Pressemitteilung

Giftmörderin mit Appetit

[09. Juli 2003] 

Die Stoffwechselprodukte der Alge Prymnesium sind tödlich für ihre Feinde
Die gerade ein hundertstel Millimeter messende, einzellige Alge Prymnesium parvum tötet ihre Feinde durch Gift und frisst die Opfer anschließend auf. Während in der Regel die Rolle von Konsumenten und ihrem Futter in der Natur klar verteilt ist, dreht die im Wasser schwebende Alge durch den Einsatz chemischer Waffen den Spieß einfach um.

Einzellige Algen dienen normalerweise einer Vielzahl verschiedener Tiere als Futter. Auch Populationen der Alge Prymnesium parvum können von Räubern wie dem einzelligen Geißeltierchen Oxyrrhis marina binnen weniger Tage vollständig aufgefressen werden, wie Forscher am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) jetzt im Labor nachweisen konnten. Produziert die Alge dagegen ihr Gift, entsteht eine gänzlich andere Situation. „Die von Prymnesium ins Wasser abgegebenen Gifte greifen offensichtlich die Zellmembran anderer Einzeller an. Es setzt ein Prozess ein, bei dem die Zelle zuerst ihre Beweglichkeit verliert, dann ihre Form, und letztendlich vollständig zerfällt“, erklärt Dr. Urban Tillmann vom AWI die chemischen Waffen der Alge. „Dermaßen befreit von jeglicher Fraßkontrolle kann Prymnesium zu enormen Dichten heranwachsen.“

Darüber hinaus ist die Alge, die ihre Energie normalerweise über Photosynthese aus dem Sonnenlicht bezieht, in der Lage, Nahrungspartikel aufzunehmen. „Ganze Horden von Algen machen sich so über die dreimal größeren Leichen von Oxyrrhis Geißeltierchen her und verzehren sie Stück für Stück.“ Tillmann sieht einen doppelten Nutzen in dieser Strategie: „Zum einen werden Fressfeinde eliminiert, zum anderen werden aus deren Zellen noch Energie und Nährstoffe für das eigene Wachstum gewonnen.“
Wann und unter welchen Bedingungen die Alge ihr Gift produziert, ist noch wenig verstanden. Der Forscher sieht in der Giftproduktion jedoch eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der gefürchteten Algenblüten von Prymnesium. Das Gift der hauptsächlich im Brackwasser vorkommenden, weltweit verbreiteten Alge wirkt auch auf Fische tödlich, sie ist neben anderen giftigen Algen für Fischsterben verantwortlich.

Bremerhaven, den 9. Juli 2003

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Das Alfred-Wegener-Institut forscht in den Polarregionen und Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Als eines von 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft koordiniert es Deutschlands Polarforschung und stellt Schiffe wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen für die internationale Wissenschaft zur Verfügung.