MOSAiC-Expedition

Polarstern zurück an der MOSAiC-Eisscholle

Neues Team setzt Messungen in der Arktis fort
[18. Juni 2020] 

Nach einem Monat hat die Polarstern am 17. Juni die MOSAiC-Eisscholle bei 82,2 °Nord, 8,4 °Ost wieder erreicht, die das deutsche Forschungsschiff für Crewwechsel und Versorgung vor Spitzbergen am 17. Mai 2020 verlassen hatte. Voller Tatendrang setzt das Forschungsteam des vierten Fahrtabschnitts mit Teilnehmenden aus 19 Ländern damit die einjährige MOSAiC-Expedition mit Untersuchungen von Ozean, Eis und Atmosphäre in der Arktis fort. Bereits Anfang dieser Woche sind ihre Vorgänger der dritten Etappe mit den beiden Forschungsschiffen Sonne und Maria S. Merian in Bremerhaven angekommen.

Die Position der Scholle war stets bekannt, denn autonome Messgeräte senden von dort regelmäßig GPS-Daten. Was für die Wissenschaft jedoch noch bedeutender ist: Sie haben durchgehend viele wichtige Daten gemessen auch während die Polarstern unterwegs war, wie beispielsweise Energiebilanzen, also die Energieflüsse zwischen Atmosphäre, Eis und Ozean und vieles mehr. Somit konnten wertvolle Zeitreihen grundlegender Parameter auch in der Abwesenheit des Wissenschaftsteams fortgesetzt werden. Das kann aber natürlich nicht die Forschung vor Ort ersetzen, so dass das Team des vierten Abschnitts jetzt froh ist, die Arbeit aufnehmen zu können.

Erste Eindrücke von der Scholle bei der Rückkehr: „Der ursprüngliche feste Bereich der Scholle, unsere sogenannte Festung, hat die Verformungen im Frühjahr größtenteils intakt überstanden und ist auch jetzt weiter eine gute Basis für unser Forschungscamp“, berichtet Prof. Markus Rex, Leiter der MOSAiC-Expedition und Atmosphärenphysiker am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) mit Professur an der Universität Potsdam. „Hier werden wir auch in den Sommer hinein arbeiten können. Mit dem jetzt einsetzenden großen sommerlichen Schmelzen werden wir mit unseren Aufbauten aber sehr mobil sein und uns jeweils an die sich entwickelnden Bedingungen anpassen müssen. Eventuell werden wir das Forschungscamp später im Sommer auch nochmal verlegen - das hängt alles von der Entwicklung der Eisbedingungen ab", so Rex, der bereits den ersten Expeditionsabschnitt ab September 2019 geleitet hatte. Von den Erfahrungen bei der damaligen Schollensuche konnte er jetzt profitieren: Die Polarstern legte wie schon im letzten Herbst zunächst etwas abseits des Messgebiets an, um die Scholle mit Teams auf dem Eis genauer zu erkunden. Erst in ein paar Tagen wird das Schiff dann an die endgültige Position manövrieren.

Das Anlegemanöver ist einer der vielen Momente, in denen Erfahrung und Navigationsgeschick des Kapitäns gefragt sind. Thomas Wunderlich hat beim jetzigen Austausch das Kommando von Stefan Schwarze übernommen. Beide hatten sich - anders als die anderen Besatzungsmitglieder - dafür entschieden, sich nur einmal während der gesamten Expedition abzulösen. „Wichtig ist, wie bereits zu Zeiten der alten Entdecker, nicht sinnlos irgendwo reinzufahren, sondern die richtige Eintrittsposition ins Eis zu finden“, berichtet Thomas Wunderlich von der Anfahrt zur Scholle. „Wir konnten die ersten Tage gut und zügig Wegstrecke zurücklegen. Windrichtung und Sicht haben uns dabei unterstützt.“ Ab 82 ° Nord habe sich dann aber die Situation „verspannt": Die Dynamik des Eises erhöhte sich, es wurde mächtiger. „So wurden wir am Wochenende des 13./14. Juni auf Grund von Eispress zum Stillstand gezwungen und mussten die Maschinen abstellen, um wertvolle Ressourcen an Brennstoff zu schonen. So ein Stillstand hat aber auch den Vorteil, dass man sieht: Es ist nichts selbstverständlich und planbar - dass man sich halt den Gegebenheiten unterwerfen muss“, erläutert der Polarstern-Kapitän. Sein größter Wunsch sei es, „dass wir bestmöglich so lange wie möglich an der Scholle bleiben können, und damit die Geburt und deren Lebenszyklus bis zum Ende begleiten können. Auch wenn das für Logistik und Navigation eine enorme Herausforderung sein wird.“

„Wir werden in dem jetzt beginnenden Sommer in nie dagewesener Detailschärfe die Prozesse im arktischen Klima während der Schmelzsaison erforschen können“, betont Markus Rex. Dazu gehören Wirbel im Ozean, die durch Meeresströmungen unter dem Eis entstehen, wie Dicke und Beschaffenheit des Eises die Klimaprozesse beeinflussen, welche Rolle die Schneeauflage auf dem Meereis spielt und wie das Zusammenspiel mit Atmosphäre und Wolken funktioniert. Momentan beginnt die sommerliche Eisschmelze und auf dem Meereis entstehen Tümpel, die die Strahlungsbilanz verändern. Wo das Eis letztlich aufbricht, entweichen über Spalten und Risse Wasserdampf und Aerosole, die in der Atmosphäre dazu führen, dass sich Wolken bilden. Wie diese Wolken beschaffen sind und ob sie die unteren Luftschichten abkühlen oder wärmen, sind weitere der vielen Fragestellungen, denen die Forschungsteams bis zur Rückkehr der Polarstern in ihren Heimathafen Bremerhaven nachgehen werden, wo der Eisbrecher am 12. Oktober erwartet wird.

Bereits am 15. Juni 2020 liefen in Bremerhaven die Forschungsschiffe Maria S. Merian und Sonne mit dem Team des dritten Fahrtabschnitts ein. Sie waren bereits Ende Januar mit dem russischen Eisbrecher Kapitan Dranitsyn im norwegischen Tromsø gestartet und hatten länger als geplant die Forschung am Laufen gehalten. Bei der Rückreise hat sich das Team hoffentlich ebenso wohl gefühlt, wie Thomas Wunderlich und seine Crew, die in der ungewohnten Rolle als „Passagiere“ an Bord anderer Forschungsschiffe waren: „Ich möchte hiermit den Kollegen auf Maria S. Merian und Sonne für ihre Offenheit, Freundlich- und Gastlichkeit danken. Es hat wirklich Spaß gemacht und wir haben etwas mitgenommen. Ich bin mir aber auch sicher, dass es auf Gegenseitigkeit beruht, den Kollegen erging es ähnlich“, berichtet Thomas Wunderlich von der Anfahrt in die Arktis.

 

Hintergrundinformationen zu MOSAiC:

Während der MOSAiC-Expedition erforschen Wissenschaftler aus 20 Nationen die Arktis im Jahresverlauf. Von Herbst 2019 bis Herbst 2020 driftet der deutsche Eisbrecher Polarstern dazu eingefroren im Eis durch das Nordpolarmeer. MOSAiC wird unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) realisiert. Damit dieses einzigartige Projekt gelingt und möglichst wertvolle Daten gewonnen werden, arbeiten über 80 Institute in einem Forschungskonsortium zusammen. Das Budget der Expedition beträgt über 140 Millionen Euro.

Ein ausführliches Interview mit Polarstern-Kapitän Thomas Wunderlich finden Sie hier. 

Mehr Bilder gibt es in der MOSAiC-Mediathek.

Neuigkeiten direkt aus der Arktis gibt es über die MOSAiC-Kanäle auf Twitter (@MOSAiCArctic) und Instagram (@mosaic_expedition) über die Hashtags #MOSAiCexpedition, #Arctic und #icedrift.

Weitere Informationen zur Expedition auf: www.mosaic-expedition.org

In der MOSAiC-Web-App können die Driftroute der Polarstern und die Ereignisse vor Ort zudem live verfolgt werden: follow.mosaic-expedition.org

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Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.