sibiriens und der Hochgebirge Europas und Asiens. Die Konferenz wird von der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung organisiert.

Heute sind ein Viertel der Festlandsgebiete der Erde von Permafrost unterlagert. Diese dauerhaft gefrorene Zone reicht wenige Meter bis fast einen Kilometer tief. Da die Entstehung von Permafrost, seine Mächtigkeit und Verbreitung vor allem klimabedingt sind, reagiert der dauerhaft gefrorene Boden besonders empfindlich auf globale Klimaveränderungen, aber auch auf lokale Störungen der Temperatur durch Bauwerke, Landwirtschaft oder Waldbrände. Ein Auftauen des Permafrostes kann dramatische Änderungen des Ökosystems und der Infrastruktur der jeweiligen Region zur Folge haben. Eine Freisetzung der in den ausgedehnten Permafrostgebieten Sibiriens und Nordamerikas eingefrorenen großen Mengen an Kohlenstoff, Treibhausgasen und Süßwasser könnte die globalen Wasser- und Kohlenstoffkreisläufe beeinflussen. Schon bei den natürlichen Klimaveränderungen der Vergangenheit spielte die massive Freisetzung von Methan aus gefrorenem Methanhydrat möglicherweise eine entscheidende Rolle.

Noch bis zum Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren war auch in weiten Gebieten Mitteleuropas der Boden mehrere dutzend Meter tief gefroren. Die Folgen dieser eiszeitlichen Prozesse beeinflussen bis heute Grundwasserführung, Baugrundbeschaffenheit und landwirtschaftliche Nutzung. Unsere Beziehungen zum Dauerfrostboden liegen jedoch nicht nur in der geologischen Vergangenheit: Deutschland bezieht große Mengen an Erdgas und Erdöl aus den westsibirischen Fördergebieten, die ebenso wie die größten Brennstoffreserven der USA im Norden Alaskas in Permafrostgebieten liegen. Ebenfalls von Bedeutung als Energiereserve der Zukunft sind die dort in großen Mengen vermuteten Methanhydrate.

Das aktuelle Spektrum der Permafrostforscher reicht von methanbildenden Mikroorganismen in arktischen Tundrengebieten bis zum Permafrost auf dem Mars; von der Rekonstruktion der arktischen Klimabedingungen in den letzten hunderttausend Jahren über jahrzehntelange Messungen der Permafrosttemperatur bis zur Modellierung der Erwärmung und Zerstörung des Permafrosts im Laufe des 21. Jahrhunderts; von den Untersuchungen des Hochgebirgs-Permafrosts in den europäischen Skigebieten bis zu Baugrunduntersuchungen in sibirischen Erdgasgebieten oder beim Bau einer modernen Eisenbahnlinie in Tibet.

Untersuchungen am Permafrost sind sehr komplex und können nur mit Hilfe internationaler Kooperationen durchgeführt werden. Die Potsdamer Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts untersuchen unter anderem Emissionen von Treibhausgasen in Tundrengebieten, Stoff- und Energieflüsse im Permafrost, sowie die Klima- und Umweltgeschichte sibirischer Permafrostgebiete. Das Treffen europäischer und außereuropäischer Permafrostspezialisten wird dieser Arbeitsgruppe neue Anregungen geben. Zugleich drückt die Wahl des Veranstaltungsortes die internationale Akzeptanz und Wertschätzung der in Potsdam durchgeführten Forschung aus. Unterstützt wird die Konferenz von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem PACE-21-Netzwerk der European Science Foundation sowie der International Permafrost Association.

Im Rahmen der Tagung und des gleichzeitig in Potsdam stattfindenden Wissenschaftssommers werden auf dem Telegrafenberg im Vorlesungsgebäude H zwei öffentliche Abendvorträge zum Hochgebirgspermafrost in den Alpen und zum sibirischen Permafrost durchgeführt: Am 14. Juni um 19 Uhr berichtet Dr. Daniel Vonder-Mühll über “Was die Alpen (auch) zusammenhält: Permafrost oder: Die coole Seite der Berge”. Am 16. Juni um 19 Uhr referiert Dr. Lutz Schirrmeister vom Alfred-Wegener-Institut über das Thema “Dauerfrost in Sibirien - Archiv der Vergangenheit, Lebensraum der Gegenwart, Problem der Zukunft”. Gäste sind herzlich willkommen, der Eintritt ist frei.


Bremerhaven, den 8. Juni 2005

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Das Institut

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.