Die Inselgruppe Spitzbergen liegt östlich von Grönland im Nordpolarmeer. Auf der norwegischen Inselgruppe befindet sich eine der nördlichsten Siedlungen der Welt: Ny-Ålesund. Der Ort beherbergt das „größte Labor der modernen Arktis-Forschung“ – elf Länder betreiben hier Stationen und Forschungslabore. Wissenschaftler aus aller Welt und verschiedener Disziplinen der Polarforschung treffen hier am Kongsfjord aufeinander. Wissenschaftler aus Frankreich und Deutschland arbeiten in Ny-Ålesund in einer gemeinsamen Einrichtung: der AWIPEV-Basis.
Die Geburtsstunde der AWIPEV-Basis liegt im Jahr 2003 – das Alfred-Wegener-Institut und das französische Polarforschungs-Institut Paul Emile Victor (IPEV) vereinen ihre bis dato unabhängigen Stationen Koldewey und Rabot.
Heute bietet AWIPEV sowohl Lebens- als auch Arbeitsräume für viele Wissenschaftler. Hauptziel an der AWIPEV-Forschungsbasis ist die Grundlagenforschung in den Umweltwissenschaften. Dafür stehen Labore für physikalische, biologische und chemische Untersuchungen zur Verfügung, das Meeresforschungslabor des norwegischen Betreibers Kings-Bay steht seit 2005 für meeresbiologische Arbeiten offen.
Ein Herzstück der AWI-Forschung in Ny-Ålesund ist das Atmosphären-Observatorium. Es dient der Beobachtung der Atmosphäre vom Boden bis in die Stratosphäre. Mithilfe verschiedener Geräte bestimmen die Wissenschaftler meteorologische Größen, Strahlungsparameter, sowie die Eigenschaften von Aerosolen und Spurengasen in der Troposphäre und Stratosphäre, wie beispielsweise die Konzentration von Ozon. Die Klimaforscher beobachten so die klimatischen und atmosphärischen Veränderungen in den Polarregionen.
Biologen untersuchen auf Spitzbergen beispielsweise, wie die erhöhte UV-Strahlung auf die Meeresbewohner der Fjorde wirkt und wie die Organismen auf zunehmende Ozeanversauerung reagieren.
Forschungsschwerpunkte der Geowissenschaftler sind Permafrostböden und die Veränderung von Gletschersystemen. Darüber hinaus nutzen Wissenschaftler die Station als Basis für Expeditionen in die Umgebung von Ny-Ålesund und West-Spitzbergen.
Bereits vor der deutsch-französischen Kooperation gab es eine deutsche Station im "Blauen Haus" in Ny-Ålesund. Diese Station wurde 1991 gegründet und nach Carl Christian Koldewey (1837-1908) benannt. Das Haus wird noch immer genutzt als Teil der AWIPEV-Forschungsbasis.
Carl Koldewey verlässt die Schule in Clausthal 1852 vorzeitig und beginnt 1853 mit der Seefahrt. In den folgenden Jahren beendet er seine Ausbildung zum Kapitän und beginnt um 1866 ein Studium in Hannover mit dem Berufsziel Navigationslehrer. An der Universität Göttingen setzt er dieses Studium mit den Fächern Mathematik, Physik und Astronomie fort.
Im Jahr 1868 wird ihm von August Petermann die Leitung der ersten Nordpolarexpedition mit der "Grönland" angetragen. Ihr folgt 1869/70 die bedeutende zweite deutsche Nordpolarreise auf der "Germania". Wieder ist Koldewey Kapitän und Leiter. Der ursprüngliche Plan, in die arktische Zentralregion und möglichst bis in die Beringstraße vorzudringen, scheitert bereits auf Höhe des grönländischen Festlandes. Nach mehreren Anläufen muss Koldewey bei 75,5° wegen undurchdringlichen Eises umkehren.
Koldewey ist nach den Fahrten ins Eis maßgeblich an wissenschaftlichen und auch erzählerischen Publikationen beteiligt. Von 1871 an arbeitet er an der Deutschen Seewarte in Hamburg, in der er unter der Direktion Neumayers im Jahr 1875 die Leitung der Abteilung "Nautische Instrumente" übernimmt. In seiner weiteren Arbeit widmet er sich vor allem der "Kompaßtheorie". Am 31. Juli 1905 geht Koldewey in den Ruhestand.
AWI-Wissenschaftler führen regelmäßige Messungen durch. Diese sind online abrufbar:
Langzeitbeobachtung Atmosphäre
René Bürgi hat für das Alfred-Wegener-Institut ein Jahr in Ny-Ålesund in der Arktis überwintert. Er erzählt von seinen Aufgaben als Stationsingenieur der deutsch-französischen Forschungsstation AWIPEV, von den spürbaren Umweltveränderungen auf Spitzbergen und seinem schönsten Moment.