PS97 Wochenbericht Nr. 7 | 30. März - 6. April 2016

In Richtung Magellanstraße

[07. April 2016] 

Die letzte Woche der Polarstern-Expedition PS97 war für Mannschaft und Wissenschaft noch einmal sehr anstrengend. Es gab ein vielfältiges geologisches, geophysikalisches und ozeanographisches Arbeitsprogramm, das von zwei Stürmen begleitet bzw. unterbrochen wurde.

Diese Stürme erinnerten uns noch einmal daran, dass der südliche Kontinentalrand von Chile genau im Bereich der stärksten Luftdruck-Gradienten und somit im Maximum der Windstärken der südlichen Westwindzone liegt. Zum Glück erwischten wir in der zweiten Hälfte der Woche ein Wetterfenster, um unseren zweiten Einsatz der Seismik durchzuführen.

Nach erfolgreicher Beendigung des ersten seismischen Kreuzprofils an einer durch zwei lange Sedimentkerne dokumentierten, sehr vielsprechenden Kernstation im offenen Südost-Pazifik (ca. 80 Seemeilen westlich Chile Tiefseegraben), ging unsere Fahrt am 30.03. zurück in Richtung Kontinentalhang. Wir begannen schon vor der Überquerung des Tiefseegrabens mit einem weiteren ozeanographischen Profil mit CTD und LADCP Strömungsmessungen. Dieses dritte CTD-Profil über den Cape Hoorn Strom soll die Variabilität dieses klimatisch und ozeanographisch wichtigen und bisher wenig erforschten Meeresstromes besser abbilden. Das Profil begann in mehr als 4000 m Wassertiefe und bestand aus 12 Stationen über den Kontinentalhang hinauf auf den chilenischen Schelf bei etwa 120 m Wassertiefe. Unterbrochen durch eine Kernstation in etwa 2500 m Wassertiefe mit einem für den Kontinentalhang sehr guten Kerngewinn von mehr als 10 m, wurden die ozeanographischen Arbeiten am 31.03. abgeschlossen.

Der Wind nahm nun weiter zu und wir nutzten die Zeit zur Suche von Sedimentkern-Stationen mit HYDROSWEEP und PARASOUND. So arbeiteten wir uns im üblichen Zickzack-Kurs, um möglichst weite Bereiche des Kontinentalhanges abzufahren, nach Norden fort. In der Nacht zum 01.04.16 konnten zwei Sedimentstationen lokalisiert werden und erfolgreich mit Multicorer, Kolbenlot und Schwerelot eingesetzt werden. Dabei wurde der Tiefenbereich von ca. 1800 m bis 3000 m abgedeckt. Am 02.04. erreichten wir schließlich unser letztes Arbeitsgebiet am Kontinentalhang vor dem pazifischen Eingang der Magellanstraße. In diesem Gebiet wurden bereits 2007 auf einer Expedition mit dem französischen Forschungsschiff Marion Dufresne Sedimentkerne gezogen. Für einige von uns (Helge Arz, IOW, Rolf Kilian, Univ. Trier und Frank Lamy, AWI) war es somit bereits der zweite Besuch dieses Teils des Südost-Pazifik. Damals hatten wir, wie so oft in dieser Gegend, leider schlechtes Wetter und einen engen Zeitplan. Trotzdem konnte auf Marion Dufresne mit 6 t Gewicht ein 30 m langes Kolbenlot aus ca. 1000 m Wassertiefe gewonnen werden. Auf PS97 waren wir an dieser Station mit ca. 8 m Kernlänge bei knapp 2 t Gewicht weniger erfolgreich. Allerdings konnten wir in der Umgebung erstmalig noch weitere Sedimentkerne gewinnen und sogar vergleichsweise flache Wassertiefen von 850 m und 600 m beproben.

Eines der wesentlichen paläozeanographischen Zeile unserer Expedition war die Gewinnung von Sedimentarchiven vom chilenischen Kontinentalhang aus verschiedenen Wassertiefen. Dadurch können Veränderungen in der Wassermassenstruktur in die Vergangenheit rekonstruiert werden, was besonders im Südost-Pazifik vor dem Eingang der Drake Passage einen großen Einfluss auf die globale Ozeanzirkulation und schließlich auch das globale Klima besitzt. Die Arbeitsgruppe Marine Geologie am AWI hat bereits während zweier früherer FS Polarstern- (PS75) und FS Sonne-Expeditionen (SO213) ein solches Tiefenprofil mit Sedimentkernen am neuseeländischen Kontinentalhang gewonnen. Die Veröffentlichung über die Hauptergebnisse der Untersuchungen an diesen Sedimentkernen von Thomas Ronge, AWI - einer der Geologen an Bord, wurde gerade letzte Woche von der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift „Nature Communications“ zur Veröffentlichung akzeptiert. Herzlichen Glückwunsch dazu! Nimmt man die Sedimentkerne am pazifischen Kontinentalhang vor Chile zusammen, so decken wir auch hier mit unseren Sedimentkernen fast den gesamten Tiefenbereich von ca. 600 m bis ca. 4000 m ab. Erste Altersabschätzungen der Kerne deuten darauf hin, dass die meisten Sedimentabfolgen bis über das Maximum der letzten Eiszeit zurückreichen. Damit decken sie den für die Paläozeanographie besonders interessanten Zeitraum des Überganges von der Eiszeit in unsere jetzige Warmzeit ab mit grundlegenden Änderungen der Ozeanzirkulation, des Klimas, und des Kohlenstoffkreislaufes.

In der Umgebung der Marion Dufresne-Kernstation haben wir eine detaillierte Profilfahrt mit HYDROSWEEP und PARASOUND durchgeführt, um die Sedimentbedeckung und Tiefenstruktur genauer zu kartieren. Dabei zeigte sich eine mächtige Sedimenteindringung im Tiefenbereich um ca. 1000 m. Wir vermuten, dass es sich hierbei um eine  „Sedimentdrift“ handelt, in der es durch relativ geringere Strömungsgeschwindigkeiten bevorzugt zur Sedimentation kommt. Derartige Sedimentabfolgen sind für die Paläoozeanographie besonders interessant, da dort oftmals hohe Ablagerungsraten auftreten, die eine hohe zeitliche Auflösung der späteren Rekonstruktionen erlauben. Da der Marion Dufresne-Kern von dieser „Sedimentdrift“ bereits sehr gute Paläoklimazeitreihen geliefert hat, entschlossen wir uns dazu das zweite Mal auf PS97 ein seismisches Kreuzprofil zu fahren. Ein Tag mit relativ guten Wind- und Seeverhältnissen erlaubte unseren Geophysikern Jürgen Gossler, AWI, Henrik Grob, und Sjard Stratmann, beide  Univ. Hamburg, mit Hilfe der Mannschaft und anderer Wissenschaftler erneut den Geophysik-Streamer auszubringen. Die ersten Auswertungen der seismischen Profile sind sehr vielversprechend und lassen auf 700-900 m mächtige Sedimente schließen.

Im Anschluss an die Seismik begannen wir mit dem nördlichsten ozeanographischen Profil vor Chile. Bei stark zunehmendem Wind mussten diese Arbeiten in der Mitte des Profils abgebrochen werden. Wellenhöhen von 7 m aus Nord bis Nordwest, das heißt von der Seite, machten unsere Flucht in den Schutz der Magellanstraße sehr ungemütlich. Zum Glück erreichten wir am 04.04. abends sichere Gewässer. Für die Zeit unseres Abwetterns am 05.04. schätzte unser Meteorologe außerhalb des Schutzes der Magellanstraße Windstärke 12 und einer mittleren Wellenhöhe von 10 m. Am Abend des 05.04. beruhigte sich die Lage langsam, so dass wir um 22 Uhr erneut nach Westen herausfuhren, um das begonnene ozeanographische Profil zu beenden. Dieses konnte heute, am 06.04. um 16 Uhr beendet werden. Unsere 151. und letzte Station PS97/151 war damit abgeschlossen. Heute werden wir dieses Ereignis mit einem Grillfest feiern. Wenn das Wetter es erlaubt, stehen morgen noch Hubschrauberflüge an, bevor wir endgültig in Richtung Punta Arenas aufbrechen. Wir hoffen noch bei Tageslicht den landschaftlich beeindruckenden Teil der mittleren Magellanstraße zu erleben. Einlaufen in Punta Arenas ist für den 08.04. um 07:00 Uhr geplant. Da die Liegeplätze, wie schon vor dem Auslaufen im Februar, besetzt sind, werden wir zunächst auf Reede gehen. Wann genau wir bei einem erneut angesagten Sturm von Bord kommen, ist unklar. Aber irgendwie werden wir wohl im Laufe des Freitags festes Land unter die Füße bekommen. Die meisten fliegen zum Glück erst am Samstag in Richtung Heimat.

Zum Abschluss noch eine kleine Statistik unserer Expedition. Wir werden in Punta Arenas insgesamt 6400 Seemeilen (ca. 11500 km) mit Polarstern zurückgelegt haben. Davon waren  5586 Seemeilen Profilfahrt mit HYDROSWEEP und PARASOUND und 120 Seemeilen Seismik. Insgesamt wurden 150 biologische, geologische, geophysikalische und ozeanographische Stationen bearbeitet worden. Dabei wurden vier biologische Wasserpumpstationen, 65 CTD-LADCP Einsätze, 53 Multicorer Einsätze für die Beprobung der Oberflächensedimente und 73 Kolben-/ Schwerelote mit 499,58 m Sedimentgewinn erzielt.

Frank Lamy

Fahrtleiter PS97

Position: 52°37´S; 74°40´W

(am pazifischen Eingang der Magellanstraße)

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