Wie bereits im letzten Wochenbericht angekündigt, wollen wir heute von den Arbeiten unserer Phytooptiker, Biogeochemiker, Planktologen und Sedimentologen berichten. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stehen die Organismen und Prozesse in der Wassersäule.
Das Plankton umfasst alle Lebewesen, die in der Wassersäule schweben und nicht gegen die Wasserströmung schwimmen können. Dazu gehören Bakterien und einzellige Algen, die die Grundlage des arktischen Nahrungsnetzes darstellen, aber auch mehrzellige Tiere, wie z.B. Crustaceen (Krebsartige), die in hohen Dichten auftreten können. Es ist anzunehmen, dass der Klimawandel diese Lebensgemeinschaften stark beeinflussen wird.

Um zu untersuchen ob und wie sich die Lebensgemeinschaften der Bakterien und Algen im Wasser verändern, werden Wasserproben mit dem Kranzwasserschöpfer aus verschiedenen Tiefen genommen und filtriert. Zusätzlich gewinnen wir Proben mit dem automatischen Filtrationssystem AUTOFIM, welches an den Meerwasserkreislauf des Schiffes angeschlossen ist. Später in den Laboren des AWI und des GEOMAR werden verschiedene Parameter, wie z.B. der Nährstoffgehalt, die Chlorophyll-Konzentration, die Menge an Kohlenstoff und Stickstoff im Wasser und die genetischen Fingerabdrücke der Bakterien und Algen erfasst.
Neben der „klassischen“ Probennahme mit dem Wasserschöpfer implementieren wir derzeit ein Messsystem, das an eine bordeigene Wasserpumpe angeschlossen ist und kontinuierlich chemische und biologische Charakteristika im Oberflächenwassers registriert. Das System besteht aus einem Gerät, welches autonom die Menge an Nährstoffen im Wasser bestimmt, einem Massenspektrometer, welches Argon und Sauerstoff misst und einem CO2-Meßgerät. Gleichzeitig werden mit einer sogenannten „Ferrybox“ kontinuierlich die Wassertemperatur sowie die Salz-, Chlorophyll- und Sauerstoffgehalte gemessen. Außerdem testen wir verschiedene neue biogeochemische Sensoren um herauszufinden, welche Technologien sich in Zukunft am besten für das Monitoring des marinen arktischen Ökosystems eignen.
Ammonium oxidierende Archae stellen eine besondere Gruppe des Bakterienplanktons dar. Sie sind in der Lage Ammonium in Nitrit umzubauen und dabei Kohlenstoff aus dem im Wasser gelösten CO2 aufnehmen. Andere Bakterien, die eng mit diesen Archae-Bakterien verwandt sind, können bis zu 25% der gesamten Population der Tiefsee ausmachen. Dies lässt vermuten, dass in der Tiefsee deutlich mehr Ammonium umgesetzt wird als wir bisher angenommen haben. Andere Bakterien bauen den anorganischen Stickstoff im Wasser in organische Substanzen wie Proteine ein, die damit wiederum anderen Organismen, die keinen Stickstoff fixieren können, zur Verfügung stehen. An Bord untersuchen wir in Inkubationsversuchen, wie schnell diese Bakterien Photosynthese betreiben und wie gut sie unterschiedliche Formen des Stickstoffs nutzen können.

Eine andere Arbeitsgruppe an Bord bestimmt die Primärproduktion des Phytoplanktons und die Biomasseproduktion der Bakterien im Seewasser. Diese Prozesse spiegeln sich in der chemischen Zusammensetzung des organischen Kohlenstoffes im Meerwasser wieder. Daher werden zusätzlich Proben für weitere chemische Analysen, z.B. von Kohlenhydraten und Proteinen, gesammelt.
Für andere Fahrtteilnehmer stehen die Interaktionen zwischen Bakterien und im Wasser schweben Partikeln (Marine Snow) im Mittelpunkt. Um diese Partikel zu sammeln, wird der sogenannte Marine Snow Catcher (MSC) eingesetzt. Der MSC fasst 100 Liter Wasser und kann in mithilfe eines Gewichtes in einer bestimmten Tiefe geschlossen werden. Nachdem der MSC wieder an Bord ist, sinken die schwebenden Aggregate zum Boden des Gerätes und können dann abgesammelt und untersucht werden. DNA-Analysen geben Aufschluss über Zusammensetzung der Organismen, die mit den Partikeln assoziiert sind. Zusätzlich werden die Partikel lichtmikroskopisch untersucht und ihre Respirationsraten bestimmt. Außerdem wird in Inkubationsexperimenten untersucht, wie die Bakterien das organische Material, das diese Partikel bildet, ab- und umbauen.

Die größeren Organismen des Planktons (z.B. Ruderfußkrebse, Flohkrebse und Quallen) sammeln wir mit Planktonnetzen. Zusätzlich untersuchen wir die Tiefenverteilung der häufigsten Arten mit dem sogenannten LOKI (Lightframe Onsight Key species Investigation). Kernstück des LOKI ist eine hochauflösende Digitalkamera, die kontinuierlich zwanzig Bilder pro Sekunde macht, während das Gerät aus 1000 m Tiefe an die Oberfläche gezogen wird. Gleichzeitig werden der Salzgehalt, die Temperatur und die Fluoreszenz gemessen, sodass wir das Vorkommen der verschiedenen Arten mit den hydrographischen Bedingungen in Verbindung setzen können. Am LOKI haben wir auf dieser Expedition ein weiteres Gerät, das sogenannte Aquascat, angebracht. Dieses Gerät sendet Töne verschiedener Frequenzen aus, die vom Plankton reflektiert werden. So kann mit einer akustischen Methode erfasst werden, wie viele Tiere in welcher Größe im Wasser schweben.
Licht ist einer der Faktoren, die das Wachstum der photosynthetisch aktiven Organismen, beeinflusst. Die Tiefe, in die das Licht eindringt, ist dabei von der Konzentration der Partikel im Wasser sowie der Färbung des Wassers abhängig. Für die satellitengestützte Fernerkundung ist die Eindringtiefe des Lichts entscheidend, da nur aus diesem Bereich Informationen zur Art und Menge der Inhaltsstoffe gewonnen werden können. Aus diesem Grund wird von uns kontinuierlich das Absorptions- und Streuverhalten des Seewassers gemessen. Zusätzlich werden die Pigmente, die in den Phytoplanktern zu finden sind, in Wasserproben aus sechs verschiedenen Tiefen bestimmt. Auf der Grundlage all dieser Daten kann schließlich ein Zusammenhang zwischen der Phytoplankton-Zusammensetzung, seiner Biomasse, dem gelöstem Kohlenstoff und dem eindringenden Licht hergestellt werden.
Im nächsten und letzten Wochenbericht dieser Reise werden wir über die „Bodenarbeiten“ unserer Biogeochemiker und Biologen berichten.
Mit den besten Grüßen aus dem HAUSGARTEN,
Thomas Soltwedel
(Dieser Fahrtbericht wurde im Wesentlichen durch Barbara Niehoff, Ian Salter, Tania Klüver, Stephan Wietkamp, Allison Fong, Sebastian Hellmann und Pierre Offre verfasst.)