+++ Die Nachwuchsgruppe SSIP endete im März 2023. +++

Warum brauchen wir bessere Meereisvorhersagen?

Die Erderwärmung schreitet nirgendwo schneller voran, als in der Arktis. Ein vergleichbar rasanter Temperaturanstieg ist in der Antarktis zwar bislang weitestgehend ausgeblieben, doch auch hier erwarten wir einen deutlichen Rückgang des Meereises, wie wir ihn in der Arktis schon lange beobachten: Klimaprojektionen zufolge wird der arktische Ozean im Spätsommer, wenn die Eisdecke Jahr für Jahr auf ihre Minimalausdehnung schrumpft, ab Mitte dieses Jahrhunderts sogar weitestgehend eisfrei sein, mit voraussichtlich erheblichen Auswirkungen auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen im hohen Norden.

Der zunehmend einfache Zugang zur Arktis bringt sowohl Gelegenheiten als auch Risiken mit sich. Die Arktis könnte rasch an Bedeutung als Schiffsroute gewinnen, insbesondere weil sie für Transporte zwischen Nordeuropa und Asien eine deutlich kürzere Alternative zur Route durch den Suez-Kanal darstellt. Weitere Wirtschaftszweige zeigen reges Interesse an einer zugänglicheren Arktis, so beispielsweise die Fischerei, die Rohstoffgewinnungsindustrie, und der Tourismus. Letzterer gewinnt auch in der Antarktis an Bedeutung, mit etwa fünfmal mehr Besuchern heute als vor 20 Jahren. 

Mehr Menschen in den Polargebieten bedeutet, dass raue Umweltbedingungen wie schnell heraufziehende polare Stürme, Nebel, dichter Schneefall, aber auch unerwartete Änderungen des Meereiszustands ein erhöhtes Bedrohungspotenzial darstellen. Um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten sind zuverlässige polare Vorhersagen von Wetter, Meereis und Klima unabdingbar, insbesondere um Risiken für Mensch und Natur zu minimieren und im Notfall effiziente Gegenmaßnahmen zu unterstützen.

Unser Ziel und unsere Herangehensweise

Das übergreifende Ziel unserer Forschung ist es, Meereis-Vorhersagen auf Zeitskalen von Stunden bis zu Jahren und darüber hinaus zu verbessern. Zu diesem Zweck werden wir mehrere Pfade einschlagen, entlang der Art und Weise wie wir das Meereis sowie die Atmosphäre und den Ozean beobachten, wie wir diese Beobachtungen in unsere Vorhersagemodelle einspeisen, und wie unsere Modelle jene Physik darstellen, die die zukünftige Entwicklung des Meereises bestimmt.

Wir gehen diese Bereiche mit einem nahtlosen Ansatz zur Meereisvorhersage an: Wir entwickeln und nutzen ein nahtloses Meereis-Vorhersagesystem in dem es möglich ist, polare Gewässer mit großer Genauigkeit zu simulieren während weitreichende Einwirkungen berücksichtigt werden, indem auch der verbleibende Teil der Erde simuliert wird, wenngleich in geringerem Detail. So können wir unser Vorhersagesystem sinnvoll auf Zeitskalen von Tagen bis zu Jahren und darüber hinaus einsetzen. Dabei speisen wir Beobachtungen mit einer besonders leistungsfähigen Methode, der Ensemble-Datenassimilierung, in unser Klimamodell ein. Kern dieser Technik ist es, mehrere Simulationen gleichzeitig durchzuführen und diese zu analysieren um abzuleiten, was die Beobachtungen uns eigentlich genau über den Zustand des Systems verraten. Dadurch können wir wiederum besonders genaue Anfangszustände erhalten, von denen wir unsere Vorhersagen starten.

Mit diesem Ansatz sind wir optimal gerüstet, um Fragen wie den Folgenden nachzugehen:

  • Wie können wir den größten Nutzen aus Beobachtungen des Meereises, der Atmosphäre und des Ozeans ziehen?
  • Welche Art von Beobachtungen an welchem Ort und zu welcher Zeit sind am wertvollsten?
  • Wie können wir Beobachtungen aus verschiedenen Teilen des Systems, zum Beispiel aus der sich schnell ändernden Atmosphäre und aus dem langsamer reagierenden Ozean, am besten zusammenbringen?
  • Welche physikalischen Prozesse müssen mit welcher Genauigkeit im Modell beschrieben werden, um präzise Vorhersagen zu erlauben?
  • Wie verteilen wir die Genauigkeit des Rechengitters am besten zwischen Polargebieten und anderen Teilen der Erde?
  • Wie bewerten wir am besten, ob eine Vorhersage gut oder schlecht ist? 
  • Wo liegen die Grenzen der Vorhersagbarkeit des Meereises, und wie groß ist das verbleibende Potenzial für bessere Vorhersagen?

Unser Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Umgang mit dem globalen Wandel

Bessere Meereisvorhersagen werden benötigt, um einer wachsenden Nachfrage zu begegnen, die durch den Klimawandel und dessen besonders starke Wirkung in den Polargebieten verursacht wird. Mit dem letztendlichen Ziel, Risiken für Mensch und Natur in den Polargebieten zu minimieren und im Notfall effiziente Gegenmaßnahmen zu unterstützen, trägt SSIP zu einer Anpassung der Gesellschaft an den globalen Wandel bei.

SSIP leistet des Weiteren einen Beitrag zur Milderung des Klimawandels: Bessere Meereisvorhersagen führen zu erhöhter Sicherheit arktischer Schiffsrouten, die teilweise deutlich kürzer sind, als die bisher üblichen Routen. Damit könnte eine maßgebliche Verringerung von Treibhausgasemissionen einhergehen. Nichtsdestotrotz muss auch in Zukunft vorsichtig abgewogen werden, ob möglicherweise erhöhte Risiken eingegangen werden sollten, nicht nur aus ökonomischer, sondern auch aus ökologischer Sicht.

Ergebnisse unserer Forschung werden Menschen, die in Polargebieten agieren, dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen: Vorhersagesysteme für Wetter, Klima, und Meereis sind Paradebeispiele für Instrumente, die eine solide wissenschaftliche Basis zur Unterstützung sozioökonomischer Entscheidungen liefern.

Letztendlich wird SSIP dabei helfen, Katastrophen für Mensch und Umwelt in den Polargebieten zu vermeiden und so einen Beitrag zum Schutz der empfindlichen polaren Ökosysteme leisten.

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Unsere Arbeit und unser Team sind in die Sektion Klimadynamik eingebettet.

Werkzeuge

Für unsere Forschung setzen wir das AWI Klimamodell ein und tragen zu dessen Entwicklung bei. Eine Besonderheit ist dabei das Ozean-Meereis-Modell FESOM: Durch neuartige Numerik kann dessen Rechenauflösung sehr flexibel regional variiert werden.

Weitere wichtige Instrumente, die bei uns zum Einsatz kommen, sind die Datenassimilierungssoftware PDAF, sowie die Analyse-Software spheRlab, welche wir selbst entwickeln.