PS106/1 - Wochenbericht Nr. 4 | 13. - 21. Juni 2017

Woche 2 an der Eisstation

[22. Juni 2017] 

Der TROPOS Aerosol Container, bestehend aus online- und offline-Instrumentierung ("Hoch-Volumen-" und größenauflösende Sammler), wurde auf dem Peildeck von Polarstern installiert, um in-situ physikalische und chemische Eigenschaften des atmosphärischen Aerosols zu bestimmen.

Die Messungen der Gesamtanzahlkonzentration (Condensation Particle Counter), Anzahlgrößenverteilung im Bereich von 2 Nanometer bis 20 Mikrometer (Neutral Air Ion Spectrometer, Mobility Particle Size Spectrometer and Aerodynamic Particle Sizer), Rußmassenkonzentration (Multi Angle Absorption Photometer), Lichtstreukoeffizienten an drei verschiedenen Wellenlängen (Nephelometer), sowie Flüchtigkeits-/Hygroskopizitätseigenschaften (Volatility and Hygroscopicity Tandem Differential Mobility Analyzer) begannen am 25 Mai und werden kontinuierlich über die gesamte Fahrt durchgeführt. Um eine hohe Datenqualität und Vergleichbarkeit der Messungen zu gewährleisten, werden regelmäßig Kalibration und Prüfprozesse vorgenommen. Auf dem Aerosol-Container wurden auch ein Eisnukleationsspektrometer und ein Wolkenkondensationskeimzähler aufgebaut, um die Anzahlkonzentration von eis- und tropfenbildenden Aerosolen zu bestimmen. Die folgende Auswertung der chemischen Zusammensetzung und die Informationen von Rückwärtstrajektorien werden uns zeigen, im welchem Maße Aerosole lokal produziert oder antransportiert werden. Diese in-situ Daten sind auch sehr wertvoll für die aktive und passive Aerosolfernerkundung.

Nach Aufbau und finaler Charakterisierung, die erst nach Abfahrt des Schiffes möglich war, verhielt sich das Fourier Transform Infrarot Radiometer (FTIR) wie zu erwarten war. Wir hatten insgesamt vier wolkenlose Tage, um Messungen der solaren Absorption durchzuführen sowie viele Tage, um die Emission im thermischen Infrarot zur Charakterisierung der dünnen Wolkenbedeckung in der Arktis zu messen. Dargestellt sind zwei Spektren, eines während bewölkter Bedingungen und eines an einem wolkenfreien Tag.

In Abb. 1 kann man deutlich den Effekt einer dünnen Wolke auf die beobachtete Infrarotstrahlung erkennen. Die obere Einhüllende ist durch vollständig gesättigte Emissionen verursacht und stellt im Grunde Schwarzkörperstrahlung dar. Die aufwärts gerichteten Linien sind Emissionen von H2O, CO2 und Ozon. Man kann deutlich sehen, dass eine Wolke zwei Effekte hat; sie schwächt die Emissionslinien und bringt zusätzliche breitbandige Strahlung. Die Form der zusätzlichen Strahlung hängt von den Eigenschaften der Wolke selber ab - hauptsächlich der mittlere Radius der Tröpfchen in einer Wasserwolke und die optische Dicke. Zwei Eigenschaften, die in diesem Wellenlängenbereich verfügbar sind.

Während die Polarstern mit der Scholle driftet, haben wir viele verschiedene Messungen aus dem Heli heraus und am Boden durchgeführt, um das Meereis und die darin entstehenden Schmelztümpel zu untersuchen. Schmelztümpel verändern die Albedo der Meereisoberfläche, d.h. das Vermögen Sonnenlicht zu reflektieren. Die Tümpel reflektieren weniger als das sie umgebende Eis und die absorbierte Energie wird im Wasser gespeichert, wodurch sich das System Meereis erwärmt. Daher versuchen wir das Entstehen der Tümpel zu untersuchen und die Auswirkungen ihrer Ausdehnung auf die Eigenschaften des Meereises näher unter die Lupe zu nehmen. Bei einem Erkundungsflug über die Scholle haben wir schnell erkannt, dass sich auf unserer Scholle bereits einige kleine Tümpel gebildet haben. Schnell war uns klar, dass unsere kleine Seenplatte (siehe Bild 2) einen idealen Standort für unsere Messungen darstellte. Wir packten unser Equipment aus und sahen uns die Tümpel so oft wie möglich aus der Luft an, wozu wir eine RGB Kamera und einen hyperspektralen Sensor in den Heli einbauten. Und wir hatten noch mehr Glück! Am 10. Juni war ein sogenannter Clear Sky Tag, d.h. wolkenloser Himmel, der perfekte Bedingungen für Luft- und Satellitenaufnahmen bedeutet - aber eine rare Angelegenheit im arktischen Sommer darstellt. Gleichzeitig zu den Überflügen führten wir Feldmessungen durch. Wir haben an mehreren Tümpeln die Einstrahlung und die von dem Wasserkörper reflektierte Strahlung gemessen. Zusätzlich wurden für jeden Mess-Standort die Wassertiefe und an einigen Stellen auch die Eisdicke des Tümpelbodens aufgenommen. Die Dicke des Tümpelbodens ist besonders interessant, weil er den Anteil der rückgestreuten Strahlung und deren spektrale Verteilung stark beeinflusst. Um die Inhaltsstoffe des Tümpelwassers zu bestimmen haben wir Wasserproben genommen, die abends in einem der Labore der Polarstern vorverarbeitet und dann eingefroren werden. So warten sie in einem der Kühlcontainer auf ihre Ankunft in Bremerhaven im Oktober, von wo aus sie dann zur weiteren Analyse an die Universität Kiel gebracht werden.

Im Rahmen unserer physikalischen Beobachtungen des Meereises und seiner Schneeauflage haben wir in den letzten Wochen besonders die Veränderungen in Bezug auf Schnee- und Meereisschmelze untersucht. Wie beeinflussen und verändern die Energie (vor allem Sonneneinstrahlung) den Schnee und das Meereis? Hierzu wurden die Dicke des Schnees und des Meereises entlang von kilometerlangen Profilen über der gesamten Scholle gemessen. Die zusätzliche Beprobung von Schnee und Meereis im Hinblick auf Aerosole und deren Wechselwirkung mit der Atmosphäre stellte ebenfalls einen wesentlichen Teil der Arbeit dar. Da wir uns mitten in der Schmelzsaison befinden, konnten bereits innerhalb der letzten beiden Wochen starke Veränderungen beobachtet und unterschiedlichen Schnee- und Eistypen zugeordnet werden. Vor allem die Schneeauflage auf dem Meereis ist stark geschmolzen und das Meereis ist wesentlich wärmer und auch dünner geworden. Ein Großteil der Untersuchungen des Meereises in Bezug auf seine Energie- und Massenbilanz wurde mit Hilfe eines Tauchroboters (ROV) durchgeführt, da hiermit das Meereis und Strahlungsflüsse von unten kartiert werden können. Die Plattform trägt eine große Vielfalt bio-physikalischer Sensoren zur Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Meereis und Ozean. Allein die hochauflösenden Videoaufnahmen des Meereises von unten zeigen charakteristische Eigenschaften des Meereises und wie dessen physikalische Eigenschaften den Lebensraum darunter dominieren. Um die Untersuchungen möglichst gut fortsetzen zu können, wurde ebenfalls ein autonomes Observatorium aus unterschiedlichen Geräten auf dem Eis installiert und zurück gelassen. Diese Geräte verfolgen nun die weiteren Entwicklungen bis wir sie zum Ende des Fahrtabschnitts PS106.2 wieder bergen werden.

Die ozeanographische Gruppe hat kontinuierlich Messungen mit der Conductivity Temperature Depth (CTD) Sonde durchgeführt. Dieses Instrument liefert hochaufgelöste Daten der Temperatur, des Salzgehaltes sowie Chlorophyl und Sauerstoff in der Wassersäule. Damit können wir unterschiedliche Wassertypen an jeder Position erkennen und wie deren Position sich von Ort zu Ort und von Zeit um Zeit ändert. Mit den 24 Flaschen, die am Stahlrahmen befestigt sind, können wir Wasser in verschiedenen Tiefen für weitere Analysen  sammeln. Die meisten Profile wurden ganz bis zum Meeresboden durchgeführt, der auf dieser Reise oft tiefer als 1000 m lag. Während unserer Wochen auf See haben wir die Veränderungen des Atlantischen Wassers und den Einfluss des saisonalen Schmelzens auf das Oberflächenwasser verfolgt.

Während der Drift der Eisstation wurde auf dem Eis ein 200 m Verankerungskabel eingesetzt, ausgerüstet mit Akustik-Doppler-Strömungs-Sondierern und Temperatur- und Salzgehaltsensoren. Die wesentliche Information aus dieser Station ist die dominierende Wassergeschwindigkeit, aber es ist z.B. auch möglich, die täglichen Muster der vertikal wandernden Organismen zu bestimmen. Wenn solche Muster gefunden werden können, haben wir eine gute Möglichkeit zu verstehen, welche Organismen wir sehen, indem wir die Informationen der biologischen Gruppen während der Reise verwenden.

Ein Partikelmesser (LISST) wurde mehrmals zusammen mit der CTD und separat auf dem Eis (Siehe Bild 3) eingesetzt. LISST bestimmt die Größe der im Wasser befindlichen Partikel. Dies kann gemeinsam mit weiteren Messungen genutzt werden, um Prozesse wie vertikale Migration und Sedimentation zu verstehen. 

 

Beste Grüße von Wissenschaft und Besatzung,

Andreas Macke, Fahrtleiter

 

Mit Beiträgen von Simonas Kecorius, Marcel Nicolaus, Anna Nicolopoulos, Mathias Palm, Natascha Oppelt

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