PS100 - Wochenbericht Nr. 7 | 29. August - 4. September 2016

Eine Expedition geht zu Ende

[06. September 2016] 

Wir haben heute Morgen unser Forschungsprogramm am Knipovich-Rücken südlich der Framstraße beendet und befinden uns auf dem Transit gen Tromsø, wo wir am Morgen des 6. September eintreffen werden.

Am Anfang der siebten Expeditionswoche befanden wir uns noch auf dem inneren grönländischen Schelf am Übergang vom 79°N Gletscher zum Westwindtrog. Hier standen Messungen zur Zirkulation, Hydrographie und Turbulenz sowie biochemische und geologische Probennahmen auf dem Programm. Zusätzlich wurden drei Verankerungen ausgelegt, die die Zirkulation des Atlantikwassers kontinuierlich vermessen sollen. Hiernach besuchten wir den von einer mit Eisfeldern verzierten Felsenküste gesäumten Djimphnasund, an dessen Ende der 79°N Gletscher mit in einer zweiten, kleinen Kalbungsfront mündet. An der Schwelle am Eingang des Fjords wurde eine weitere Verankerung ausgelegt sowie Sedimentproben gewonnen.

Hiernach folgte ein Transit in südwestlicher Richtung über den weiten, eisbedeckten Schelf hin zur Schelfkante bei 79°36’N. Wir absolvierten an dieser Breite einen hydrographischen Schnitt über den Ostgrönlandstrom hinweg. Insgesamt haben wir hiermit vier Schnitte an verschiedenen Breitengraden über diesen Strom vollendet, die uns Aussagen über die räumliche Struktur der Rezirkulation und die seitliche Einmischung des Atlantikwassers erlauben werden. Wir kehrten dann erneut in den Ostgrönlandstrom bei 78°50’N zurück, wo wir die auf dieser Reise zu Testzwecken ausgelegte Windenverankerung bergen und zusätzlich zwei für das GEOTRACES-Programm noch ausstehende Stationen absolvieren konnten.  Unsere nachfolgenden Versuche, zwei im Jahr 2012 ausgelegte Schallquellenverankerungen zu bergen, blieben leider erfolglos. Hiernach verließen wir das von Meereis bedeckte Gebiet des Ostgrönlandstroms in südwestlicher Richtung zum Knipovich-Rücken. Dort wurden als letztes großes Arbeitspaket der Expedition in kurzer Folge 13 Ozeanbodenseismometer ausgelegt, die die bereits in der ersten Expeditionswoche abgesetzten Geräte komplettieren.

Während der Expedition ist für die beiden Maschinenbauingenieure Keith Soal und Rosca de Waal der Forschungseisbrecher Polarstern selbst das Objekt der Forschung. Diese Arbeiten werden im Folgenden näher erläutert. Polarstern ist ein hervorragendes Beispiel für ein Schiff, das die Ansammlung unschätzbaren Wissens über die letzten 34 Jahre ermöglicht hat. Nachdem es aber noch so viel über unseren Planeten zu lernen gibt, besteht im Moment ein großes Interesse an neuen Polarforschungsschiffen. Daher bietet sich die Gelegenheit, gewisse Aspekte der Schiffskonstruktion durch ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden physikalischen Prozesse zu verbessern.

Das Ziel des Projektes ist die Charakterisierung der dynamischen Antwort des Schiffes auf die komplexe Wechselwirkung zwischen Eis und Schiffsstruktur und zwischen Wasser und Schiffsstruktur. Dies ermöglicht die Überwachung des Zustandes der Schiffsstruktur und eine Schätzung der  Ermüdungslebensdauer des Schiffsrumpfes und der Propellerwelle. Die Vorbereitungen für unsere Forschung fingen in der Werft in Bremerhaven an, wo Kabel und Sensoren installiert wurden, und wurden in Tromsö vor dem Auslaufen vollendet. Dieses Messsystem wurde dann während der Reise konfiguriert, getestet und in Gang gehalten. Wir konnten an Bord mit der Datenbearbeitung beginnen und stellten eine hohe Datenqualität und viele interessante Phänomene fest. Die ersten drei Biegemoden von Polarstern sind in Abb. 1 zu sehen und die ersten sechs Moden der Propellerblätter in Abb. 2. Um die Mechanismen hinter der dynamischen Antwort des Schiffes besser zu verstehen, wurden alle Betriebsparameter des Schiffes aufgezeichnet. Während der Eisfahrt machten wir visuelle Beobachtungen von der Brücke aus, um die Eisdicke, Konzentration und die Größe der Eisschollen zu schätzen. Die Datenbearbeitung wird weitergehen,  wenn wir zurück an Land sind. Wir sind sehr optimistisch, dass dieser umfassende Datensatz von großem Wert sein wird und die Gelegenheit bietet, wertvolle Einblicke in ein Schiff zu gewinnen, das den Test der Zeit bestanden hat.

Insgesamt haben wir eine in jeder Hinsicht spektakuläre Expedition hinter uns. Alle an Bord befindlichen Gruppen haben ihre Ziele erreichen und sogar übertreffen können. Dies konnte nur gelingen, weil auf der Expedition ein starker Zusammenhalt zwischen Wissenschaft und Schiffsbesatzung vorhanden war. Dass wir die bislang unbekannten Gewässer nahe des 79°N Gletschers erkunden durften, ist ein großes Geschenk. So entstand während der Expedition in vielen Momenten eine sehr greifbare Forschung, da wir entscheidende Elemente (den Gletscher, die Küstenlinie, in den Ozean steil abfallende Felsenküsten, Eisberge) vor Augen haben durften, während wir den Antworten auf unsere Forschungsfragen in der Wassersäule oder auf dem Meeresboden nachgingen.  Es ist mir nicht bekannt, dass dies in dieser Form anderen Expeditionen am 79°N Gletscher gelungen ist.

Ein großer Dank gebührt Kapitän Schwarze, der gesamten Besatzung der Polarstern, dem Heliservice International und dem Deutschen Wetterdienst. Es stimmte einfach alles.

 

Liebe Grüße von Bord,

 

Torsten Kanzow

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