14. August 2025
Online-Meldung

Wegbereiter für die internationale Arktisforschung: 100 Jahre Spitzbergenvertrag

Rentier vor dem Blauen Haus in Ny-Ålesund (Foto: Esther Horvath)

Am 14. August 2025 jährt sich das Inkrafttreten des Spitzbergenvertrags zum 100. Mal. Der Vertrag schafft bis heute die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass Forschende aus zahlreichen Nationen Zugang zur Inselgruppe Spitzbergen erhalten. Dadurch wird wissenschaftliche Forschung in einer der vom globalen Klimawandel am stärksten betroffenen Regionen ermöglicht. Zu den Einrichtungen, die davon profitieren, zählt auch das Alfred-Wegener-Institut (AWI). Es betreibt in Ny-Ålesund gemeinsam mit dem französischen Polarforschungsinstitut Paul-Émile Victor (IPEV) die deutsch-französische AWIPEV-Forschungsbasis. Seit der Zusammenlegung der ehemals unabhängigen Stationen Koldewey und Rabot im Jahr 2003 liegt der gemeinsame Fokus auf den klimabedingten Veränderungen in Atmosphäre, Permafrost, Gletschern und dem marinen Ökosystem.

Der seit 1925 bestehende Spitzbergenvertrag erlaubt den Vertragsstaaten, auf der Inselgruppe unter norwegischem Recht wissenschaftlich zu arbeiten. „Für uns Forschende ermöglicht der Vertrag einen vergleichsweise einfachen Zugang in die hohe Arktis, eine Region, in der sich die Folgen des Klimawandels besonders deutlich zeigen“, sagt Marion Maturilli, Atmosphärenwissenschaftlerin am AWI und Wissenschaftliche Koordinatorin von AWIPEV.

In Ny-Ålesund, das sich auf etwa 79 Grad nördlicher Breite befindet, sind neben Deutschland und Frankreich auch Forschungseinrichtungen aus Norwegen, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, China, Korea, Indien und Japan vertreten. In den Sommermonaten leben und arbeiten hier bis zu 180 Menschen aus diesen und weiteren Nationen. Um ihre Forschungsaktivitäten aufeinander abzustimmen und Synergien zu schaffen, treffen sich die Vertreter:innen der Einrichtungen regelmäßig im Ny-Ålesund Science Managers Committee (NySMAC). Hier werden Vorhaben koordiniert, Ressourcen geteilt und gemeinsame Programme initiiert. „Natürlich gibt es zum Teil ähnliche Forschungsprojekte aus den einzelnen Ländern, aber die gemeinsamen Bemühungen zielen darauf ab, Doppelungen zu vermeiden und stattdessen Synergien zu schaffen“, so Marion Maturilli. „Der Schlüssel liegt im offenen Austausch von Daten und Ideen, während die gemeinsame Nutzung vorhandener Infrastruktur zusätzliche logistische Effizienz ermöglicht.

Das AWI nutzt den Standort Ny-Ålesund in erster Linie für die Langzeitbeobachtung klimabedingter Veränderungen. Von besonderer Bedeutung sind dabei kontinuierliche meteorologische Messreihen, die seit Jahrzehnten durchgeführt werden, und atmosphärische Untersuchungen zu Aerosolen, Wolken und Spurengasen. Zum Einsatz kommen moderne Lidar- und Radarsysteme sowie weitere Fernerkundungsmethoden, die wertvolle Daten zur Entwicklung klimatischer Trends in der Arktis liefern. „AWIPEV liegt in einer Region, in der sich die Arktis fast viermal schneller erwärmt als der globale Durchschnitt. Der Standort ist daher ideal für klimatische Langzeitbeobachtungen“, sagt die AWI-Atmosphärenwissenschaftlerin.

Weitere Forschungsthemen der deutsch-französischen Forschungskooperation in Ny-Ålesund sind Veränderungen von Gletschern und Permafrostböden. Die Wissenschaftler:innen dokumentieren dabei unter anderem die Tiefe der aktiven Bodenschicht, Auftauprozesse, Schneefallmengen sowie die Massenbilanz der umliegenden Gletscher. Letztere beschreibt, wie viel Masse ein Gletscher durch Schneezuwachs gewinnt und wie viel er durch Schmelzprozesse verliert. In der Meeresforschung stehen die Planktonentwicklung im Kongsfjord und die Auswirkungen von Temperatur- und pH-Wert-Veränderungen auf marine Organismen im Fokus.

Die in Ny-Ålesund erhobenen Daten fließen in internationale Netzwerke ein und tragen zu einem besseren Verständnis des Klimawandels in der Arktis und seiner globalen Auswirkungen bei. Dass dies unter stabilen rechtlichen Rahmenbedingungen möglich ist, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als wesentliche Voraussetzung für langfristig angelegte internationale Forschung erwiesen. Der Spitzbergenvertrag leistet hierzu seit 100 Jahren einen wichtigen Beitrag.

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