PS114 - Wochenbericht Nr. 3 | 23. - 29. Juli 2018

Verankerungen im Nebel

[30. Juli 2018] 

Nach zwei langen Wochen intensiven Arbeitens ziehen wir eine mehr als positive Bilanz! Alle Geräte sind super gelaufen, es wurden viele Wasser- und Sedimentproben genommen und analysiert, hunderte Bilder aus der Wassersäule und vom Meeresboden geschossen, um das Leben in der Tiefsee zu dokumentieren und an die hundert Instrumente geborgen, welche die letzten zwei Jahre kontinuierlich Wassermassen- und Strömungseigenschaften aufgezeichnet haben.

Das einzige, was all die Zeit nicht so richtig mitspielen wollte, war das Wetter. Während man von zu Hause von strahlendem Sonnenschein hörte, sahen wir tagelang nichts als Nebel, Nebel und Nebel (Foto 2). Das machte vor allem das Bergen unserer Verankerungen zu einer großen Herausforderung. Zum Glück haben wir aber ein ausgefeiltes Ortungssystem namens POSIDONIA.

Durch dieses System können wir vom Schiff aus die Verankerung quasi aufwecken um ihre exakte Position abzufragen. An diese Position tasten wir uns dann heran und können der Verankerung einen Befehl geben, an die Oberfläche zu kommen. Sie taucht dann direkt ein paar hundert Meter vor dem Schiff auf und wir können sie bergen. Trotz Nebel konnten wir so die orangenen Auftriebskugeln stets gut wieder finden (Fotos 1 und 3).

Dennoch lief es nicht immer so glatt. Auf unserer nördlichsten Verankerungsposition bei 80°50'N erwarteten uns viele große Eisschollen. Zunächst versuchten wir uns ein Loch zu brechen und fuhren einige Kreise über die Verankerungsposition. Doch leider war die Eisdrift zu stark und im Nu war das Loch auch fast schon wieder zu. Dann hieß es also Warten. Das Eisradar zeigte an, dass in etwa 1 bis 2 Stunden ein Loch im Eis über die Position treiben müsste. Die Zeit wurde natürlich fleißig für andere Stationsarbeiten genutzt. Doch dann, ein-zwei Stunden später, war das Loch leider anders verdriftet und immer noch riesige Flächen Eis genau über unserer Verankerung. Das war wohl nix. Da noch weitere Arbeiten auf der Position geplant waren, wurden diese vorgezogen. Aber alles half nichts - weiterhin zu viel Eis. Doch im Eisradar war nun eine größere Lücke zu sehen, die in einigen Stunden über der Verankerung liegen sollte. Und so kam es dann auch! Wir sendeten also fix den Befehl zum Auslösen der Verankerung und alle Blicke richteten sich gespannt aufs Wasser. Eine Minute... zwei Minuten... gesichtet! Der Tag des Wartens hatte sich gelohnt!

In der östlichen Framstraße ist warmes Atlantikwasser noch an oder nahe an der Oberfläche. Vor allem dort haben wir Verankerungen geborgen und ausgelegt, die zum Verständnis von Ökosystem Prozessen beitragen sollen. Zum Beispiel haben sie Nährstoffkonzentrationen, Lichtintensitäten, Chlorophyllkonzentrationen (was mit der Menge an Algen zusammenhängt) gemessen. Auch Wasserproben wurden und werden zu allen Jahreszeiten in der oberen Wassersäule gemessen (Foto 1). Das ist ein großer Fortschritt, da sonst diese Messungen und Proben nur im Sommer stattfinden, wenn ein Forschungsschiff in der Gegend ist. Aber im Rest des Jahres passieren ja auch viele interessante Dinge. Um dann auch noch zu wissen, was die Strömungen und Wassermassen quer durch die Wassersäule sind, gibt es an zwei Positionen Verankerungsdreiecke. Es stehen dort drei Verankerungen genauso dicht beieinander wie das Wasser tief ist. Da einige der Geräte auch nur 25 Meter unter der Oberfläche sind, sind wir ein gewisses Risiko eingegangen. Aber das scheint es bisher Wert gewesen zu sein.

Fünf Verankerungen haben wir aus der mittleren Framstraße geborgen. Diese lagen alle auf dem 0°-Meridian zwischen 78°10'N und 80°50'N. Mit Hilfe dieser Zeitserien von Temperatur, Salz und Strömungsgeschwindigkeiten wollen wir versuchen, die Rezirkulation von warmem Atlantikwasser besser zu verstehen. Dieses warme und salzige Wasser wird durch den Nordatlantik entlang der Küste Norwegens in die östliche Framstraße transportiert. Von hier ab fließt ein Teil weiter in die Arktis, während der Rest in der Framstraße nach Westen fließt („rezirkuliert“), um dann schließlich entlang der Ostküste Grönlands direkt wieder nach Süden zu fließen. Jedoch kann man sich diese Rezirkulation nicht als eine geradlinige Strömung vorstellen, sondern vielmehr als viele kleine und große Wirbel. Ein erster Blick auf die Daten, die unsere Verankerungen in den letzten zwei Jahren gemessen haben, zeigt viele Ereignisse von starken Strömungen. Ob das die vermuteten Wirbel sind, wird eine genaue Datenanalyse in der Zukunft zeigen.

Nach unseren Arbeiten in der östlichen, mittleren und westlichen Framstraße waren wir gestern an der Nordostküste von Grönland. Auch hier lagen vier Verankerungen, die es zu bergen galt. Das spannende an dieser Region ist, dass hier die 80 km lange Eiszunge des 79 Nord Gletschers ins Meer mündet. Das warme Altantikwasser aus der Framstraße finden wir auch unter dieser Gletscherzunge wieder, wo es zu hohen Schmelzraten an der Eisunterseite führt. Eine Erwärmung der Ozeantemperatur kann daher einen entscheidenden Anteil am Abschmelzen der Gletscherzunge haben.

Jedoch war die Eissituation vor Nordostgrönland kompliziert. Insbesondere hatten wir mit Festeis zu kämpfen. Festeis ist Meereis, dass sich nicht von Wind oder Strömungen verschieben lässt, da es entweder an der Küste oder am Boden oder auch an Eisbergen festhängt, die ihrerseits wiederum auf dem Boden festhängen. Vor dem Gletscher deckt Festeis eine große Fläche den Großteil des Jahres ab. Während der vergangenen knapp drei Wochen unserer Expedition beobachteten wir mit Hilfe von Satellitenbildern (Foto 5), dass zwar langsam Bewegung in die Eismassen kam, aber der Teil, wo unsere Verankerungen lagen, sich noch unter festem Eis befand. Da sich dennoch Risse im Eis abzeichneten, entschlossen wir uns einen Versuch zu wagen. Am gestrigen Morgen lagen wir nur wenig hundert Meter vor der Küste und weiterhin Nebel, Nebel, Nebel. Wir arbeiteten uns langsam durch einen schmalen Spalt offenen Wassers zwischen Land und einer großen Eisscholle in Richtung unserer Verankerungen vor. Zeitgleich kämpfte sich die Sonne durch den Nebel. Auf einmal war beste Sicht (Foto 4) und die Stimmung an Bord wurde nach zwei Wochen Nebel und vielen Nachtschichten unbeschwert fröhlich! Alle genossen den Blick auf die wunderschöne grönländische Steilküste mit Gletschern und als Bonus gab es noch einen Eisbären, einen Wal und ein Walross zu beobachten. Die Sonne ermöglichte uns außerdem einen Weg durch verschiedene Eisrinnen zu drei der vier Verankerungen zu finden, welche wir erfolgreich bergen konnten.

Nun fahren wir weiter zur Schelfkante, wo wir vier weitere Verankerungen bergen wollen. Die Sonne lacht, die Stimmung ist gut - und dann geht es bald schon wieder zurück in die Heimat.

Beste Grüße und bis bald,

Janin Schaffer, Maren Richter und Wilken-Jon von Appen im Namen der wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer von PS114

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