Klimawandel

Rückzug des Antarktischen Krills reduziert Kohlenstofftransport in die Tiefe des Südozeans

Vergleichsstudie zeigt: Salpen sind kein ebenbürtiger Ersatz; ihr Kot wird größtenteils in oberer Wassersäule recycelt
[09. Dezember 2021] 

Der vom Klimawandel getriebene Artenwandel in den Gewässern der Antarktischen Halbinsel könnte langfristig die Menge an Kohlendioxid reduzieren, die das Meer in dieser Region durch Algen aufnimmt und in der Tiefe einlagert. Dadurch könnte der Kohlenstofftransport in die Tiefsee langfristig abnehmen. Das ist das Ergebnis einer Vergleichsstudie, die ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Alfred-Wegener-Institutes mit Antarktischem Krill und seinen wärmeresistenteren Konkurrenten, den Salpen, durchgeführt hat. Im Fachmagazin Nature Communications berichten die Forschenden von der neuen Studie.

Der Südliche Ozean ist eine der größten Kohlenstoffsenken der Erde. Er allein nimmt pro Jahr etwa 40 Prozent jener Kohlendioxidmenge auf, die der Weltozean insgesamt absorbiert. Das Kohlendioxid wird dabei zunächst durch Algen (Photosynthese) gebunden. Diese werden im Anschluss vom Zooplankton gefressen, ihre nahrhaften Inhaltsstoffe herausgefiltert und alle Überreste in Form winziger Kotballen ausgeschieden. Auf diese Exkremente wiederum stürzen sich Mikroorganismen und andere hungrige Meereslebewesen. Sie aber vertilgen nur 75 bis 85 Prozent der kohlenstoffreichen Ausscheidungen. Der Rest sinkt bis in mehr als 200 Meter Wassertiefe und rund zehn Prozent der ursprünglichen Exkremente sogar bis in über 1000 Meter Wassertiefe, wo der enthaltene Kohlenstoff für mindestens 100 Jahre eingelagert wird. Einer der wichtigsten Kot-Produzenten in den Gewässern vor der Westküste der Antarktischen Halbinsel ist der Antarktische Krill (Euphausia superba).

„Die Krebstiere treten zumeist in großen Schwärmen auf und fressen nicht nur viele Kieselalgen und Dinoflagellaten. Ihr Verdauungstrakt weist zudem eine Besonderheit auf. Alle Überreste werden zu kompakten Kotballen gepresst, von denen jeder einzelne mit einer Membran überzogen wird. Diese Schutzschicht erschwert es anderem Zooplankton und Mikroorganismen, die Exkremente zu fressen oder zu zersetzen. Stattdessen sinken die Kotballen des Krills vergleichsweise schnell und intakt in die Tiefe“, erläutert Studien-Erstautorin Dr. Nora-Charlotte Pauli vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).  

Der Lebensraum des Antarktischen Krills schrumpft allerdings mit zunehmender Erwärmung des Südpolarmeeres. Gleichzeitig wandern wärmeresistente Nahrungskonkurrenten wie Salpen (Salpa thompsoni) in die Gewässer westlich der Antarktischen Halbinsel ein. Salpen sind tonnenförmige, zumeist durchsichtige Lebewesen, die auf den ersten Blick an Quallen erinnern. „Salpen produzieren große, kohlenstoffreiche Kotballen, die dreimal schneller in die Tiefe sinken als Krill-Exkremente. Aus diesem Grund ging die Wissenschaft bislang davon aus, dass der Artenwandel die Effizienz des Kohlenstofftransports in die Tiefe langfristig verstärken würde. Unsere Untersuchungen scheinen diese Annahme nun zu widerlegen“, sagt Nora-Charlotte Pauli.

Nur zwei von zehn Kotballen der Salpen sinken bis in 300 Meter Tiefe

Drei Jahre lang untersuchte sie gemeinsam mit ihren Projektpartnern das Fressverhalten der Salpen und des Krills, die Kotproduktion der Tiere sowie das Sinkverhalten ihrer Exkremente. Bis in eine Tiefe von 300 Metern tragen beide Zooplanktonarten derzeit im gleichen Maße zum Kohlenstofftransport bei. „Ihre Exkremente machen zusammengenommen bis zu 75 Prozent des in Partikeln gebundenen Kohlenstoffs in dieser Tiefe aus. Beide Arten spielen demzufolge eine wichtige Rolle im Kohlenstoffkreislauf des Südozeans“, berichtet AWI-Biologe und Ko-Autor Prof. Dr. Morten Iversen.

Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass die Salpen-Exkremente auf ihrem Weg in die Tiefe offenbar viel häufiger gefressen, zersetzt und somit recycelt werden als bislang bekannt war. „In unserer Studie erreichten gerade einmal 20 Prozent der Salpen-Kotballen eine Wassertiefe von 300 Metern, beim Krill hingegen waren es 72 Prozent. Wir können damit zeigen, dass Krill auf deutlich effizientere Weise zum Kohlenstoff-Transport beiträgt als Salpen“, sagt Nora-Charlotte Pauli. „Sollte sich der Rückzug des Antarktischen Krill fortsetzen und Salpen flächendeckend zur dominierenden Art aufsteigen, werden die Gewässer entlang der Antarktischen Halbinsel künftig deutlich weniger Kohlenstoff in ihren Tiefen einlagern als bisher“, ergänzt AWI-Krillexpertin Prof. Dr. Bettina Meyer, Leiterin der neuen Studie.

Die Studie entstand im POSER Projekt (Population Shift and Ecosystem Response – Krill vs. Salps), gefördert vom Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK). Neben dem AWI waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgender Forschungsinstitutionen beteiligt: Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM); MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen; Universität von British Columbia; Chinesische Akademie für Fischereiforschung; Universität St. Andrews; Helmholtz-Institut für Funktionale Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg


Originalpublikation:

Nora-Charlotte Pauli, Clara M. Flintrop, Christian Konrad, Evgeny A. Pakhomov, Steffen Swoboda, Florian Koch, Xin-Liang Wang, Ji-Chang Zhang, Andrew S. Brierley, Matteo Bernasconi, Bettina Meyer & Morten H. Iversen (2021): Krill and salp faecal pellets contribute equally to the carbon flux at the Antarctic Peninsula. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-021-27436-9