Enteisung kann den atmosphärischen CO2-Gehalt erhöhen

[23. November 2022] 

Mit dem Rückzug von Eisschilden beim Übergang vom letzten Glazial in die heutige Warmzeit wurden große Mengen alten organischen Materials freigesetzt und gelangten in den Ozean. Dieses stammt beispielsweise aus Ölschiefer, einem Gestein mit viel organischem Material, das als feines Gesteinsmehl von schmelzenden Gletschern zurückgelassen an die Atmosphäre gelangt, schließlich ins Meer transportiert wird und während dieser Exposition sehr schnell oxidiert werden kann. Die Freisetzung alten kohlenstoffhaltigen Materials von Land hat den atmosphärischen CO2-Gehalt in der Erdgeschichte um bis zu 12 ppm erhöht. Diese Ergebnisse veröffentlichen Forschende des Alfred-Wegener-Instituts jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications.

In der Arktis gelangen im Zuge der Klimaerwärmung immer größere Mengen an fossilem organischem Material in den Ozean, weil sich die Erosion der arktischen Küsten beschleunigt. Neben tauenden Permafrostböden haben Forschende vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) jetzt eine weitere Quelle für fossilen Kohlenstoff gefunden: die anstehenden kerogenhaltigen Gesteine wie zum Beispiel Ölschiefer. Als feines Gesteinsmehl werden sie von den abschmelzenden Gletschern freigesetzt und zum Teil ins Meer transportiert und können sehr schnell oxidiert werden.

Das Forschungsteam hat einen knapp sechs Meter langen Sedimentkern aus rund 1.200 Metern Wassertiefe vor dem Delta des Mackenzie River im Norden Kanadas analysiert, der die letzten 14.000 Jahre umfasst. Das Sedimentarchiv bildet damit den Übergang vom letzten Glazial vor etwa 20.000 Jahren in die heutige Warmzeit ab, die vor etwa 10.000 Jahren begann. „Die Daten aus diesem Sedimentarchiv weisen darauf hin, dass die oxidative Freisetzung von CO2 aus organikreichen Gesteinen im Übergang aus der letzten Eiszeit in die heutige Warmzeit eine bisher unberücksichtigte große Rolle gespielt hat,“ sagt Studienautorin Dr. Gesine Mollenhauer. Die AWI-Geochemikerin leitet das MICADAS 14 C-Labor (MIniCArbonDAtingSystem), in dem die Analysen stattfanden.

„Das Einzugsgebiet des Mackenzie Rivers war im Glazial vergletschert, so dass dort keine organikreichen tauenden Permafrostböden als Quelle zu erwarten sind,“ berichtet Gesine Mollenhauer. Lediglich an den Küsten westlich des Mackenzie sind solche Böden zu finden. Die AWI-Doktorandin Junjie Wu, Gesine Mollenhauer und ihr Team konnten mithilfe von Radiokarbonmessungen nun mehrere Phasen nachweisen, in denen große Mengen alten organischen Materials in den Ozean gelangten. „Diese gehen sowohl mit Maxima im Meeresspiegelanstieg vor ca. 14.000 und 11.000 Jahren einher als auch mit einem Flutereignis vor ca. 13.000 Jahren aus dem Mackenzie. Daraus schließen wir, dass auch eine inländische Quelle beizutragen scheint.“ Mit einem Kohlenstoffkreislauf-Modell hat das Team abgeschätzt, wie sich die Freisetzung auf den atmosphärischen CO2-Gehalt auswirken könnte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Freisetzung alten organischen Materials von Land den atmosphärischen CO2-Gehalt um bis zu 12 ppm erhöht und gleichzeitig dessen 14C-Signatur um ca. 12 ‰ abgesenkt hat.

Die neue Studie ermöglicht Vorhersagen, welchen zusätzlichen Treibhausgas-Ausstoß aus den tauenden Permafrost- und schmelzenden vereisten Regionen zu erwarten sind. „In Zeiten schnellen Eisschildschwunds in Grönland und in der Westantarktis könnte hier ein weiterer bisher übersehener Prozess der Treibhausgas-Freisetzung drohen“, ordnet Gesine Mollenhauer die Ergebnisse der Studie ein.

 

Originalpublikation:

Junjie Wu, Gesine Mollenhauer, Ruediger Stein, Peter Köhler, Jens Hefter, Kirsten Fahl, Hendrik Grotheer, Bingbing Wie, Seung-Il Nam: Deglacial release of petrogenic and perma- frost carbon from the Canadian Arctic impacting the carbon cycle, Nature Communications (2022). DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-022-34725-4

 

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