Durchführbarkeitsstudie II: Aquakultur in offshore Windparks

Ziel dieser Doktorarbeit war die Anfertigung eines wissenschaftlichen und technischen Fundaments für eine marine Aquakultur in der Deutschen Bucht unter dem Aspekt nachhaltiger und multifunktionaler Nutzung von Offshore-Gebieten und deren natürlicher Ressourcen.

Die bisher hauptsächlich an Land und in Küstennähe gelegenen Nutzflächen für Windenergieanlagen sollen in den nächsten Jahren auf Offshore-Gebiete in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftzone (AWZ) ausgedehnt werden. Da die geplanten Anlagen in den Windparks Verankerungsmöglichkeiten bieten werden, könnte hier die Möglichkeit für eine multifunktionale Nutzung durch Kombination mit Aquakultursystemen gegeben sein. Um dieses Konzept auf Machbarkeit und wirtschaftliches Potential hin zu prüfen wurden die aus biologischer und technischer Sicht nötigen Voraussetzungen sowie das bei der Durchführung erforderliche Management untersucht.

Als Aquakulturkomponente für die potentielle multifunktionale Nutzung der Offshore-Windparks wurde die extensive Muschel sowie Kelpzucht auf ihre Eignung geprüft und folgende Schwerpunkte untersucht:

 

  1. Einfluss der biotischen und abiotischen Faktoren auf das Wachstum von heimischen Algen und Muscheln an exponierten Standorten: (a) Wirkung hydrodynamischer Effekte auf die Kulturorganismen, (b) Wachstumsparameter, (c) verschiedene Kulturtechniken, (d) Unversehrtheit, (e) Brutfall, (f) Parasitierungsgrad und (g) Resonanz auf harscheKulturbedingungen an verschiedenen Standorten.
  2. Resistenz von Offshore-Techniken in Gebieten der deutschen Nordsee, die das Potential für marine Aquakultur aufweisen.
  3. Gesetzgebung im Sinne einer multifunktionalen Nutzung sowie Aufstellung einer Managementstrategie.
  4. Sozio-ökonomische und rechtliche Konsequenzen von Offshore-Muschelzucht mit traditioneller Besatzmuschelfischerei sowie deren Interaktionen.

Die Untersuchungsgebiete erstreckten sich auf mehrere Offshore-Bereiche der Deutschen Bucht. insbesondere auf das Weserästuar, auf Bereiche um Helgoland, auf Gebiete in der deutschen AWZ, in denen Windparks geplant sind, sowie auf Areale im Rückseitenwatt der Insel Sylt.

Die praktische Durchführung umfasste monatliche Probennahmen an verschiedenen Kultursystemen. an denen Miesmuscheln (Mytilus edulis) oder Zuckertang (Laminaria saccharina) wuchsen. Die Proben wurden bei Ausfahrten mit Forschungsschiffen und durch den Einsatz von Tauchern genommen. An den Proben wurden folgende Parameter untersucht: Morphologie (Länge, Breite, Dicke) und Gewicht von Muscheln und Algen, Konditionsindices, Fleischgehalt und Parasitierungsgrad von Miesmuscheln, die Abundanz von Miesmuschellarven in der Wassersäule und der Ansiedlungserfolg der Post-Larven an unterschiedlichen Kollektoren, die Haftungskraft, von Haptopheren, die Bruchlast von Kauloiden und die Widerstandskraft des gesamten Thallus von L. saccharina gegenüber physikalischen Kräften. Zusätzlich wurden biochemische Parameter (Nährstoff-, Chlorophyll-, POC- und ON-Konzentrationen sowie POC/TON Verhältnisse in der Wassersäule) bestimmt, um die Nahrungsverfügbarkeit und -qualität für Muscheln und die Nährstoffzusammensetzung für das Algenwachstum zu ermitteln und ozeanographische Parameter (Strömungen, Wellen, Salinität, Temperatur, Licht) gemessen. Die technischen Untersuchungen konzentrierten sich hauptsächlich auf zwei Systeme (Langleine und Offshore-Ring), die in zwei Zuständen (schwimmend oder untergetaucht) an unterschiedlichen Orten (küstennah und küstenfern) ausgebracht wurden. um ein geeignetes Design zu finden welches die Kultur von Algen und Muscheln erlaubt. Ferner kam ein Offshore-Brutsammler zum Einsatz, der Aussagen über den Ansiedlungserfolg von Muschellarven zuließ. Zusätzlich wurden Studien zum Integrierten Küstenzonen Management durchgeführt, um mögliche Folgen der momentan geltenden Rechtsprechung abschätzen zu können.

Laminaria saccharina zeigte unterschiedlichen Langenzuwachs an untergetauchten Systemen im Offshore-Bereich. Kraftuntersuchungen an Haftkrallen, Kauloiden und Thalli ergaben, dass diese Alge den in exponierten Habitaten der Nordsee herrschenden Kräften gut widersteht. Die Konzentration von Miesmuschellarven verringerte sich bei zunehmender Entfernung von der Küste und sorgte daher für einen geringen Ansiedlungserfolg im Offshore-Bereich. Bei den Parasitierungsuntersuchungen zeigte sich andererseits, dass Muscheln an Brutsammlern im Offshore-Bereich nicht von Makroparasiten befallen waren. Der Erfolg der drei Offshore-Kultursysteme gestaltete sich unterschiedlich. Der Brutsammler und der Offshore-Ring konnten den Offshore-Kräften standhalten. Die Langleine hingegen wies einige Nachteile auf, die sich insbesondere auf die Materialeigenschaften, das Design und das Verfahren selbst bezogen.

Die bisherige Gesetzgebung ist im Bereich der deutschen AWZ unvollständig und lückenhaft und stellt ein Schlüsselproblem für die Umsetzung einer multifunktionalen Nutzung dar. Bei grundsätzlicher Beteiligung aller möglichen Nutzer der AWZ bietet sich jedoch genügend Spielraum, um dieses Defizit in der Rechtsprechung zu entkräften und ein Offshore-Co-Management aufzubauen.

Eine kommerzielle Machbarkeitsanalyse wurde in dieser Studie nur am Rande durchgeführt. Ob Offshore-Marikulturaktivitaten gewinnbringend sein können, kann hier nicht beantwortet werden, da zunächst der Bau der Offshore-Windparks abgewartet werden muss. Die Ergebnisse aus den biologisch-ozeanographischen Untersuchungen in dieser Arbeit ergaben jedoch, dass hinsichtlich des Langenwachstums von L. saccharina und deren Resistenz gegenüber starken Kräften sowie durch das Fehlen von Makroparasiten in offshore-gezüchteten Miesmuscheln für beide Kandidaten durchaus wirtschaftliche Potentiale bestehen.

Abschließend ist zu sagen, dass die Offshore-Aquakultur in der deutschen AWZ grundsätzlich möglich erscheint und dass die Probleme, angeführt durch die momentanen rechtlichen Rahmenbedingungen und die technische Realisierung, in naher Zukunft gelöst werden könnten.

Kontakt

Prof. Dr. Bela H. Buck