Arktisches Meereis: Eine verhängnisvolle Kettenreaktion

Dr. Thomas Krumpen, Meereisphysiker und Experte für Satellitenanalysen am Alfred-Wegener-Institut.

Meereis

Satellitenanalyse

Arktischer Ozean

IceBird

Die Meereisflächen in der Arktis schmelzen in den Sommermonaten immer stärker ab. Um herauszufinden, ob und wie sich dieser Trend fortsetzt, müssen wir zunächst all jene Prozesse besser verstehen, die an der Entstehung und am Verschwinden des Meereises beteiligt sind. Mit diesem Ziel vor Augen, erforschen wir am AWI vor allem die Dicke und Oberflächenbeschaffenheit des arktischen Meereises. Beide Eigenschaften vermessen wir in mehreren Schlüsselregionen des Arktischen Ozeans mit autonomen Bojen, auf regelmäßigen Hubschrauber- und Flugzeugmesskampagnen sowie mithilfe von Satelliten.

Unsere gesammelten Daten gelten mittlerweile als einer der wichtigsten Referenzdatensätze zur Entwicklung der arktischen Meereisbedeckung weltweit. Unsere Erhebungen zeigen, dass die Dicke des Meereises, welches den Arktischen Ozean Richtung Nordatlantik verlässt, seit dem Jahr 2001 stetig abgenommen hat. Gründe für diese beobachtete Ausdünnung gibt es mehrere: Zum einem führen die steigenden Luft- und Wassertemperaturen in der russischen Arktis dazu, dass im Sommer das Meereis großflächig schmilzt und die Bildung neuen Eises im Herbst erst deutlich später beginnt, als dies früher der Fall war. Zum anderen beschleunigt sich die Meereisdrift. Das heißt, die Eisschollen – angetrieben durch Wind und Meeresströmungen – benötigen weniger Zeit, um die Arktis zu durchqueren. Sie haben somit auch weniger Zeit, zu wachsen. Infolgedessen ist das Meereis heutzutage deutlich dünner, jünger und beweglicher als es früher war, was dazu führt, dass Wind und Wellen ein leichteres Spiel haben und sogar in der Lage sind, das Oberflächenwasser des Ozeans zu durchmischen. Dadurch wiederum kann unter Umständen warmes Wasser aus der Tiefe aufsteigen, welches dem Meereis dann zusätzlich von unten zusetzt.

Am AWI untersuchen wir, wie all diese Prozesse ineinandergreifen und sich gegebenenfalls in ihrer Wirkung verstärken. Unser Ziel lautet, die künftige Entwicklung der arktischen Meereisdecke bestmöglich vorherzusagen. Schließlich schrumpft mit ihr nicht nur einer der wichtigsten Bausteine im Klimasystem der Erde, sondern auch ein einzigartiger Lebensraum.