Faszination Krill-Forschung

Viel mehr als das, was der Wal frisst

Krill ist nicht gleich Krill. Weltweit gibt es 86 Arten, die Forscher wie Kim Hünerlage und Friedrich Buchholz faszinieren und ihnen noch immer jede Menge Rätsel aufgeben. Lange Zeit war Krill ein Nischenthema. Am AWI hingegen ist es ein großes Thema.

„Was der Wal frisst“ bedeutet der norwegische Name Krill, den Walfänger dem Tier einst gegeben haben. Krill sind garnelenförmige Krebstiere, die sich von Mikroalgen und Zooplankton ernähren. Und sie sind mehr als eine reichhaltige Mahlzeit für Wale. Auch Robben, Fische oder Vögel ernähren sich von ihm. Im Nahrungsnetz der Ozeane nimmt der Krill damit eine Schlüsselrolle ein und ist ein Garant für das Leben im Meer.

Quelle: David Sington / Alfred-Wegener-Institut

Die bekannteste Krill-Art ist der Antarktische Krill (Euphausia superba). „Sobald das Wort ‚Krill’ fällt, denkt jeder sofort an den antarktischen Vertreter“, sagt Kim Hünerlage, die sich in ihrer Doktorarbeit am AWI mit Krill beschäftigt hat. „Doch es gibt weltweit 86 Krill-Arten.“ Die meisten von ihnen sind zwischen 1,5 und 4 Zentimeter groß, einige tropische Arten sogar bis zu 12 Zentimenter. Die transparenten und teilweise orange schimmernden Krustentieren kommen in sämtlichen Gewässern vor, denn je nach Art können sie in Wasser mit Temperaturen von -1 bis +25 Grad leben.

Doch so transparent sie auch sein mögen, noch ist selbst Grundlegendes über die Tiere nicht erforscht. So senden die Kleinkrebse zur Kommunikation blaues Licht aus. Doch welchem Zweck dieses Verhalten genau dient, ist eine der vielen offenen Fragen, die bis heute nicht endgültig geklärt sind. Ein weiteres Beispiel ist der Stoffwechsel: Eine Krill-Art (Thysanoessa inermis) hat 50 Prozent Fettanteil am Trockengewicht. „Doch wie sind sie überhaupt in der Lage, so viel Fett zu speichern?“, fragt sich Kim Hünerlage, die diese Fragen antreiben.

Neue Krill-Arten in der Arktis

Kamen in der Arktis bislang lediglich zwei Krill-Arten vor, hat Kim Hünerlage in ihrer kürzlich abgeschlossenen Doktorarbeit drei neue Arten untersucht, die nach und nach in den polaren Lebensraum einwandern. Das könnte weitreichende Auswirkungen haben, da der Krill in der Nahrungskette eben so eine zentrale Rolle einnimmt und sich viele andere Tiere von ihm ernähren. Die Forschung dazu will Kim Hünerlage weiter vorantreiben.

Kim Hünerlage über ihre Krill-Forschung am AWI

Ein Pionier der Krill-Forschung

Kim Hünerlages Doktorvater, Friedrich Buchholz, wurde vor fast 40 Jahren vom AWI-Gründer Gotthilf Hempel gefragt, ob er sich mit Krill auseinandersetzen möchte. Seitdem ist Friedrich Buchholz den Tieren auf der Spur. „Über ihn zu forschen, war eine der besten Entscheidungen“, sagt er heute. „Der Krill kann einfach alles. Und er ist super transparent – man kann ihm alles ansehen: den Ernährungszustand, die Wachstumsgeschwindigkeit, die Fortpflanzungsaktivität und, und, und. Schon an Bord des Forschungsschiffes können wir sehen, ob es ihm gut geht oder nicht.“

Um über die verschiedenen Krill-Arten zu forschen, ist Friedrich Buchholz schon in der ganzen Welt unterwegs gewesen. Und obwohl er inzwischen im Ruhestand ist, möchte er sich auch weiter mit Krill beschäftigen und geht nach wie vor auf Expeditionen.

Von Danzig in die Antarktis

Ob Arktis oder Antarktis, Mittelmeer oder Sargasso-See, südwest-afrikanischer Auftrieb oder Nordost-Atlantik: Friedrich Buchholz hat mit seinen Expeditionen inzwischen sämtliche Meere der Welt bereist. Hier erzählt er von den Anfängen seiner Krill-Forschung.

Jagdinstinkt

Mit einem speziellen Netz versucht Friedrich Buchholz Krill zu fangen. Außerdem gehört Erfahrung dazu - nach den vielen Jahren in der Krill-Forschung weiß er, wem er folgen muss, um Krill zu finden.

In der internationalen Forschergemeinde war Krill lange Zeit ein Nischenthema. Am AWI hingegen steht es groß auf der Agenda. Während des Polarstern-Winterexperiments 2013 etwa drehte sich die Forschung des Fahrtabschnittes unter Leitung Bettina Meyers nahezu allein um die Krustentiere.

Kim Hünerlage arbeitet derzeit in der Arbeitsgruppe von Bettina Meyer und schreibt Anträge für Folgeprojekte. Was Friedrich Buchholz als einer der Pioniere auf dem Gebiet angefangen hat, würde sie gerne fortsetzen. Fragen gibt es auf jeden Fall genug: Wie regeln die Tiere ihren Stoffwechsel im Winter, wenn sie kein Futter finden? Welche Umweltfaktoren bestimmen ihren Lebenszyklus? Wie durchsetzungsfähig sind sie in neuen Klimazonen? „Das sind nur einige der Wissenslücken, die gefüllt werden müssen“, sagt Kim Hünerlage.