Pressemitteilung

Nachlese: Robbenforschung auf dem Eis

[18. Januar 2004] 

Seit dem 2. Januar ist die Kampagne im Drescher-Inlet beendet, das Camp vollständig abgebaut, und die 5 Robbenforscher sind mitsamt ihrer Ausrüstung auf dem Forschungsschiff „Polarstern“ in Richtung Kapstadt unterwegs. Hinter ihnen liegen vier erlebnisreiche Wochen, in denen sie den weißen Kontinent von vielen Seiten erfahren haben: Endlose Weite, gleißender Sonnenschein, bizarre Wolkenformationen, Schneefall, heftige Drift und klirrende Kälte in tagheller Polarnacht. Nach zügigem Aufbau und Einrichten der fünf roten Glasfaser-Iglus, die mit den zwei Helikoptern von der „Polarstern“ aus aufs Eis geflogen wurden, bleiben die 5 Wissenschaftler unter Leitung von Joachim Plötz auf dem Riiser-Larsen-Schelfeis zurück. Von ihrer Station aus folgt der Blick einem 15 km langen Eisspalt, dem Drescher Inlet, hinaus auf die eisfreie Küste des Weddellmeeres. Mächtige Tafeleisberge ziehen mit dem Küstenstrom an der Inletmündung vorbei in Richtung Südwesten.

Das Leben in den Iglus, so Plötz, ist eine große Umstellung für uns, der Komfort mit dem Aufenthalt auf der „Polarstern“ nicht vergleichbar. Abends haben wir Schwierigkeiten in den Schlafsack zu finden, es wird nicht dunkel, die Sonne zieht eine Handbreit über den Horizont und steht in der Frühe wieder im Osten. Die Wetterumschwünge kommen hier häufig und schnell. Am Freitag den 5. Dezember, einen Tag nach unserer Ankunft, nimmt der Ostwind auf 8 Stärken zu. Feine Eiskristalle peitschen durch die Luft und nehmen die Sicht. Bei Schneedrift ist es kaum möglich, die Iglus zu verlassen oder den Generator zu betreiben, gekocht und geheizt wird mit Propangas. Drei Tage hält uns die Drift in den Iglus, am Montag dann Windstille. Morgens führt der erste Schritt zum Generator. Danach gibt es einen kräftigen Kaffee mit Wasser aus der Schneeschmelze, und nach einem ausgiebigen Frühstück und dem obligatorischen Funkspruch zur „Polarstern“ fahren wir mit den Skidoos und vollgepackten Nansen-Schlitten ins Inlet, um mit den Forschungsarbeiten zu beginnen.

Die Zeit drängt, denn die Bordmeteorologen haben für die Weihnachtstage schlechtes Wetter angesagt, und pünktlich am Heiligen Abend erwischt uns ein weiteres Sturmtief mit schwerer Schneedrift. An Außenarbeiten ist nicht zu denken, die Skidoos versinken in hohen Schneewehen, aber die Verankerung der Iglus hält. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wohlbehütet in enger Behausung das Weihnachtsfest im ewigen Eis der Antarktis zu verbringen, und an gutem Essen, wenn auch selbst zubereitet, fehlt es uns nicht. Am 27. Dezember können wir endlich wieder aufs Eis. Mandana Mirhaj ist mit ihren bioakustischen Messungen gut vorangekommen. Die Drifttage ausgenommen, saß sie jeden Tag in einem Kabinenschlitten mitten im eisbedeckten Inlet und registrierte mit drei Hydrophonen die Unterwasserlaute von Robben. In den Mitternachtsstunden sind die Tiere besonders gesangfreudig. Insgesamt 15 verschiedene Robbenlaute wurden aufgezeichnet, dazu das ächzende Eisreiben und sogar die dumpfen Schraubengeräusche der „Polarstern“.

Horst Bornemann, Nikolai Liebsch und Yuuki Watanabe haben das Tauchverhalten und den Beutefang von Weddellrobben untersucht. Mehrere Tiere wurden mit einer Mini-Digitalkamera und weiteren Messgeräte versehen, nach einigen Tagen wurden die Geräte wieder abgenommen und die Daten am Computer ausgelesen. Erste Sichtungen des Fotomaterials zeigen eine besonders hohe Dichte an organischen Partikeln und Krill in 50 – 150 m Wassertiefe, dort wo an den Robben auch erhöhte Kieferaktivität (Maulöffnungen) gemessen wurde. Bei ihren nächtlichen Tauchgängen orientierten sich einige Robben entlang der steil abfallenden Schelfeiskante und suchten direkt an der Unterseite des Schelfeises in 150 m Tiefe nach Nahrung, tagsüber hingegen fischten sie bevorzugt am 450 m tiefen Meeresboden. Am Neujahrstag bringen die Fischereibiologen vor der Inletmündung ihr Schwimmschleppnetz aus. Die Fangergebnisse belegen, dass es tagsüber v.a. am Meeresboden in 450 m Tiefe, nachts aber besonders in den „Etagen“ darüber ein reichhaltiges Nahrungsangebot an Fischen für die Weddellrobben gibt. Diese vertikalen Verschiebungen werden verblüffenderweise auch unter den Bedingungen der Mitternachtssonne beibehalten.

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Das Institut

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.