Was die Wissenschaft über den Kohlenstoffkreislauf im Permafrost weiß

AWI-Forschende stellen eine Übersicht zusammen, die zeigt, welche Erkenntnisse die Wissenschaft in den letzten 20 Jahren gewonnen hat
[28. März 2024] 

Permafrost tritt viel häufiger auf, als man denkt: Etwa 15 Prozent der Landfläche in der nördlichen Hemisphäre sind dauerhaft gefroren. Wie in einer gigantischen Tiefkühltruhe sind im Permafrost Pflanzenreste aus vergangenen Eiszeiten eingefroren – und mit ihnen außerordentlich große Mengen Kohlenstoff. Tauen die Böden, gelangt dieser als Treibhausgase in die Atmosphäre. Deshalb ist es so wichtig, die komplexen Prozesse im Permafrost zu verstehen. Forschende des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) haben nun einen Überblick zusammengestellt, über die Erkenntnisse, die die Wissenschaft in den letzten 20 Jahren zu Kohlenstoffvorrat und -flüssen im Permafrost erreicht hat. Was wir bisher wissen und warum ein Umdenken in der Wissenschaft stattfinden muss, stellen die Forschenden in Journal of Geophysical Research: Biogeosciences vor.

Permafrostböden sind oft reich an Kohlenstoff. Forschende schätzen, dass etwa 1024 Gigatonnen hier eingefroren sind. Zum Vergleich: In der gesamten Atmosphäre befinden sich derzeit rund 20 Prozent weniger Kohlenstoff als im Permafrost. Der Klimawandel und das damit verbundene Auftauen der Böden könnten jedoch dazu führen, dass Permafrost-Regionen Kohlenstoff im Allgemeinen ausstoßen und nicht mehr aufnehmen – mit schwerwiegenden Folgen für das globale Klima. Zahlreiche Studien haben über die letzten Jahrzehnte wichtige Faktoren identifiziert, die den Kohlenstoffkreislauf im Permafrost beeinflussen, darunter zum Beispiel Veränderungen in der Vegetation, den Temperaturen oder bei Waldbränden. Ein Forschungsteam des AWI hat nun eine Übersicht erstellt, die wichtige Erkenntnisse sowie neue Modellierungen zusammenführt und die bedeutenden Fortschritte in der Wissenschaft des Permafrost-Kohlenstoffkreislauf hervorhebt. 

Durch die neuesten Fortschritte in der Wissenschaft können nun die Kohlendioxid- und Methanflüsse nahezu kontinuierlich im gesamten Permafrost-Gebiet aufgezeichnet werden. Mit diesen hochaufgelösten Daten werden Machine-Learning-Modelle „gefüttert“, die eine viel präzisere Abbildung dieser hochkomplexen Ökosysteme als je zuvor ermöglichen. „Wir können nun räumliche Trends ermitteln, beim Austausch von Kohlendioxid und Methan, zwischen Permafrost-Ökosystemen und der Atmosphäre“, sagt Claire Treat, Permafrost-Forscherin am AWI. „So können wir Wissens- und Forschungslücken finden, die wir schließen müssen, um die Treibhausgas-Emissionen aus Permafrost-Regionen besser abzuschätzen.“ Das ist wichtig, denn insgesamt zeigen die Studien der letzten Jahre, dass große Mengen Kohlenstoff aus den dauergefrorenen Böden in die Atmosphäre gelangen, während sie nur wenig Kohlenstoff aufnehmen. 

Vor allem das Auftauen des Permafrosts beeinflusst den Kohlenstoffkreislauf, nicht nur allmählich, in dem der Kohlenstoff nach und nach aus den Böden freigesetzt wird, sondern auch abrupt, zum Beispiel durch Waldbrände, die noch mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre bringen. Auch Methan, das stärker als bisher gedacht aus dem Permafrost entweicht, steht zunehmend im Fokus wissenschaftlicher Beobachtungen: Studien der letzten Jahre untersuchen neue Hotspots wie thermogene Schlote und Krater sowie Coldspots (Gebiete mit hohen Aufnahmeraten). Da sich die Arktis bis zu viermal schneller erwärmt als der globale Durchschnitt und der Permafrost in einigen Teilen der Region schneller auftaut als prognostiziert, können auch potenziell neue Ökosysteme entstehen: „Die Erderwärmung und das Tauen der Böden verschieben das Mikroklima und die Chemie des Bodens. Das verändert die Vegetation und Schlüsselprozesse, die das Permafrost-Klima beeinflussen“, sagt Claire Treat.

Damit neue Erkenntnisse aus den Beobachtungen der letzten Jahre zuverlässig in die Modellierung und Vorhersage des Kohlenstoffkreislaufes im Permafrost – und so schließlich in die Politik – einfließen können, müssen Feld-, Fernerkundungs- und Modellierungsdaten verbunden werden. In den letzten 20 Jahren sind daher traditionell getrennte Disziplinen wie Ökologie, Biogeochemie, Atmosphärenforschung, Hydrologie, Geophysik oder Modellierung immer enger zusammengewachsen. „Dadurch konnten wir enorme Fortschritte in der Erforschung des Kohlenstoffkreislaufs in Permafrost-Gebieten sowie den Rückkopplungen mit dem Klima erzielen. Es ist wichtig, verschiedene Ansätze zu koordinieren und zu kombinieren, einschließlich Modellierung und In-situ-Messungen“, erklärt Claire Treat. Die Übersicht, die sie zusammengestellt hat, unterstreicht die Bedeutung langfristiger Messungen. „Es muss ein notwendiges Umdenken stattfinden: Permafrost muss als eine dynamische Region betrachtet werden, mit natürlichen und vom Menschen verursachten Störungen, die in Zukunft wahrscheinlich noch zunehmen werden. Die Koordinierung mit den lokalen Kommunen und das Verständnis der menschlichen Interaktionen mit der natürlichen Welt in dieser Umgebung werden immer wichtiger.“


Originalpublikation

Treat, C. C., Virkkala, A.‐M., Burke, E., Bruhwiler, L., Chatterjee, A., Fisher, J. B., et al. (2024). Permafrost carbon: Progress on understanding stocks and fluxes across northern terrestrial ecosystems. Journal of Geophysical Research: Biogeosciences, 129, e2023JG007638. https://doi.org/10.1029/2023JG007638

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