PS93.2 Wochenbericht Nr. 1 | 21. bis 26. Juli 2015

Alle Jahre wieder: „Gartenarbeiten“ im tiefen Arktischen Ozean

[28. Juli 2015] 

Am späten Abend des 21. Juli sind wir, insgesamt 46 Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Studenten aus insgesamt zehn Nationen, bei strahlendem Sonnenschein in Tromsø an Bord des Forschungseisbrechers „Polarstern“ gegangen, um den zweiten Fahrtabschnitt der Arktisexpedition PS93 anzutreten.

Nachdem die Vollständigkeit der Besatzung, des Gepäcks und der Fracht festgestellt wurde, verließ das Schiff seinen Liegeplatz für eine 3½-wöchige Forschungsfahrt, die uns in die Framstraße, der Passage zwischen Grönland und Spitzbergen führen wird.

Ziel unsere Reise ist ein weiteres Mal das LTER (Long-Term Ecological Research) Observatorium HAUSGARTEN, dass von uns alle Jahre wieder in den Sommermonaten aufgesucht wird. Seit mittlerweile 17 Jahren untersuchen wir hier, im Übergangsbereich zwischen dem Nord-Atlantik und dem zentralen arktischen Ozean, in einem multidisziplinären Ansatz den Einfluss globaler klimatischer Veränderungen und die Auswirkungen des fortschreitenden Rückgangs des Meereises auf das marine, polare Ökosystem.

Das HAUSGARTEN-Observatorium besteht aus einem weitverzweigten Netzwerk von mittlerweile 21 Stationen mit Wasserstiefen zwischen 250 und 5500 m, die alljährlich sowohl in der Wassersäule als auch am Meeresboden beprobt werden. Klimabedingte Veränderungen der Plankton-Zusammensetzung im Bereich des HAUSGARTEN werden durch die am AWI etablierte Arbeitsgruppe PEBCAO (Phytoplankton Ecology and Biogeochemistry in the Changing Arctic Ocean) untersucht. Die HGF Forschernachwuchsgruppe SEAPUMP (Seasonal and regional food web interactions with the biological pump) erfasst den Partikelfluß in die Tiefsee, während Veränderlichkeiten am Boden der Tiefsee durch die HGF-MPG Brückengruppe Tiefseeökologie und –Technologie untersucht werden.

Neben diesen ökologischen Untersuchungen wird die Expedition genutzt, um weitere Installationen im Rahmen der HGF Infrastrukturmaßnahme FRAM (Frontiers in Arctic marine Monitoring) vorzunehmen. Das FRAM Ocean Observing System wird kontinuierliche Untersuchungen von der Meeresoberfläche bis in die Tiefsee ermöglichen und zeitnah Daten zur Erdsystem-Dynamik sowie zu Klima- und Ökosystem-Veränderungen liefern. Im Rahmen des EU-Infrastrukturprojekts FixO3 (Fixed-point Open Ocean Observatories) gewährt die Expedition darüber hinaus europäischen Partnern den Zugang zum FRAM Ocean Observing System sowie logistische Unterstützung bei der Umsetzung externer und gemeinsamer Forschungsprojekte.

Unmittelbar nach dem Auslaufen wurde bereits mit der Einrichtung der Labore und dem Aufbau der unterschiedlichsten Mess-, Registrier- und Probenahmegeräte begonnen. Nach einer zwischenzeitlich recht stürmischen Anreise (und den üblichen Nebenwirkungen…) erreichten wir am frühen Morgen des 24. Juli die erste HAUSGARTEN-Station, an der zunächst hydrographische sowie meeres-chemische und -biologische Untersuchungen mit einer sog. CTD/Rosette durchgeführt wurden. Gefolgt wurden diese Probennahmen von optischen Messungen in der Wassersäule sowie verschiedenen Planktonhols. Zusätzlich wurden Tiefsee-Sedimente für biogeochemische und biologische Untersuchungen mit einem Bodengreifer gewonnen und ein Kamerasystem eingesetzt, mit dem Organismen auf dem Meeresboden großflächig erfasst werden können. All diese Messwerterfassungen und Probennahmen werden sich auf sämtlichen HAUSGARTEN-Stationen wiederholen, um auf diese Weise letztlich ein Bild über die ökologischen Verhältnisse in der Framstraße im Sommer 2015 generieren können.

Das Highlight der ersten Woche war zweifellos ein Tauchgang mit einem ferngesteuerten Unterwasser-Roboter, dem ROV (Remotely Operated Vehicle) QUEST 4000 des Zentrums für marine Umweltwissenschaften MARUM in Bremen. Der Tauchgang wurde genutzt um ein Experiment am Meeresboden in 2300 m Wassertiefe zu beproben, welches vor zwei Jahren während einer Forschungsfahrt mit der „Maria S. Merian“ ausgebracht wurde. Bei diesem Experiment ging es darum, die Durchmischung der oberen Sedimenthorizonte durch bodenbewohnenden Organismen, die sog. Bioturbation, zu quantifizieren. Bioturbationsraten sind von großem Interesse, da sie einen erheblichen Einfluss auf die biogeochemischen Umsatzprozesse am Meeresboden haben.

In den nächsten Wochenberichten werde ich unsere ökologischen Langzeituntersuchungen und die Vielzahl der von uns eingesetzten Technologien dann im Detail vorstellen.

Mit den besten Grüßen von den Expeditionsteilnehmern,

Thomas Soltwedel

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