Böden sind ein wichtiger Bestandteil von Ökosystemen. Das Zusammenspiel von Klima, Vegetationsbedeckung und Bodenbildung ist jedoch noch unzureichend erforscht, auch weil Zeitreihen fehlen, die zeigen, wie sich die wichtigsten Bodenprozesse langfristig über mehrere tausend Jahre entwickelt haben. Ein Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts konnte nun diese Datenlücke schließen, in dem es erstmals aus Sedimentproben des Lama-Sees in Nord-Sibirien alte DNA von Pflanzen, Pilzen und Bakterien analysierte. Die Daten zeigen, wie sich in der Arktis während der letzten 23.000 Jahre Ökosysteme verändert haben und Boden gebildet wurde – und dass diese Art der DNA-Analyse mehr kann, als bisher angenommen. Die Ergebnisse stellen die Forschenden in der Fachzeitschrift Science Advances vor.
Als sich am Ende der letzten Eiszeit die Gletscher zurückzogen, hatte das großen Einfluss auf die Vegetation. Wie genau sich der Boden in der ersten Zeit ohne Eis gebildet und auf klimabedingte Vegetationsänderungen reagiert hat, ist jedoch noch weitgehend unerforscht und bislang nur auf größerer geographischer Ebene untersuchbar. „Es ist aber absolut notwendig, die lokalen Veränderungen des Bodens und der Vegetation und die damit zusammenhängenden Triebkräfte zu verstehen. Nur so können wir wirksame Entscheidungen treffen, um Ökosystemleistungen von heutigen Böden, wie etwa die Nahrungsmittelproduktion, zu sichern und stabilisieren“, sagt Erstautorin Barbara von Hippel, aus der Sektion Polare Terrestrische Umweltsysteme des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI).

Deshalb haben die AWI-Forschenden alte DNA aus Seesedimentkernen aus dem Lama-See in Nordsibirien untersucht. Anhand der im Sediment abgelagerten DNA von Pflanzen, Bakterien und Pilzen waren sie in der Lage zu rekonstruieren, wie der Boden am Ende der letzten Eiszeit entstanden ist und wie er sich unter dem natürlichen Klimawandel während des Wechsels zur Warmzeit verändert hat. „Wir konnten sehen, wie die Baumgrenze nach Norden wandert und wie sich die Zusammensetzung der Boden-Mikroorganismen verändert hat“, sagt Barbara von Hippel. Überraschenderweise hat vor allem die Vegetation die Zusammensetzung der Boden-Communities sowie die Entstehung von Boden gesteuert: „Unsere Daten zeigen, dass sich die Vegetation am stärksten auf die Pilz- und Bakterienzusammensetzung auswirkt, gefolgt von der Temperatur und dann erst von der vergangenen Zeit.“
Nach dem Rückzug der Gletscher, haben also vor allem eher umweltbedingte Prozesse die Bodenentwicklung aktiv angetrieben, der Lauf der Zeit spielte eine eher geringe Rolle. Das ist wichtig, um in Zukunft bessere Prognosen darüber machen zu können, wie sich unter dem fortschreitenden Klimawandel Habitate verändern und Baumgrenzen verschieben.

Die Studie legt überdies noch einen weiteren wichtigen Grundstein: Sie hilft zu verstehen, wie die Verwitterung von Basalt auf großen Zeitskalen abläuft. Durch verwitterndes Basaltgestein wird Kohlenstoff gebunden, weshalb die Studie zum Verständnis der Kohlenstoff-Speicherung im Boden beitragen kann. Mit dem Rückzug der Gletscher und durch Schmelzwasserströme sowie Flechtenbewuchs verwitterte das basaltische Grundgestein rund um den Lama-See. „Es gibt einige Ideen und Projekte, die Verwitterung von Basalt zu nutzen, um Kohlenstoff in Agrarböden zu speichern“, sagt Barbara von Hippel. „Hierfür ist es jedoch wichtig, die langfristigen Auswirkungen auf Pflanzen und Böden mitzudenken. Mit unseren Ergebnissen ermöglichen wir einen Blick in die Vergangenheit, der ein genaueres Bild dieser Prozesse zeichnet, womit wiederum ermöglicht wird, solche Strategien in Zukunft anzupassen.“
Was die AWI Forschenden zeigen konnten ist, dass viel mehr Potential in der Analyse von alter Bakterien- und Pilz-DNA liegt als bisher angenommen: „Bislang lag der Fokus bei solchen Studien vor allem auf Pflanzen- und Säugetier-DNA, da diese in der Moderne besser sequenziert und charakterisiert ist.“ Alte DNA aus Seesedimenten hat das Potential, um ganze Ökosysteme, Langzeitklimawandel und seine Auswirkungen zu verstehen.
Originalpublikation
Barbara von Hippel et al. ,Postglacial bioweathering, soil nutrient cycling, and podzolization from palaeometagenomics of plants, fungi, and bacteria.Sci. Adv.11,eadj5527(2025).DOI:10.1126/sciadv.adj5527