Große Ansammlungen von Plastik im Meer

Studie des UFZ und AWI weist Mikroplastik in entlegenem Meeresschutzgebiet nach
[19. März 2024] 

Gelangt Plastik ins Meer, verwittert es mit der Zeit und zerfällt in kleine Bruchstücke. Wenn Meerestiere diese Plastikpartikel aufnehmen, kann dies ihre Gesundheit massiv beeinträchtigen. Große Plastikansammlungen können daher das biologische Gleichgewicht der Meeresökosysteme stören. Doch welche Gebiete sind besonders betroffen? In einer aktuellen Studie hat ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut (AWI), in einem entlegenen Meeresschutzgebiet im Pazifischen Ozean nun ebenso große Mengen Plastikmüll und Mikroplastik nachgewiesen wie in einem der größten bekannten Müllstrudel. Die Forschenden warnen: Plastik ist viel großräumiger verteilt als vermutet. Das gesamte Ökosystem Ozean sei bedroht. Daher müsse der Eintrag von Plastik ins Meer weltweit und so schnell wie möglich unterbunden werden, fordern sie. Die Studie ist im Fachmagazin Environmental Science & Technology veröffentlicht.

„Plastik im Meer ist ein ernstes Problem. Jedes Jahr gelangen über Flüsse, Wind und aus Quellen wie Schifffahrt oder Fischerei Millionen Tonnen Plastik ins Meer – und dort verbleibt es. Die Folgen für das Ökosystem Ozean sind bislang kaum abzuschätzen“, sagt UFZ-Umweltchemikerin Annika Jahnke, Koordinatorin des Projektes MICRO-FATE, das die Studie ermöglichte. Wie genau verteilt sich Plastik im Meer? Welche Gebiete sind besonders betroffen? Gibt es noch gänzlich plastikfreie Zonen? Und welche Eigenschaften hat das Plastik, wenn es sich in Quellennähe – also dort, wo es vermehrt ins Meer gelangt – oder fernab im offenen Ozean befindet? Das sind Fragen, denen das Forschungsteam um Jahnke in ihren Untersuchungen nachgegangen ist. Auf einer fünfwöchigen Expedition im Nordpazifik zwischen Vancouver (Kanada) und Singapur mit dem Forschungsschiff „Sonne“ im Jahr 2019 haben die Forschenden die Plastikmengen im Oberflächenwasser bestimmt.

Je länger Plastik Sonne, Wind, Wellen und Salzwasser ausgesetzt ist, desto mehr verwittert und zerfällt es. Aus anderen Studien ist bereits bekannt, dass größere unzersetzte Plastikgegenstände und -partikel vor allem dort vorkommen, wo Plastik ins Meer gelangt. Je weiter die Partikel transportiert werden, desto kleiner und verwitterter sollten sie sein. „Genau das konnten wir mit unseren Untersuchungen zeigen. Und wie erwartet konnten wir in den Proben, die wir im Bereich des sogenannten Großen Pazifischen Müllstrudels genommen haben, die höchsten Plastikmengen nachweisen“, sagt UFZ-Forscher Robby Rynek, der Erstautor der Studie ist. „Dabei handelt es sich aber keinesfalls um einen Müllteppich mit Plastikteilen dicht an dicht. Das ist wichtig, um zu begreifen, dass Plastikbeseitigungssysteme riesige Meeresgebiete abfahren müssten, um nennenswerte Mengen von Plastik einzusammeln, auch weil die meisten Teile eher kleine Fragmente sind, die Netzen entkommen oder sich nur mit erheblichen tierischem „Beifang“ einsammeln ließen“ ergänzt Mitautorin Melanie Bergmann vom AWI. Die Reduzierung von Einträgen ist also unverzichtbar.

Und Robby Rynek weiter: „Das überraschendste und zugleich besorgniserregendste Ergebnis unserer Studie ist, dass wir in dem entlegenen Meeresschutzgebiet nordwestlich von Hawaii ebenso große Mengen an eher kleinerem Mikroplastik gefunden haben! Damit hatten wir nicht gerechnet. Denn nach den Berechnungen des Vorhersagemodells sollte hier deutlich weniger Plastik zu finden sein.“ Annika Jahnke ergänzt: „Mikroplastik ist höchstwahrscheinlich viel weiter über die Ozeane verteilt als bislang angenommen. Wir haben tatsächlich an allen unseren Probenahmestationen Plastik nachweisen können. Es gab keine Probe, in der wir nichts gefunden haben. Man kann also nicht davon ausgehen, dass Plastik vor allem in den bekannten Ansammlungsgebieten zu Problemen führt – das Plastikproblem ist deutlich größer und betrifft tatsächlich das gesamte Ökosystem Ozean.“ 

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) will in diesem Jahr ein globales Plastikabkommen verabschieden, um die Verschmutzung der Meere durch Plastik zu stoppen. „Als unabhängige Wissenschaftler:innen stehen wir als Teil der Scientists Coalition for an Effective Plastics Treaty den Delegierten der UN-Mitgliedsstaaten dabei beratend zur Seite", so Melanie Bergmann. Neben einer weitgehenden Minderung der Plastikproduktion durch eine Vermeidung verzichtbarer Plastikprodukte und den Ausbau von Mehrwegangeboten muss nach Ansicht vieler Forschender die chemische Zusammensetzung von Plastikprodukten vereinfacht und verbessert werden. Nur so sind eine gesundheitlich unbedenkliche Wiederverwendung und höhere Recyclingquoten überhaupt möglich. 
 

Weitere Informationen

Pressemeldung des UFZ
 

Originalpublikation

Robby Rynek, Mine B. Tekman, Christoph Rummel, Melanie Bergmann, Stephan Wagner, Annika Jahnke and Thorsten Reemtsma: Hotspots of Floating Plastic Particles across the North Pacific Ocean. Environmental Science & Technology; https://doi.org/10.1021/acs.est.3c05039

Kontakt

Wissenschaft

Melanie Bergmann
+49(471)4831-1739
Melanie.Bergmann@awi.de

Pressestelle

Sarah Werner
+49 471 4831 2008
sarah.werner@awi.de

Kontakt Wissenschaft am UFZ:

Prof. Annika Jahnke
Head of UFZ-Department Exposure Science 
annika.jahnke@ufz.de

Robby Rynek
UFZ-Department Department Monitoring- und Erkundungstechnologien
robby.rynek@ufz.de 

Weitere Infos

Themenseiten

» Müll im Meer