Heincke-Expedition in die Arktis

Auf den Spuren der Ozeanversauerung

Der Atlantische Kabeljau ist im Zuge des Klimawandels so weit Richtung Norden gewandert, dass er inzwischen sogar in den Gewässern Spitzbergens in großen Mengen vorkommt. Biologen des Alfred-Wegener-Institutes sind im Spätsommer 2013 deshalb in jenes arktische Meeresgebiet gereist, das einst vom Polardorsch dominiert wurde. Die Wissenschaftler wollten hier untersuchen, ob es zwischen den beiden Dorscharten zu einem Konkurrenzkampf kommt und welche sich besser an die veränderten Lebensbedingungen in der Arktis anpassen kann. Ein Expeditionsbericht.

16. August 2013, früher Morgen: Das Forschungsschiff Heincke verlässt Bremerhaven. Mit an Bord eine Handvoll Fischnetze, zwei Dutzend leere Aquarien und sieben Wissenschaftler mit einer Mission: die leeren Fischtanks mit Hunderten junger Atlantischen Kabeljaue und Polardorsche zu füllen. Für ihr Vorhaben steuern sie den hohen Norden an, mit Kurs auf Spitzbergen.

Hier wollen die Forscher untersuchen, wie verbreitet die beiden Fischarten in der Region sind. Und sie haben schon eine Vorahnung: Da die Wassertemperaturen steigen, wagt sich der Kabeljau immer weiter in den Norden. Inzwischen fühlt er sich sogar in den arktischen Gewässern Spitzbergens heimisch. Dort begegnet er allerdings einem Artgenossen, der diese Gewässer lange dominiert hat: der Polardorsch. Sollte es zwischen den Arten zu einem Wettbewerb kommen, wird sich möglicherweise der anpassungsfähigere Kabeljau behaupten.

Die Wissenschaftler sind jedoch noch aus einem anderem Grund auf dem Weg nach Spitzbergen: Sie wollen lebendige Kabeljaue und Polardorsche nach Bremerhaven bringen und in den Laboren untersuchen, wie die Fische auf die Ozeanversauerungen reagieren. Denn das Kohlendioxid, das wir Menschen in die Luft ausstoßen, heizt nicht nur die Atmosphäre auf. Das Treibhausgas wird auch von den Meeren aufgenommen und lässt diese saurer werden. Dabei bietet die Arktis die perfekten Forschungsvoraussetzungen. Da kaltes Wasser mehr Kohlendioxid aufnehmen kann als warmes, werden die hohen Breiten die ersten sein, die von der Ozeanversauerung betroffen sind.

Der erste Fischzug

Ihre Forschungsfrage führt die sechs Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und den Doktoranden der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bis hinauf auf 80,5 Grad nördlicher Breite. Lediglich tausend Kilometer trennen sie jetzt vom Nordpol. Von hier aus fahren sie in das zerklüftete Fjordsystem Spitzbergens hinein und bereiten sich auf ihren ersten Fischzug vor. Die Mannschaft befestigt das Netz an der Schiffwinde und füllt Eimer mit Wasser. Die Wissenschaftler ziehen ihre knallig orangefarbene Arbeitskleidung an.

Währenddessen beobachtet Expeditionsleiter Dr. Felix Mark das Fischerei-Echolot: Am Muster auf dem Bildschirm kann er erkennen, dass das FS Heincke gerade an einem Schwarm von Jungfischen vorbeigefahren ist. Das Thermometer zeigt auf vier Grad Celsius – zu warm für Polardorsche, vermutet er.

Die Mannschaft wirft den Fischlift aus, ein Gerät, das norwegische Kollegen entwickelt haben, um die Fische möglichst schonend zur Oberfläche zu bringen. Die Anspannung an Deck steigt. Zwanzig Minuten lang schleppt das Schiff den Fischlift, bevor die Mannschaft den Fangbehälter wieder an Deck hebt. Matrosen und Wissenschaftler greifen nach dem Metallcontainer und entleeren ihn in ein Becken an Deck. Es wimmelt von kleinen Kabeljauen, Schellfischen, Heringen, Heilbuttlarven und Bandfischen. Und Polardorsche? Zwei. Sie wandern gemeinsam mit den rund 250 Kabeljauen in die Aquarien an Bord.

Nationales Forschungsprojekt

Eine BIOACID-Expedition

Die Heincke-Expedition in die Arktis im August und September 2013 war Bestandteil eines nationalen Forschungsprojektes zur Ozeanversauerung, BIOACID. An dem Programm beteiligen sich Wissenschaftler aus 14 deutschen Forschungseinrichtungen, die untersuchen, wie sich der sinkende pH-Wert auf marine Ökosysteme auswirkt. Im Rahmen des Projekts leitet Dr. Felix Mark das so genannte Fischkonsortium.

Auf der Suche nach dem Polardorsch

Ein ähnlicher Anblick erwartet die Wissenschaftler am darauffolgenden Tag, als das Schiff in die Hinlopenstraße hineinfährt: reichlich Kabeljau, doch keine Spur seines arktischen Artgenossen. Der Kapitän steuert das Schiff in südöstliche Richtung, wo die kalten Wassermassen der Barentssee in die Seestraße hineindrücken. Hier sinkt die Wassertemperatur auf 1,1 Grad Celsius. Das Echolot jedoch zeigt keinerlei Fischaktivität in den umliegenden Gewässern an.

Doch so leicht geben sich die Wissenschaftler nicht geschlagen und fahren zu weiteren Fischgründen. Sie nähern sich der Eiskante bis auf Sichtweite. Nicht weiter, denn dem Schiff fehlt eine Eisverstärkung. Hier sendet das Echolot endlich ein Signal. In einer Tiefe von 140 Metern schwimmen Fischschwärme. Und doch, als die Forscher den Fischlift an Deck ziehen, beinhaltet er kaum Fische, ganz zu schweigen Polardorsche.

 

Das große Los

Während die Wissenschaftler immer mehr Kabeljaue in die Aquarien umsetzen, warten die zwei Polardorsche vom ersten Fischzug noch immer auf Gesellschaft. Erst als das Schiff an den letzten Expeditionstagen den Hornsund im Südwesten Spitzbergens erreicht, sind die Forscher endlich erfolgreich. Mit einem wahren Jackpot! Eimerweise Polardorsche in allen Größen stehen an Deck und die Wissenschaftler beginnen die Größten auszusortieren. Die kleineren Fische lassen sie wieder ins Meer, sobald sie sich vom Fischzug erholt haben.

Dr. Felix Mark ist zufrieden: Das Forschungsschiff Heincke kehrt mit vollen Fischtanks nach Bremerhaven zurück. Ein wichtiger Etappensieg, denn sobald sie zurück am Alfred-Wegener-Institut sind, brauchen er und seine Kollegen diese Fische für ihre Untersuchungen. Nur so können sie im Laufe des folgenden Jahres herausfinden, wie die beiden Arten auf die Ozeanversauerung reagieren.

(Kristina Bär)