Synthetisches Methanol als maritimer Kraftstoff für die Schifffahrt aus Bremerhaven

Großprojekt MariSynFuel startet im Januar 2023 in Bremerhaven
[12. Januar 2023] 

Für die Entwicklung von synthetischem Methanol für die Schifffahrt stehen jetzt 6,5 Millionen Euro aus dem Programm „Entwicklung regenerative Kraftstoffe“ des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) zur Verfügung. Das Technologie-Transfer-Zentrum (ttz) Bremerhaven hat die Mittel gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und den Unternehmen UTG Unabhängige Tanklogistik GmbH, Green Fuels GmbH und der Reederei F. Laeisz erfolgreich akquiriert. Sie dienen der Entwicklung einer Technologie zur Herstellung von synthetischem Methanol als Kraftstoff für die Schifffahrt in Bremerhaven. Zahlreiche weitere Unternehmen und Institutionen aus der Region unterstützen das Projekt.

„Das Projekt verfolgt das Leitziel, flüssige, synthetische Kraftstoffe für die Schifffahrt zu etablieren, um die CO2-Emissionen fossiler Energieträger durch wasserstoffbasierte Energieträger zu vermeiden. Dabei wird die Bereitstellung von grünem Wasserstoff und recyceltem CO2 in ausreichenden Mengen vorausgesetzt und der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur als essentiell betrachtet“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Gerhard Schories, Institutsleiter beim ttz Bremerhaven. Kern des Vorhabens ist die Entwicklung und der Aufbau einer Anlage zur synthetischen („grünen“) Methanolherstellung im Demonstrationsmaßstab in Bremerhaven und die direkte Verwendung des Kraftstoffes für das neu gebaute Forschungsschiff „Uthörn“ vom Alfred-Wegener-Institut. Das Schiff ist mit zwei zur Methanolverbrennung umgerüsteten Dieselmotoren ausgestattet, wurde im November 2022 getauft und soll nach Restarbeiten und Erprobungen im Frühjahr 2023 in den Dienst gestellt werden.

Klimaneutrale Lösung dank „grünem“ Methanol

„Wir wollen für die Herstellung von grünem Methanol ein kürzlich im ttz Bremerhaven entwickeltes Verfahren zur Bereitstellung von CO2 nutzen. Hierbei wird das CO2 mineralisch gebunden und Abwärme der Methanolsynthese als Energiequelle genutzt“, schildert Schories.

Da Methanol gute Lager- und Transporteigenschaften besitzt, hat es im Vergleich zu beispielsweise reinem Wasserstoff oder Ammoniak zahlreiche Vorteile bei Lagerung und Handling. Auch ist es gut biologisch abbaubar, wichtig im Falle von Havarien auf See oder im Hafen. Zusätzlich können bestehende Tanklager und Tanktransporter mit wenig Aufwand umgerüstet und weiter genutzt werden. Die geplante Demonstrationsanlage soll mindestens 500 kg synthetisches Methanol am Tag produzieren. Zur Gewährleistung des Betriebs der Methanolsyntheseanlage und der Abnahme des hergestellten Methanols wird im Rahmen des Projektes ein Be- und Vertriebskonzept erstellt. Somit kann auch eine wirtschaftliche Betrachtung und die Erstellung eines Business Plans gewährleistet und eine Kostenreduktion der Herstellung von grünem Methanol berücksichtigt werden. Um den Kreislauf zu schließen, ist die Methanolproduktion an den Kraftstoffverbräuchen des Neubaus des Forschungsschiffes „Uthörn“ ausgerichtet und kann dort direkte Anwendung finden.

Leuchtturmprojekt für den Seehafen am Standort Bremerhaven

Bremerhaven ist zweitgrößter Seehafen in Deutschland. Dieses Vorhaben kann somit als Leuchtturmprojekt in Bremerhaven dienen und den Ausbau und Markthochlauf der Technologie unterstützen. Die Erzeugung und Vermarktung von synthetischen Kraftstoffen am Standort Bremerhaven ist ein erster, erforderlicher Schritt in eine nachhaltigere und lokale Energieträgerversorgung und trägt zudem dazu bei, von Importen fossiler Energieträger künftig unabhängiger zu werden.

Alle am Projekt beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind in Bremerhaven ansässig und so können regionale Potenziale gehoben sowie Synergien optimal genutzt werden. Die Nachfrage nach synthetischen Kraftstoffen wird vor allem in den Seehäfen in den kommenden Jahren stetig steigen, da künftig immer mehr Seeschiffe mit einem derartigen Antrieb ausgestattet werden und von einem sich verändernden Bunkerverhalten (häufigere Aufnahme von Kraftstoff aufgrund reduzierter Reichweiten) der Seeschifffahrt auszugehen ist. Somit kann dieses Vorhaben in vielerlei Hinsicht als Blaupause dienen. Es besteht eine generelle Übertragbarkeit für andere Hafenstädte mit ähnlichen Anwendungsgebieten und infrastrukturellen Gegebenheiten. Zudem kann dieses Projekt als Konzept für die Herstellung und Anwendung weiterer E-Fuels, wie E-Diesel angesehen werden. Zugleich erfolgt die Stärkung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Bremerhaven sowie die Beschleunigung der Dekarbonisierung im Verkehrsbereich, in diesem Fall der Seeschifffahrt. „In den nächsten vier Jahren werden wir uns mit den Kooperationspartnern von MariSynFuel diesen Themen widmen und freuen uns, dafür die Mittel aus Berlin nach Bremerhaven gelotst zu haben“, freut sich Schories über den im Januar 2023 erfolgten Projektstart.

Das Projekt MariSynFuel wird im Rahmen des Gesamtkonzepts Erneuerbare Kraftstoffe mit insgesamt 6.586.425 Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Die Förderrichtlinie für die Entwicklung regenerativer Kraftstoffe wird von der NOW GmbH koordiniert und durch die Projektträger VDI/VDE Innovation + Technik GmbH sowie die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. umgesetzt.

Projektbeteiligte Unternehmen und Forschungseinrichtungen

Das ttz Bremerhaven versteht sich als innovativer Forschungsdienstleister und betreibt anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung. Unter dem Dach des ttz Bremerhaven arbeitet ein internationales Experten-Team in den Bereichen Lebensmittel und Ressourceneffizienz.

Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) arbeitet vor allem in den kalten und gemäßigten Regionen der Welt. Gemeinsam mit zahlreichen nationalen und internationalen Partnern sind wir daran beteiligt, die komplexen Prozesse im "System Erde" zu entschlüsseln. Unser Planet steckt in einem tiefgreifenden Klimawandel. Die Polargebiete und Meere verändern sich. Gleichzeitig spielen sie eine zentrale Rolle im globalen Klimasystem. Wie entwickelt sich der Planet Erde weiter? Beobachten wir kurzfristige Schwankungen oder langfristige Trends? Schon immer war die Polar- und Meeresforschung eine faszinierende wissenschaftliche Herausforderung. Heute ist sie auch ein Stück Zukunftsforschung.

Das ISL - Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik wurde 1954 in Bremen gegründet. Es gehört mit seinen Standorten in Bremen und Bremerhaven dank der erfolgreichen Verbindung von Tradition und moderner Wissenschaft zu den europaweit führenden Instituten für Forschung, Beratung und Know-how-Transfer in der maritimen Logistik. Das ISL forscht und entwickelt seit mehreren Jahren zum Wasserstoff- und PtX-Einsatz in Transport und maritimer Logistik sowie zur globalen und regionalen Wasserstoff- und PtX-Logistik. Neben diversen anderen Projekten erstellte es im Auftrag des Deutschen Maritimen Zentrums (DMZ) eine umfassende Studie zur Rolle der maritimen Wirtschaft bei der Etablierung einer deutschen Wasserstoffwirtschaft.

Die Green Fuels GmbH ist 2019 von drei Bremer/Bremerhavener Unternehmern mit dem klaren Ziel gegründet worden, konkrete Projekte zur Herstellung und Nutzung von grünem Wasserstoff zu identifizieren, zu entwickeln, zu planen und insbesondere mit erprobter Technologie umzusetzen. Mit unseren Projekten werden lokale/regionale Wertschöpfungsketten aufgebaut und der Ausbau der Erneuerbaren Energien (Stromsektor) mit dem Einbinden weiterer Sektoren (Mobilität, Wärme) gekoppelt sowie die Akzeptanz in der Bevölkerung für „Wasserstoff“ gesteigert. In diesem Unternehmen wird das Know-how aus den Bereichen Windenergie, Photovoltaik, Verkehr, Logistik sowie Hafenwirtschaft zusammen mit Ingenieurdienstleistungen für die Konzeption und Realisierung der Projekte gebündelt. Die Inhaber verfügen über jahrzehntelange Erfahrung und ein großes, breitangelegtes Netzwerk in die Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung. Über die gewachsenen persönlichen Kontakte gelingt es, Unternehmen für den Aufbau von lokalen und wertschöpfenden Wasserstoffökosystemen zu begeistern und zum Mitmachen zu gewinnen.

Die Reederei F.  Laeisz ist eine diversifizierte Unternehmensgruppe in Familienbesitz, die ihre Hauptinteressen in den Bereichen Schifffahrt, Handel und Versicherung hat. Die schifffahrtsbezogenen Aktivitäten sind das Rückgrat der Gruppe. Gegenwärtig bereedert die Reederei 29 Schiffe unterschiedlicher Schiffstypen. Die bereederte Flotte setzt sich zusammen aus Containerschiffen, Massengutschiffen, Autotransportern, Gastankern und Forschungsschiffen. Mit ca. 720 Besatzungsmitgliedern auf See, davon ca. 200 Seeleuten deutscher Nationalität und etwa 75 Mitarbeitern an Land ist die Reederei F. Laeisz eines der führenden deutschen Unternehmen im Schifffahrtsbereich. Wichtiger Bestandteil der Reederei ist unsere Inspektion für Forschungsschifffahrt in Bremerhaven mit einer langjährigen und übergreifenden Expertise in der Bereederung von hochseegängigen Spezialschiffen. Umwelt- und Qualitätsaspekte spielen bei unseren Dienstleistungen für die Schifffahrtsindustrie eine wichtige Rolle.  Jüngstes Beispiel ist die Überwachung des Neubaus und das anschließende Management des methanolgetriebenen Forschungsschiffes Uthörn II.

Die UTG Unabhängige Tanklogistik GmbH ist ein mittelständisches Bremerhavener Dienstleistungs- und Handelsunternehmen und betreibt mit fast 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die örtlichen und überregionalen Geschäftsaktivitäten. In der Zentrale Bremerhaven sind die administrativen Tätigkeiten aller Geschäftsbereiche sowie das Rechnungs-, Finanz-, Personalwesen und die EDV vereint. UTG Unabhängige Tanklogistik ist ein Unternehmen der Diersch & Schröder Gruppe. Das 1920 gegründete Familienunternehmen ist heute mit über 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfolgreich in den Bereichen Energie, Chemie und Young Business aktiv. Im „Geschäftsbereich Tanklager“ betreibt UTG mit jahrzehntelanger Erfahrung eigene Tanklager, die den Partnern aus Industrie und Handel zum Umschlag ihrer Mineralölprodukte und anderen flüssigen Umschlagsgüter angeboten werden. Hierzu gehören auch individuelle, kundenbasierte Lösungen im Bereich Anlagenbau und Blending von Produkten mit entsprechenden Additiven. Besonderes Augenmerk liegt zukünftig auch auf nachhaltige Produkte für die Transformation zur Energiewende, wie z.B. grünes Methanol.

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Michael.Klages@awi.de

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gschories@ttz-bremerhaven.de

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