Forschungsprojekt

Mit Künstlicher Intelligenz zu artgerechter und nachhaltiger Garnelenzucht

Forschende entwickeln Frühwarnsystem für Stresssymptome bei Garnelen in Aquakulturen
[27. Juni 2023] 

Das Projekt MonitorShrimp verbessert Tierwohl und Leistung in der Garnelenzucht erheblich. Es ist in einem Konsortium aus Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Oceanloop und Sander Holding entstanden. Die Forscherinnen und Forscher entwickelten in den vergangenen beiden Jahren ein optisches Computer-System (Computer-Vision-System), das zur frühzeitigen Erkennung von Wachstum, Menge, Mortalität und Stress der kleinen Nutztiere dient.

Unter der Leitung des AWI hat ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren zusammen mit dem Pionier der Garnelenzucht Oceanloop ein Computer-Vision-basiertes System entwickelt, das eine Zählung und Längenmessung von Garnelen mit einer Genauigkeit von bis zu 95 Prozent ermöglicht. Diese Ergebnisse wurden unter Echtzeit-Farmbedingungen, das heißt mit hoher Besatzdichte und unter verschwommenen Lichtverhältnissen, erzielt. Das System bietet den Aquakulturbetrieben ein besseres Verständnis über die Leistung ihrer Nutztiere, aber auch über deren artgerechte Haltung. Die neue Technologie wurde für die Bedürfnisse europäischer Garnelenfarmen an Land entwickelt, die sich zunehmend auf mehr Nachhaltigkeit und Tierschutz konzentrieren.

Der erste Prototyp wurde in der Forschungs- und Entwicklungsfarm von Oceanloop in Kiel, Deutschland, in 2022 installiert. Ein modernes Smartphone, das oberhalb des Wasserspiegels montiert wurde, hat jede Minute Bilder der Garnelen aufgenommen und Live-Daten an einen lokalen Server gesendet. Die auf Computer-Vision basierenden Algorithmen zählten die Garnelen bei jedem Bild und maßen die Länge einzelner Garnelen. Diese Informationen sollen der Fischzuchtsoftware AquaManager® zur Verfügung gestellt werden, um anhand von Live-Daten Wachstums- und Fütterungsmodelle zu optimieren.

Darüber hinaus konnte die Gruppe Stresssymptome bei Garnelen visuell erkennen. „Diese Funktion wird als Frühwarnsystem, aber auch zur Validierung unseres Besatzdichtemodells eingesetzt. Mit dieser neuesten Technologie können wir die Dichte jeder Garnelengröße genauer feststellen, was zu einer Verbesserung der Überlebensrate, des Wachstums und der Futterverwertung führt“, sagt Dr. Bert Wecker, Co-CEO von Oceanloop.

Dr. Stephan Ende, Projektleiter am AWI, betont, wie wichtig es ist, die Sterblichkeit von Nutztieren, insbesondere in der Aquakultur, zu verfolgen: „Sterblichkeitsraten, die bei Lachsen zwischen 13 und 26 Prozent und in der Garnelenzucht sogar bis zu 50 Prozent liegen, sind deutlich höher als in jeder anderen Tierproduktion. Die Online-Überwachung ermöglicht es den Aquakulturbetrieben, schneller auf Anzeichen von Stress bei den Tieren zu reagieren.“

Tomasz Kowalczyk, Gründer und CEO von NeuroSys, die im Projekt zur Algorithmen-Entwicklung beigetragen haben, sagt: „Technologische Entwicklungen verändern Unternehmen und ganze Branchen. Wir sind bereit, Teil dieses Wandels zu sein und arbeiten daran, die Vorteile künstlicher Intelligenz und Deep Learning in die Garnelenzuchtbranche einzuführen.“

Den Kooperationspartnern zufolge ist die Entwicklung dieser Technologie ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur großflächigen Garnelenzucht. Oceanloop will seine Zuchtkapazitäten in Europa bis 2027 deutlich erweitern, indem es die nachhaltigste und größte landbasierte Garnelenfarm der Welt mit einem Zuchtvolumen von über 2.000 Tonnen pro Jahr bauen will. „Die Möglichkeit, Wachstumsleistung und Wohlergehen der Garnelen in Echtzeit mit Live-Daten zu verfolgen, wird einerseits dazu beitragen, das Risiko in der Aquakultur zu verringern. Andererseits wird dies auch eine vollständige Sichtbarkeit der Biomasse ermöglichen, um die Wertschöpfungskette von der Zucht über die Verarbeitung bis zum Verkauf zu optimieren“, sagt Dr. Fabian Riedel, Mitbegründer und Co-CEO von Oceanloop.

Ziel des Konsortiums ist es auch, die Zusammenarbeit mit anderen Interessengruppen auszuweiten, um die Digitalisierung der Garnelenzucht weiter voranzutreiben. Die gemeinsame Arbeit führender Industriepartner zusammen mit der Wissenschaft ermöglicht zahlreiche entscheidende Innovationen für eine nachhaltige und artgerechte Garnelenzucht. Hier ist für die Zukunft weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit dem Unternehmen NeuroSYS geplant.

Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung. In Jahr 2023 ist der ursprüngliche Projektpartner MonitorFish aus dem Projekt ausgeschieden.

Über das Konsortium:

Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

Oceanloops (www.oceanloop.com) Mission ist es, die globale Garnelenindustrie mit modernster Aquakulturtechnologie „Made in Germany“ zu revolutionieren. Die landbasierten Garnelenfarmen von Oceanloop ermöglichen eine hochwertige, antibiotikafreie und nachhaltige Salzwassergarnelenzucht dort, wo der Verzehr stattfindet. Dadurch reduziert Oceanloop den Ressourcenverbrauch und den ökologischen Fußabdruck im Vergleich zu herkömmlichen Farmen deutlich. Die Oceanloop-Unternehmensgruppe betreibt zwei innovative landbasierte Garnelenfarmen in München und Kiel. Als Europas Technologieführer für die Zucht von Salzwassergarnelen ist es die Vision von Oceanloop, weltweit nachhaltige Garnelenfarmen an Land aufzubauen und so zur Dekarbonisierung der Lebensmittelindustrie beizutragen.

Die Sander Holding (www.aqua-sander.de) beschäftigt sich seit 1961 mit der Herstellung und Entwicklung innovativer Produkte für Wasseraufbereitungssysteme in den Bereichen Industrie, Aquarien und Aquakultur. Sander hat die Meerwasseraquarien beispielsweise in Berlin, Oberhausen, Hannover, Konstanz, Warschau, Porto, Gardasee, Bergen oder Moskau aktiv mitgestaltet. Die Expertise von Sander wurde in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen genutzt, um das innovative Oceanloop®-Konzept zu entwickeln: landbasierte, marine Kreislaufsysteme, die im Landesinneren ohne Zugang zu natürlichem Meerwasser für die Zucht von Meeresfrüchten betrieben werden können.

Kooperierendes Unternehmen:

NeuroSYS (www.neurosys.com) ist ein Team von Experten für KI, maschinelles Lernen und Digitalisierung. Seit 2010 hat NeuroSYS über 100 komplexe KI- und IT-Projekte für Kunden auf der ganzen Welt durchgeführt und dabei die Abläufe in verschiedenen Branchen optimiert. Das Unternehmen ist auf die Anwendung von Spitzentechnologien in Bereichen wie Fertigung, Landwirtschaft, Gesundheitswesen und Pharma spezialisiert, beteiligt sich aber auch an rein wissenschaftlichen Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten in der EU.

Kontakt

Wissenschaft

Stephan Ende
+49(471)4831-2813
stephan.ende@awi.de

Pressestelle

Folke Mehrtens
+49(0)471 4831-2007
Folke.Mehrtens@awi.de

Abo

AWI Pressemeldungen als RSS abonnieren


Das Institut

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.

Weitere Infos

Weitere Seiten

» Aquakulturforschung