Neue Studie modelliert stark reduzierten Permafrost

In Analogie zu möglichem Klima der Zukunft: Im warmen mittleren Pliozän war ein Großteil dauerhaft gefrorener oberflächennaher Böden abwesend
[28. August 2023] 

Viele Klimamodelle, die für Klimaprojektionen verwendet werden, können den Permafrost nicht dynamisch berücksichtigen. Eine neue Studie unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts hat jetzt erstmalig mit einem größeren Klimamodell-Ensemble aus 17 Modellen quantifiziert, wie Klimamodelle Permafrost in warmen Klimata abbilden. Ausgehend von einem Modellvergleich für eine vergangene Warmzeit im mittleren Pliozän vor etwa drei Millionen Jahren kommen die Forschenden in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences zu dem Schluss, dass die Ausdehnung oberflächennahen Permafrosts im Vergleich zur präindustriellen Zeit um mehr als 90 Prozent geringer war.

Permafrost ist ein wichtiges Element des Klimasystems - nicht nur für die Menschen, welche in Permafrostregionen leben und den negativen Einfluss schwindenden Eises auf vorhandene Infrastruktur erleben: Da Permafrost beim Tauen große Mengen Kohlenstoff freigibt, hat eine Verringerung der Permafrost-Vorkommen wiederrum einen erwärmenden Einfluss auf das globale Klima. Die Stabilität und Verbreitung von Permafrost, sowie die mit einem Rückgang verbundene Rückkopplung auf das globale Klima, berücksichtigen jedoch globale Klimamodelle bisher häufig nicht ausreichend. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Nansen-Zhu International Research Centre an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat jetzt die Verbreitung des Permafrosts in warmen Klimata das erste Mal mit einem größeren Klimamodell-Ensemble (17 PlioMIP2 Modelle) quantifiziert. Dabei betrachteten die Forschenden eine Warmzeit im mittleren Pliozän vor etwa drei Millionen Jahren - zu einer Zeit als Bedingungen ähnlich denen waren die unter dem SSP5-8.5 Szenario, das heißt bei ungebremster Nutzung fossiler Energieträger, zum Ende des 21. Jahrhunderts möglich sind.

„Unsere Studie legt den Fokus auf den Permafrost und nutzt das mittlere Pliozän als ein Laboratorium, um der Frage auf den Grund zu gehen, wie gut Modelle warme Klimazustände simulieren können“, sagt Dr. Christian Stepanek, Paläoklimaforscher am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Wir nutzen damit einen besonderen Vorteil, welchen uns die Paläoklimaforschung bietet: Wir müssen uns nicht auf Modelle verlassen, die allein anhand von Beobachtungsdaten von heute validiert wurden. Wir nutzen modellunabhängige Proxydaten aus Klimaarchiven als Referenz und können damit Modellunsicherheiten quantifizieren, bzw. die Schlussfolgerung aus den besonders gut abschneidenden Modellen besonders hervorheben“, erklärt Christian Stepanek und ergänzt: „Wärmere Klimazustände der Vergangenheit und der Zukunft können ganz andere Eigenschaften haben, als wir es von heute gewohnt sind. Ein Modell, das für heutiges Klima Resultate liefert, die zu den Beobachtungen passen, muss damit nicht zwangsläufig für die Zukunft belastbare Ergebnisse liefern. Daher ist es so wichtig, die Modelle auch im Rahmen vergangener warmer Klimata anzuwenden, um dadurch dann ein robusteres Verständnis der Dynamik eines sich erwärmenden Erdsystems zu gewinnen.“

Die Forschenden verknüpfen mit ihrer Arbeit die Verteilung von Permafrost zwischen zwei warmen Welten - Pliozän und Zukunft. Das erlaubt es, einen durch Proxydaten unterstützen Ausblick auf das Verhalten des Permafrosts in einer zukünftigen wärmeren Welt zu geben. Dies ist wichtig, da Permafrost-Verteilung und -stabilität enorme Relevanz für Klima und Gesellschaften haben. Das Forschungsteam war erstaunt, wie gering die Bandbreite der Unsicherheit in der Verbreitung des Permafrostes im mittleren Pliozän bei denjenigen Modellen ist, welche mit Proxydaten erfolgreich validiert wurden. Von dieser Erkenntnis ausgehend zeigen Modellläufe für das zukünftige Klima nichts Gutes: Nahe der Erdoberfläche könnte die Permafrostausdehnung unter dem Einfluss eines Klimas, wie es bei ungebremster Nutzung fossiler Energieträger für das Ende des 21. Jahrhunderts projiziert wird, um mehr als 70 Prozent zurückgehen.

Hintergrund:

PlioMIP2: Die zweite Phase des Pliocene Model Intercomparison Projects ist ein international koordiniertes Forschungsvorhaben in dem das Klima des Pliozäns, sowie die Sicherheiten und Unsicherheiten in unserem Wissen zu diesem Themengebiet, mittels einer Kombination von Modellsimulationen und Proxydaten untersucht werden. PlioMIP2 ist in das Paleoclimate Model Intercomparison Project integriert. Die darin geleistete Forschung trägt zu den Sachstandsberichten des IPCC bei.  

 

Originalpublikation:

Guo, D., Wang, H., Romanovsky, V. E., Haywood, A. M., Pepin, N., Salzmann, U., Sun, J., Yan, Q., Zhang, Z., Li, X., Otto-Bliesner, B. L., Feng, R., Lohmann, G., Stepanek, C., Abe-Ouchi, A., Chan, W.-L., Peltier, W. R., Chandan, D., von der Heydt, A. S., Contoux, C., Chandler, M. A., Tan, N., Zhang, Q., Hunter, S. J., and Kamae, Y.: Highly restricted near-surface permafrost extent during the mid-Pliocene warm period; Proceedings of the National Academy of Sciences, PNAS (2023). DOI: 10.1073/pnas.2301954120.

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