PS93.2 Wochenbericht Nr. 4 | 10. August bis 15. August 2015

Mit Hochtechnologie in die tiefe See

[14. August 2015] 

Dieses ist der vierte und letzte Wochenbericht einer technisch und logistisch sehr anspruchsvollen Expedition zu unserem LTER (Long-Term Ecological Research) Observatorium HAUSGARTEN

Neben „traditionellen“ Geräten zur Erforschung des tiefen Ozeans wie z. B. Wasserschöpfern, Planktonnetzen, Bodengreifern, Verankerungsketten und Freifallgeräten, kamen auch ein großer, tieftauchender Unterwasserroboter (Remotely Operated Vehicle, ROV), ein autonomes Unterwasserfahrzeug (Autonomous Underwater Vehicle, AUV), verschiedene unbemannte, zeitweise autonom agierende Fluggeräte (Unmanned Aerial Vehicles, UAV) und – nicht zu vergessen – die Hubschrauber von „Polarstern“ zum Einsatz. Das gesamte Schiff war mit den unterschiedlichsten Großgeräten belegt und das Hin und Her dieser Geräte auf dem Arbeitsdeck, um einzelne Systeme für ihren Einsatz vorzubereiten, erinnerte phasenweise an das gute alte Computerspiel TETRIS – nun endlich zahlt es sich aus, dass wir seinerzeit so viel Zeit mit diesem Spiel verbrachten.

Eine Besonderheit dieser Expedition war die Zusammenführung verschiedener High-Tech-Geräte in gemeinsamen Messkampagnen. So wurden z. B. für die Untersuchungen im Übergangsbereich zwischen dem offenen Ozean und dem weniger salzreichen Umgebungswasser des schmelzenden Meereises zeitgleich sowohl das Schiff bzw. spezielle Schiffseinrichtungen, als auch das AUV und einer der Helikopter eingesetzt. Mit dem Salinometer der „Polarstern“ wurde die Schmelzwasserfront detektiert, das AUV durchquerte diese Zone darauf hin mehrfach, um verschiedenste Messungen und Probennahmen durchzuführen und der mit zwei speziellen Kameras ausgestattete Helikopter kartierte gleichzeitig großflächig die Struktur des Meereises im Untersuchungsgebiet. Die gesamte Mission dauerte fast 11 Stunden und erbrachte einen umfassenden und extrem interessanten Datensatz, der nun in den nächsten Wochen analysiert wird.

Auf der aktuellen Expedition wurde allerdings nicht nur auf bereits existierende und bewährte Technologie zurückgegriffen, die Reise gab uns auch die Gelegenheit Neuentwicklungen zu testen. So kam im Rahmen eines nationalen Großprojekts (ROBEX – Robotische Exploration unter Extrembedingungen), in dem Experten aus der Weltraumforschung und der Tiefseeforschung eng zusammenarbeiten, erstmals ein Tiefsee-Druckgehäuse aus Beton (!) zum Einsatz. Das mag zunächst einmal etwas verrückt klingen, weil solche Druckgehäuse üblicherweise aus Edelstahl oder Titan hergestellt werden. Metallgehäuse sind allerdings vergleichsweise teuer, so dass stets nach alternativen, günstigeren Werkstoffen gesucht wurde - Beton ist möglicherweise die Lösung. Beim Werkstoff für die Druckgehäuse handelt es sich allerdings nicht um den Standard-Beton, den wir alle für wenig Geld im Baumarkt kaufen können. Erst die Zumischung eines speziellen Silikatpulvers sorgt für die nötige Druckstabilität. Nach verschiedenen Drucktests an Land haben wir auf der laufenden Expedition eines dieser Betongehäuse mit einem Freifallgerät in einer Wassertiefe von 2500 m abgesetzt. Das Gehäuse wird nun für ein Jahr in der Tiefsee verbleiben, bevor es dann während unserer nächsten Reise in den HAUSGARTEN im Sommer 2016 wieder geborgen wird. Wir sind jetzt schon gespannt, wie das Betongehäuse diesen Langzeittest verkraftet.

Am Mittwoch, den 12. August haben wir Kurs auf Tromsø genommen, wo die Expedition am späten Abend des 14. August enden wird. Während dieser Reise wurden Unmengen physikalischer, geochemischer und biologischer Daten gewonnen, die den Datensatz unserer Langzeituntersuchungen erweitern werden und uns helfen werden, die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels auf das arktische Ökosystem besser verstehen zu können. Im Namen aller Expeditionsteilnehmer bedanke ich mich bei Kapitän Thomas Wunderlich und seiner Mannschaft für ihre Gastfreundschaft, die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die großartige Atmosphäre an Bord. Der Polarstern-Besatzung und dem HeliService-Team gilt unser tief empfundener Dank für die hervorragende Unterstützung, die wir auf dieser Reise erfahren haben.

Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit der Familie, den Freunden und Bekannten und hoffen auf sommerliche Wärme nach unserer Rückkehr.

Mit den besten Grüßen von Bord,

Thomas Soltwedel

Kontakt

Wissenschaftliche Koordination

Rainer Knust
+49(471)4831-1709
Rainer Knust

Assistenz

Sanne Bochert
+49(471)4831-1859
Sanne Bochert