PS108 - Wochenbericht Nr. 2 | 29. August - 6. September 2017

Neue technische Möglichkeiten in der tiefen See

[08. September 2017] 

Die zweite Woche unserer Expedition stand ganz im Zeichen der in ROBEX neu entwickelten robotischen Systeme.

Während der vergangenen Nächte und frühen Morgenstunden wurde mehrmals ein Unterwasser-Membran-Einlass-Massenspektrometer (UW-MIMS) zur Detektion von gelösten Gasen in der Gashydrat-Stabilitätszone (GHSZ) vor Spitzbergen eingesetzt. In dieser Region kommt es entlang eines 25 km langen Abschnitts am oberen Rand der GHSZ in ca. 400 m Wassertiefe zu einer starken Freisetzung von Methan aus dem Meeresboden in die Wassersäule. In Echolot-Aufzeichnungen ist diese Gasfreisetzung anhand einer deutlichen Verfärbung (flares) sehr gut zu erkennen und wird daher zur Kartierung dieser Methanquellen eingesetzt (Abb. 1).

Das UW-MIMS wurde innerhalb der Helmholtz Allianz ROBEX im GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel entwickelt und wurde während dieser Expedition erstmals unter erschwerten Freiwasser- und Schiffsbedingungen eingesetzt. Hierzu wurde das Gerät in einen Stahlrahmen eingebaut, der zusätzliche Sensoren zur Erfassung der Temperatur, pH, Druck, Kohlendioxid, Methan und auch ein Kamerasystem zur Meeresbodenbeobachtung enthält (Abb.2). Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte während des dritten Einsatzes des UW-MIMS das Methansignal simultan zu anderen gelösten Gasen erfolgreich aufgezeichnet werden. Der nächste Einsatz widmet sich der Vermessung von Methanquellen im Flachwasserbereich vor Spitzbergen in ca. 90 m Wassertiefe.  

Im Rahmen der HGF-Allianz ROBEX wurde eine neue Form eines Unterwassergleiters entwickelt (Beteiligte Partner – MARUM, AIRBUS, DLR, Uni Würzburg), der MAPPA, dessen Eigenschaften im Rahmen von mehreren Vorversuchen in Seen untersucht wurden und der während der POLARSTEN Fahrt PS108 erstmalig vom Schiff aus zum Einsatz kam. Innerhalb des ersten Schritts wurde eine Gewichtsaustrimmung in dem Einsatzgebiet FRAMSTRASSE vorgenommen, wobei hier das Fahrzeug per Kran zu Wasser gebracht wurde und die Auftriebsmaschine in ihre Endpositionen „Auftauchen“ und „Abtauchen“ zur Überprüfung der geforderten Funktionalität gefahren wurde. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Tests wurde der Gleiter, dem ein Deltaflügler-Design zugrunde liegt, mit Unterstützung eines Schlauchboots zu Wasser und zum Einsatzort gebracht (Abb. 3). Das Abtauchen wurde per Funkverbindung initiiert und nach etwa 30 min hatte das Fahrzeug seine angestrebte Tiefe von 105 m erreicht. Die Steuersoftware leitete so wie geplant den Auftauchvorgang ein und etwa 20 min später war der Gleiter wieder an der Oberfläche. Mit Hilfe des GAPS Sonarsystems der POLARSTERN konnte die Flugbahn des Gleiters in Echtzeit verfolgt werden. Der gesamte Einsatz einschließlich Bergung des Fahrzeugs hat 3 h in Anspruch genommen. Nach Auswertung der Flugdaten wird ein weiterer Einsatz vorbereitet.

Während unserer Arbeiten an der Eisgrenze bei 80°N absolvierte das AUV Paul einen sehr erfolgreichen 3-stündigen Tauchgang, ohne Kontakt zur Kontrollstation auf dem Schiff, unter das Eis und zurück. Die gewonnen Daten liefern neue Erkenntnisse über den Grenzbereich Meereis – Ozean.

Am Abend des 31.08. gab es an der zentralen Hausgarten-Station einen weiteren ROV-Tauchgang, diesmal um ein Langzeit-Experiment zur Besiedlung in der Tiefsee zu bergen. Das Experiment bestand aus einem Gestell und 46 angebundenen Platten aus festen Materialen, wie Ton und Plastik. In dem Hausgarten-Gebiet gibt es nämlich nicht nur weiche Sedimente, sondern auch Steine am Tiefseeboden (dropstones) und ein steiles Riff, die von sessilen benthischen Tieren besiedelt werden. Das 1999 angefangene Experiment sollte zeigen, wie sich, über die Zeit, Tiefseeorgansimen auf solchen festen Substraten ansiedeln und entwickeln. Schon 2005 und 2011 wurde das Gestell mit einem ROV besucht und 2005 wurden auch erste Platten abgeschnitten und geborgen. Die jetztzeitige Bergung beendet die Zeitreihe und liefert viele neue Informationen.

Der Bewuchs auf den Platten und dem Gestell wurde schon an Bord Polarstern
ausgewertet: es gab insgesamt 4 Arten von Foraminifera (einzellige Lebewesen) und etwa 10 Arten von Tieren. Die am häufigsten auftretenden Arten waren ein Schwamm (Abb. 4) und eine Seelilie, die auch häufig auf Steinen und auf dem Riff in der Framstraße zu finden sind. Die neuen Proben ermöglichen nun eine Analyse der Wachsgeschwindigkeit von Tiefseetieren sowie die Entwicklung von Lebensgemeinschaften in der Arktis.

Vom Abend des 04.09. bis zum Morgen des 05.09.2017 wurde zum zweiten Mal auf dieser Ausfahrt das neue robotische System MANSIO-VIATOR getestet (Abb. 5). Dieses in der HGF-Allianz ROBEX entwickelte System, welches aus dem Tiefseecrawler „VIATOR“ und einem fixen Lander „MANSIO“ besteht, wurde erstmals in einer Tiefe von 1276 m am Vestnessa Ridge westlich von Svalbard getestet. Nach einer Erkundung mit dem ROV Kiel 6000 vom GEOMAR konnte das Gerät punktgenau abgesetzt werden.

Dann Begann das Warten bis die programmierte Warteperiode abgeschlossen war und sich VIATOR selbstständig in Bewegung setzte (Abb. 6). Beim Herausfahren traten zwar Probleme am Antriebsstrang auf, die aber nach einem Missionsabbruch mittels einer akustischen Verbindung (USBL) teilweise behoben werden konnten. Durch tatkräftige ROV-Unterstützung konnten daraufhin weitere Tests erfolgreich durchgeführt werden, bei denen vor allem das komplizierte Docken, d.h. der Prozess des Rückfahrt des Crawlers in den Lander, getestet werden konnten.

Nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit und vielen Land- und Flachwassertests mit Kollegen von AIRBUS, dem DFKI (Dt. Forschungszentrum für künstliche Intelligenz) und Krakenrobotik war dies nun der nächste Schritt in Richtung realistischer Bedingungen im Rahmen der zukünftigen Einsätze des Lander-Crawler-Systems in der Tiefsee.

Neben den technischen Zielen im Rahmen der Unterwasser-Tests war ein wesentlicher Aspekt für die beteiligten Partner auch das operationelle Zusammenspiel beim Umgang mit den Geräten beim Ein- und Ausbringen in und aus dem Wasser einzuüben und dabei als Team zu agieren.

Nachdem wir Tramper in der letzten Woche, nach seinem einjährigen Einsatz, bergen konnten, wurde er diese Woche auf seine zweite Jahremission geschickt. Die Bergung soll dann im nächsten Jahr erfolgen. Ein zweiter Crawler, NOMAD, der in Zukunft ebenfalls saisonale Variationen der biogeochemischen Prozesse am Meeresboden erfassen soll, wurde erfolgreich getestet. Neben der Messung der Sauerstoffzehrung soll NOMAD zusätzlich Daten zur räumlichen Verteilung des frisch absinkenden organischen Materials liefern.

Heute, am Nachmittag des 06. September,  beenden wir unsere Forschungsarbeiten und machen uns auf den Rückweg nach Tromsö. Alle Fahrtteilnehmer blicken auf eine erfolgreiche Fahrt, die viele neue wissenschaftliche und technische Erkenntnisse für unsere Arktis- und Tiefseeforschung gebracht hat. Für viele Teilnehmer wird die Fahrt ein einmaliges und bleibendes Erlebnis sein.

 

Alle sind wohlauf und senden die besten Grüße von Bord,

Frank Wenzhöfer

 

(mit Unterstützung von Kirstin Meyer, Stefan Sommer, Christoph Waldmann und Sascha Flögel)

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