Biologische Schatztruhe im Nordpolarmeer geöffnet

[17. Oktober 2022] 

Internationale Forschende haben während der MOSAiC-Expedition einen umfassenden Genomdatensatz des marinen polaren Ökosystems erhoben. In der Fachzeitschrift PLoS Biology stellen sie jetzt vor, wie dieser Datensatz dazu beitragen kann, die Artenvielfalt zu messen und zu verstehen, wie sich das Verschwinden des Meereises aufgrund des Klimawandels auf das arktische Ökosystem auswirkt.

Die arktischen Ökosysteme gehören zu den am stärksten von der globalen Erwärmung betroffenen. Somit kann das Nordpolarmeer auch als Indikator für die Folgen des Klimawandels sowie für den Fortbestand der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten dienen. Mikroorganismen im Meereis und in der Wassersäule sind Eckpfeiler dieses Ökosystems und spielen eine entscheidende Rolle bei der Rückkopplung mit dem Klima und bei der Aufrechterhaltung von Nahrungsketten, die für den Schutz und die Ökosystemleistungen von zentraler Bedeutung sind. Aufgrund ihrer schnellen Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen sind marine Mikroorganismen gute biologische Indikatoren für Umweltveränderungen.

Eine internationale Gruppe von Molekularbiologinnen und -biologen („EcoOmics“) will auf Basis der während der MOSAiC-Expedition gewonnenen Proben die Biodiversität und den genetischen Hintergrund des arktischen marinen Ökosystems inventarisieren. Damit soll eine Basis geschaffen werden, um den Wandel der biologischen Vielfalt im Nordpolarmeer bemessen zu können. So können Schutzmaßnahmen entwickelt werden, indem einzigartige Arten identifiziert und deren Aussterberisikos bewertet werden. Dies geschieht, indem die Forschenden alle genetischen Spuren der marinen Lebewesen aus den während der MOSAiC-Expedition gewonnenen Proben sequenzieren. Am Ende will das Projekt der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine frei zugängliche Informationsquelle zur arktischen marinen Biodiversität zur Verfügung stellen.

Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und die University of East Anglia (UEA) in Großbritannien leiten das EcoOmics-Forschungsteam gemeinsam, aus Deutschland ist auch die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) beteiligt. Die ersten Ergebnisse hat die MOSAiC-EcoOmics-Gruppe nun in PLoS Biology veröffentlicht. Der Genomdatensatz gibt Aufschluss über ein Jahr biologischer Prozesse im Nordpolarmeer. Dieses Seegebiet stellt sich als Fundgrube dar, um neuartige biologische Prozesse zu entdecken, die sich möglicherweise aufgrund von Anpassungsprozessen entwickelt haben.

Prof. Dr. Thomas Mock von der UEA, einer der Ko-Leiter des EcoOmics-Projekts: „Dies ist der erste und größte Versuch, das zentrale Nordpolarmeer durch Raum und Zeit zu sequenzieren. Wir haben den ersten Beweis für eine neuartige Biologie gefunden, da wir Daten in einem Gebiet genommen haben, das noch nie zuvor mit Hilfe von Genomsequenzen aus dem tiefen Ozean untersucht wurde.“ Dr. Katja Metfies vom AWI, die zweite Ko-Projektleiterin ergänzt: „Dieser integrative wissenschaftliche Ansatz ist für polare Ozeane beispiellos, aber er ist notwendig, um unsere Prognosen über die Reaktionen der interagierenden Arten auf den Klimawandel in der Arktis zu verbessern."

EcoOmics will einen Beitrag zum Naturschutz leisten und grundlegende Fragen der Biologie erweitern. Hierzu gehören auch Aussagen zur Evolution des Lebens auf der Erde, die ohne die Berücksichtigung polarer Organismen unvollständig bleibt. Und gerade diese Organismen versprechen neue biologische Erkenntnisse, aufgrund ihrer einzigartigen Anpassung auf ihren extremen Lebensraum. Der von EcoOmics gewonnene Datensatz kann in der Folge auch zum Beispiel die Suche nach neuen Antibiotika und antiviralen Wirkstoffen unterstützen. Denn die Lebewesen in der Polarregion mussten im Verlaufe ihrer Entwicklung spezifische Strategien entwickeln, um sich zu schützen.

Weiterführende Informationen gibt es in dieser Pressemitteilung der HHU.

Originalpublikation

Thomas Mock, William Boulton, John-Paul Balmonte, Kevin Barry, Stefan Bertilsson, Jeff Bowman, Moritz Buck, Gunnar Bratbak, Emelia J. Chamberlain, Michael Cunliffe, Jessie Creamean, Oliver Ebenho, Sarah Lena Eggers, Allison A. Fong, Jessie Gardner, Rolf Gradinger, Mats A. Granskog, Charlotte Havermans, Thomas Hill, Clara J. M. Hoppe, Kerstin Korte, Aud Larsen, Oliver Müller, Anja Nicolaus, Ellen Oldenburg, Ovidiu Popa, Swantje Rogge, Hendrik Schäfer, Katyanne Shoemaker, Pauline Snoeijs-Leijonmalm, Anders Torstensson, Klaus Valentin, Anna Vader, Kerrie Barry, I.-M. A. Chen, Alicia Clum, Alex Copeland, Chris Daum, Emiley Eloe-Fadrosh, Brian Foster, Bryce Foster, Igor V. Grigoriev, Marcel Huntemann, Natalia Ivanova, Alan Kuo, Nikos C. Kyrpides, Supratim Mukherjee, Krishnaveni Palaniappan, T. B. K. Reddy, Asaf Salamov, Simon Roux, Neha Varghese, Tanja Woyke, Dongying Wu, Richard M. Leggett, Vincent Moulton, Katja Metfies: Multiomics in the central Arctic Ocean for benchmarking biodiversity change, PLOS Biology (2022), DOI: doi.org/10.1371/journal.pbio.3001835

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Wissenschaft

Katja Metfies
+49(471)4831-2083
Katja.Metfies@awi.de

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