PS109 - Wochenbericht Nr. 1 | 12. - 17. September 2017

Die Vorboten Grönlands

[19. September 2017] 

Am Nachmittag des 12. September verließ der Forschungseisbrecher Polarstern den Hafen von Tromsø. Mit an Bord sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sieben Nationen, die das Spektrum von Physikalischer Ozeanographie, Geochemie, Glaziologie, Geodäsie, Geologie, Geophysik, Atmosphärenphysik- und Chemie sowie Biologie und Biogeochemie abdecken. Auf der Expedition “Greenland ice sheet/ocean interaction” (GRISO) sollen die komplexen physikalischen Wechselwirkungen zwischen dem Ozean und dem Eisschild in Nordostgrönland sowie deren Auswirkungen auf das marine Ökosystem erforscht werden.

Zunächst jedoch stand zu Beginn der Reise ein seismologisches Experiment an einem langgezogenen untermeerischen Gebirge - dem Knipovich Rücken – im Mittelpunkt. Hier driften die Kontinente Nordamerika und Eurasien so langsam auseinander, dass kaum genug Schmelze entsteht, um die Lücke zu füllen. Als Resultat entstehen an einigen Stellen riesige Vulkane mit einer mächtigen Lavaschicht, während dazwischen der Erdmantel an den Meeresboden befördert wird. Um besser zu verstehen, wie neuer Ozeanboden an diesen ultralangsamen Rücken entsteht, zeichnen wir kleinste Erdbeben auf, die diesen Prozess begleiten. Bei unruhiger See und starkem Wind wurden in dieser Woche 4 Ozeanbodenseismometer nahe der Rückenachse ausgebracht. Aus den Tiefen der Erdbebenherde können wir dann auf die Mächtigkeit der jungen Ozeanlithosphäre schließen und ihre Temperatur bestimmen. Die Erdbebenverteilung wird uns aktive Störungen anzeigen und Bereiche, in denen die neue Lithosphäre sich ganz ohne Erdbeben bewegen kann. Zusammen mit 23 im letzten Jahr ausgelegten Ozeanbodenseismometern sollen die 4 hier ausgelegten Geräte im Oktober von FS Merian geborgen werden, um neuartige Daten aus der Tiefe ans Licht zu bringen.

Nach Abschluss der seismologischen Arbeiten führte uns der Weg in die Framstraße – die Meeresenge zwischen dem Europäischen Nordmeer und dem Nordpolarmeer. Entlang des Greenwich-Meridians gelangten wir in die Eisrandzone hinein bis 80°50’N nach Norden – dem nördlichsten Punkt den diese Expedition ansteuern wird.  Entlang der Fahrtroute wurden Messungen der Hydrographie und der Zirkulation vorgenommen und Wasserproben genommen.

In der östlichen Framstraße führt der Westspitzbergenstrom als Verlängerung des Systems Golfstrom – Nordatlantikstrom warmes, salzhaltiges Wasser gen Norden. Während ein Teil des Wassers seinen Weg ins Nordpolarmeer fortsetzt, verlässt ein erheblicher Teil den Westspitzbergenstrom im Bereich der Framstraße nach Westen, um dann auf der Westseite dieser Meeresenge seine Rückreise gen Süden anzutreten. Diese Querzirkulation ist bislang wenig erforscht, spielt aber eine zentrale Rolle für die Forschungsfragen unserer Expedition. Die Stärke der Querzirkulation  entscheidet letztlich darüber, welche Menge an ozeanischer Wärme auf den Schelf von Nordostgrönland einströmen kann, um dort zum Abschmelzen der marinen Auslassgletscher beizutragen.

Mittlerweile haben wir den Ostgrönlandstrom überquert und befinden uns auf dem Schelf von Nordostgrönland. Hier kündigt uns die Sicht auf erste Eisberge die Nähe der grönländischen Küste an. Das Team der Meereisbiologen an Bord beabsichtigt, mit dem sogenannten Bongonetz Polardorschlarven nahe des Grönlandschelfs zu fischen. Zwei mal kam das Netz schon zum Einsatz. Das Ziel ist es, genetische Unterschiede zwischen verschiedenen arktischen Polardorschpopulationen zu erfassen und mehr über die Diversität und Anpassungsfähigkeit des Polardorschs zu erfahren. Bei der starken Veränderung des Arktischen Ozeans erhoffen sich die Biologen, Vorhersagen über die zukünftige Verbreitung des Polardorschs treffen und somit den Grundstein zu ihrem Schutz liefern zu können.

 

Herzliche Grüße von Bord senden,

Torsten Kanzow, Michaela Meier, Julia Ehrlich und Sarah Maes

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