Wellen, wie wir sie am Strand oder auf dem Meer sehen, sind sogenannte Schwerewellen. Sie entstehen, weil die Schwerkraft der Erde das Wasser nach unten zieht. Es gibt neben diesen Wellen, die wir an der Oberfläche sehen, auch Wellen, die im Inneren des Ozeans entstehen. Sie können so groß wie Hochhäuser werden, tausende Kilometer wandern und haben großen Einfluss auf den Transport von Wärme und Nährstoffen. Brechen sie, vermischt sich das umliegende Ozeanwasser. Wie diese Wellen in der Arktis wirken, mit dem Meereisrückgang zusammenhängen und was das für die Zukunft bedeutet, will die Ozeanografin Dr. Friederike Pollmann mit ihrer neuen Nachwuchsgruppe Artemics (Arctic internal wave energetics and mixing and their interdependence with sea ice in changing climate conditions) am Alfred-Wegener-Institut untersuchen.
„Bis vor einigen Jahren hat man ‚Arktis‘ und ‚interne Wellen‘ selten in einem Satz benutzt, weil man davon ausging, dass die Vermischung im Inneren des Arktischen Ozeans sehr schwach ist und eher durch andere Prozesse als interne Schwerewellen erzeugt wird“, sagt Friederike Pollmann von der Universität Hamburg. Die Ozeanografin erforscht seit Jahren interne Schwerewellen in globalen Ozeanen und ihre Repräsentation in Ozean- und Klimamodellen. Denn Modelle beinhalten zwar die globale Umwälzzirkulation, aber die Vermischungsprozesse der internen Schwerewellen sind mit typischerweise wenigen Metern in Höhe und Breite so klein, dass sie nicht aufgelöst werden können. „Ein Hauptaugenmerk meiner Forschung liegt darauf, konsistente Parameterisierungen zu entwickeln und zu verbessern, damit Modelle sinnvoll abbilden können, wie viel Energie in den internen Wellen ist und wie viel davon durch deren Brechen in die Vermischung übergeht.“ Denn wenn diese Wellen brechen, liefern sie Energie, die unter anderem zum Antrieb der globalen Umwälzzirkulation beiträgt. „Es ist wirklich faszinierend, dass ein Prozess, der so klein ist und nicht regelmäßig, sondern eher mal hier und da auftritt, genug Energie liefert um ein globales Strömungssystem mit aufrechtzuerhalten.“
In Artemics will die Forscherin mit ihrem jungen Team nun die Arktis genauer unter die Lupe nehmen und ihre bisherige Forschung auf diese Region übertragen – mit einer eigenen Emmy Noether-Nachwuchsgruppe, die ab dem 15.7. am Alfred-Wegener-Institut (AWI) angesiedelt sein wird. „Die Besonderheit in der Arktis liegt für mich darin, dass das Atlantisches Wasser, das in die Arktis strömt, sehr warm ist. Es heißt oft, dass es genug Wärme mitbringt, um das gesamte arktische Meereis mehr als einmal komplett abzuschmelzen.“ Das passiere – noch – nicht, weil das Atlantische Wasser und das Meereis durch eine kalte Frischwasserschicht voneinander getrennt sind. Solange kaum Vermischung im Inneren des Arktischen Ozeans stattfindet, bleibt das Meereis also zumindest vor dieser Wärmequelle geschützt.
Durch den Klimawandel ändern sich jedoch die Umstände: Das arktische Meereis zieht sich immer mehr zurück, das könnte zu stärkeren Gezeiten und, insbesondere nahe der Meeresoberfläche, zu mehr internen Wellen führen, da Winde ohne das Eis mehr Energie auf das Wasser übertragen können. „Meine Hypothese ist, dass es dann zu einem Teufelskreis kommen könnte: Weniger Eis könnte zu immer mehr internen Wellen führen, die das bisher geschichtete Wasser vermischen. Die Wärme aus dem Atlantischen Wasser könnte so an die Oberfläche zum Meereis gelangen und es weiter abschmelzen lassen.“ Ob mehr interne Wellen tatsächlich das Schmelzen des Meereises verstärken, lasse sich aber nur gründlich mit Computersimulationen testen, die diese Prozesse detailliert repräsentieren. „Aufbauend auf meinen bisherigen Arbeiten im globalen Ozean werde ich in den nächsten Jahren mit meiner Emmy-Noether-Gruppe genau solche Simulationen entwickeln und der Frage nachgehen, wie interne Wellen und Meereisrückgang in der Arktis miteinander zusammenhängen.“
„Das AWI ist ideal, um meine bisherige Forschung zu internen Wellen in den Zusammenhang mit Meereis in der Arktis zu bringen, weil ich sowohl mit numerischen Simulationen der Arktisregion als auch mit Beobachtungsdaten arbeiten möchte. In beiden Punkten ist das AWI deutschlandweit und auch international bekanntlich Vorreiter“, sagt Friederike Pollmann. Das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft eröffnet herausragenden Nachwuchswissenschaftler:innen, ihre eigenen Forschungsgruppen aufzubauen und zu leiten, als Vorbereitung für eine Hochschulprofessur. Die Förderung läuft über maximal sechs Jahre.