PS100 - Wochenbericht Nr. 4 | 8. - 14. August 2016

Zürück auf dem grönländischen Schelf

[16. August 2016] 

Wir befinden uns inzwischen bei strahlendem Sonnenschein und aufgelockertem Meereis wieder auf dem grönländischen Schelf – diesmal im Bereich des Norske Trogs. In der vergangenen Woche konnten wir zunächst unsere biologischen, biochemischen und ozeanographischen Arbeiten in der zentralen Framstraße auf dem Zonalschnitt entlang 78°50’N weitestgehend abschließen. Anschließend ergänzten wir noch die in der zweiten Expeditionswoche entlang des Greenwich Meridians ausgelegte Verankerungskette um die südlichste Verankerung bei 78°10’N.

Hiernach verließen wir das Arbeitsgebiet gen Südwesten in Richtung des grönländischen Schelfs. Einige Tage zuvor hatte uns eine Anfrage einer französischen Forschergruppe erreicht, die im letzten Jahr im zentralen Nordpolarmeer eine Messboje auf einer driftenden Eisscholle installiert hatten, um Ozean-, Meereis- und Atmosphärenparameter kontinuierlich über mehrere Monate aufzuzeichnen. Inzwischen war die Boje mit der Transpolaren Drift in den Ostgrönlandstrom getrieben und von dort aus entlang der Schelfkante nach Süden gelangt. Wir wurden gebeten, die Boje zu bergen. Die per Satellit übertragenen Positionsdaten der Boje zeigten an, dass wir letztere auf dem Transit zu unserem neuen Arbeitsgebiert passieren würden. Am Morgen des 10. August gelang es der Besatzung von Polarstern, die Boje dann wie geplant von einer allerdings schon arg in Auflösung begriffenen Eisscholle zu bergen, wobei letztere außerdem Abdrücke von Eisbärentatzen aufwies. Zusätzlich bargen wir von derselben Eisscholle noch ein zweites – teilweise beschädigtes - Objekt, das sich als Schneeboje des Alfred-Wegener-Instituts herausstellte. Dieser Ostgrönlandstrom bringt eisbedecktes Polarwasser aus der Arktis in den atlantischen Ozean. Hier finden wir auch öfter sogenanntes „schmutziges Eis“, das braun oder bisweilen sogar schwarz erscheint, weil es mit Sediment durchsetzt ist. Genau wie die Boje wird dieses sedimentbeladene Eis das Nordpolarmeer in der Transpolaren Drift überquert haben.

Wir legten dann unseren Weg gen Norske Trog fort, entlang dessen Achse wir den Einstrom von warmem Atlantikwasser aus der Framstraße auf den inneren Schelf von Grönland untersuchen wollen. Zudem haben nun auch die geologischen Arbeiten begonnen. Aus der Analyse von Sedimentproben sollen hierbei die Veränderungen des grönländischen  Eisschilds in der Erdvergangenheit untersucht werden.

In diesem Wochenbericht möchten wir mit GEOTRACES auf das zahlenmäßig größte Forschungsteam an Bord eingehen. GEOTRACES ist ein weltweites Programm, das die Kreisläufe von Elementen und deren Isotopen im Weltozean erforscht. Es ist wichtig, diese Elemente zu untersuchen, weil einige davon lebensnotwendig sind, und deren Verfügbarkeit (zusammen mit den traditionellen Nährstoffen Stickstoff, Kieselsäure und Phosphor) somit das Algenwachstum bestimmen kann. Die Verteilung anderer Elemente (wie z.B. Eisen und  Cadmium) helfen uns, die biologischen Kreisläufe zu verstehen, wohingegen noch andere (z.B. natürliche oder künstliche Radionuklide) Aussagen über die weltweite Ozeanzirkulation oder (wie z.B. seltene Erdmetalle) über den Stoffaustausch zwischen Kontinenten und dem inneren Ozean erlauben. Wenn wir die derzeitigen Kreisläufe der Spurenstoffe im Ozean besser verstehen, wird uns das außerdem helfen, Antworten auf klimarelevante Fragen zu finden. So können wir die chemischen Signale, die in Meeressedimenten gespeichert sind, nutzen, um das Klima der Vergangenheit zu rekonstruieren.

Im Rahmen von GEOTRACES wurden schon eine Vielzahl Expeditionen in verschieden Ozeanen durchgeführt, darunter eine Expedition im letzten Jahr, als FS Polarstern zusammen mit Forschungsschiffen aus Canada und den USA eine synoptische Spurenstoffstudie in der Arktis durchführte.  Auf unserer Expedition sind 15 GEOTRACES Teilnehmer dabei, diese Studie zu ergänzen. Die Messungen in der Framstraße, der wichtigsten Verbindung zwischen dem Nordpolarmeer und dem Weltozean, werden es uns erlauben, die schon vorliegenden Ergebnisse aus dem Nordpolarmeer und aus dem Atlantischen Ozean miteinander zu verknüpfen. Die GEOTRACES-Teilnehmer messen ein breites Spektrum von Spurenelementen und Isotopen in der gesamten Wassersäule. Einige müssen unter strikten Reinraumbedingungen bearbeitet werden, weil das Schiff selbst eine Quelle für Verunreinigungen darstellt. Eisen und Quecksilber sind hier prominente Beispiele. Dazu setzt das GEOMAR-Team einen eigenen sauberen Kranzwasserschöpfer mit 24 metallfreien Flaschen ein, die in gewünschten Wassertiefen geschlossen werden könne -  betrieben an einer Winde mit einem sauberen, metallfreien Kabel. Für andere Gruppen hingegen sind Verunreinigungen nicht die größte Sorge. Sie brauchen jedoch große Wassermengen für die Analyse von Stoffen, die in äußerst geringen Konzentration vorkommen. Dazu verwenden sie einen Kranzwasserschöpfer mit 22 Flaschen mit einem Fassungsvermögen von jeweils 25 Litern. Die Erforschung der Schwebstoffe erfordert sogar viele hundert Liter  an Wassermengen, die sogar mit dem großen Wasserschöpfer nicht beschaffbar sind. Deshalb werden in-situ Pumpen eingesetzt, die in verschiedene Wassertiefen am Kabel heruntergelassen werden und einige Stunden lang pumpen, um die Schwebstoffe auf Filtern zu sammeln. Zudem werden auch Luftpartikel (Aerosole) gesammelt und Inkubationsexperimente durchgeführt, um festzustellen, welche Stoffe in der Framstraße das  Algenwachstum beschränken.

In den ersten drei Wochen haben wir in einer intensiven Messkampagne den Zonalschnitt durch den tiefen Teil der Framstraße von Svalbard bis zur Ostküste Grönlands beproben können. Mit den Ergebnissen der vielen Parametern werden wir Flussraten von Spurenstoffen zwischen dem Nordpolarmeer und dem Atlantischen Ozean ermitteln können, unterstützt durch die langjährigen Erfahrung der physikalischen Ozeanographen bei der Durchführung von verankerten Strömungsmessungen, von denen wir im ersten Wochenbericht berichteten.

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Torsten Kanzow und das GEOTRACES Team

 

 

Mehr Informationen zum GEOTRACES Programm: www.geotraces.org

GEOTRACES Daten und Abbildungen von Stoffverteilungen im Ozean: www.egeotraces.org

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