PS124 - Wochenbericht Nr. 7 | 15. - 21. März 2021

Die Biogeochemie der Wassersäule

[22. März 2021] 

Das Südpolarmeer ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Es ist mit seinen Eisformationen und seiner Tierwelt nicht nur faszinierend schön, sondern für das Klima unserer Erde auch eine besonders wichtige Region.

Ein Aspekt, den wir diese Woche in den Fokus stellen, ist das Wechselspiel zwischen Nährstoffverfügbarkeit, biologischer Produktivität und Klima. Das Treibhausgas CO2, welches wir u.a. durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe produzieren, wird in großen Mengen im Ozean aufgenommen.

Dies geschieht vor allem durch Phytoplankton; einzellige Mikroalgen, die das CO2 aufnehmen und durch Photosynthese in Biomasse verwandeln. Nach dem Absterben des Planktons sinken die organischen Partikel nach unten, werden dabei durch Mikroorganismen wieder zu CO2 abgebaut, das dann im Wasser gelöst wird. Ein kleiner Teil des produzierten organischen Materials landet im Sediment, wo die Abbauprozesse weiter voranschreiten (Abb. 1). Der auf diese Art verursache Transfer von CO2 aus der Atmosphäre in den Ozean wird als biologische Kohlenstoffpumpe bezeichnet. Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass jährlich etwa 10 000.000.000 t Kohlenstoff vom Oberflächenwasser in die Tiefen des Ozeans transportiert werden. Der Ozean als gigantischer Kohlenstoffspeicher puffert also die Klimaerwärmung zu einem gewissen Grad ab.

Um zu wachsen, braucht Phytoplankton nicht nur Sonnenlicht und CO2, sondern auch Nährstoffe. Hauptnährstoffe wie Nitrat, Phosphat und Silikat sind im Südpolarmeer ausreichend vorhanden. Allerdings fehlt es dem Plankton an Mikronährstoffen wie Spurenmetalle und Vitamine (Abb. 2). Vor allem Eisen wurde in den letzten Jahren als limitierendes Element im Südozean beschrieben, obwohl es das vierthäufigste Element der Erdkruste ist. Im Ozean liegt es zumeist in einer Form vor, in der es vom Plankton nicht verwertet werden kann. Planktonblüten im Südpolarmeer sind auf die direkte Nachbarschaft des antarktischen Kontinents und der antarktischen Inseln beschränkt, von denen aus vermutlich pulsartig Eisen über Schmelzwasser, Eisberge oder Staub angeliefert wird. Die Konzentration von Eisen, die wir hier versuchen zu messen, entspricht in etwa der eines gelösten Zuckerwürfels im Bodensee. Jemand, der hier für Spurenmetalle beprobt, neigt vermutlich zwangsläufig zur Paranoia. Immerhin sitzen wir auf einem Eisbrecher aus Stahl und jedes Krümelchen Rost könnte Messwerte oder Experimente verfälschen.

Da die biologische Pumpe im Südozean mit ihren Auswirkungen auf unser Klima durch die Spurenmetallverfügbarkeit reguliert wird, ist es für Klimaprognosen wichtig, Informationen zu den Eisenquellen zu gewinnen. Auch ist es wichtig zu identifizieren, wie Phytoplankton mit prognostizierten Klimaveränderungen umgehen und es möglicherweise zu Artenverschiebungen kommt. Um diese Herausforderung zu stemmen, wurde vom AWI entsprechende Expertise aufgebaut und in Ausstattung investiert, die eine spurenmetallfreie Probenahme und -bearbeitung an Bord von Polarstern ermöglicht. Während sich bisherige PS-Fahrten auf die Beprobung von oberflächennahem Wasser konzentrierten, konnten wir nun zum ersten Mal unsere neue spurenmetallfreie CTD-Rosette einsetzen, die mit 24 Teflon-beschichteten GoFlo-Flaschen ausgestattet ist (Abb. 3). Dies ermöglicht uns, Daten für die gesamte Wassersäule zu gewinnen. Unser Team besteht aus Forschern, die auf Pelagische Primärproduktion sowie Marine Geochemie spezialisiert sind. Zudem arbeiten wir eng mit den Ozeanographen und Meereisphysikern zusammen wie auch mit der Gruppe, die die Stoffflüsse aus dem Sediment in die Wassersäule „unter die Lupe“ nimmt.

Eine vorhergesagte Zunahme der Winde an der Neumayer-Station III zwingt uns, einen Großteil der wissenschaftlichen Arbeiten vorzeitig zu beenden. Durch die Aufnahme von Fracht an der Station, müssen die Container der COSMUS Reise rechtzeitig gepackt, geschlossen und gestaut und die Labore aufgeräumt werden. Nachdem ein 1-km breiter Gürtel kompakten Meereises durchbrochen ist, erreicht Polarstern am Nachmittag des 17. März den Nordanleger der Station (Abb. 4). Da die Ladearbeiten erst am 18. März in der Früh beginnen sollen, können die Arbeitsgruppen Meereisphysik und Physikalische Ozeanographie noch Arbeiten auf dem Festeis der Atkabucht durchführen während der Rest die Zeit für ein kurzes Füßevertreten auf dem Schelfeis nutzt, denn CORONA bedingt fällt in diesem Jahr der obligatorische Besuch der Neumayer-Station III aus.  

Am Abend des 19. März sind sowohl Fracht, die Überwinterer der letzten Saison so wie das mit PS123 angereiste technische/wissenschaftliche Personal an Bord (Abb. 5).  Die durch das frühzeitige Ablegen ‚gewonnenen‘ Tage werden genutzt, um eine nahe gelegene Verankerung bei zunehmenden Winden und wachsenden Wellenkämmen aufzunehmen und die Position einer neuen BioGeoChemie Verankerung im zentralen Weddellmeer auszusteuern.

PS124 grüßt aus dem noch eisfreien aber dafür schaukligen nordöstlichen Weddellmeer, das mit einer Wassertiefe von mehr als 5000 m noch immer nicht alle seine Geheimnisse Preis gegeben hat. 

 

Hartmut H. Hellmer (Fahrtleiter)

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