Winzig kleine Algen, große Widerstandsfähigkeit

Mikroalgen sind mikroskopisch kleine, einzellige Algenarten und eine wichtige Nahrungsquelle im Arktischen Ozean. Dr. Clara Hoppe vom Alfred-Wegener-Institut untersucht, wie sich durch den Klimawandel veränderte Lebensbedingungen auf arktische Mikroalgen auswirken.

Für ihre Arktis-Expeditionen hatte AWI-Biologin Dr. Clara Hoppe bislang immer einen Plan B in der Tasche. „Als ich vor drei Jahren angefangen habe in der Arktis zu arbeiten, haben mir immer alle gesagt, dass ich mir gut überlegen soll, wie ich damit umgehe, wenn der Kongsfjord vor Spitzbergen zugefroren ist und ich nicht mit einem kleinen Schiff rausfahren kann“, sagt Clara Hoppe. Also hat sie theoretisch immer den Fall durchgespielt, dass ihr dickes Eis den Weg in den Fjord versperrt. Doch Plan B kam nie zur Umsetzung.

„Ich habe bislang nie Eis auf dem Fjord erlebt. Die Wassertemperatur lag immer über Null Grad Celsius“, erzählt die 32-Jährige. Die Faktoren, die Clara Hoppe ihre Arbeit in der Praxis erleichtern, sind auch Gegenstand ihrer Forschung: Sie untersucht, wie sich durch den Klimawandel veränderte Lebensbedingungen auf Mikroalgen im Arktischen Ozean auswirken. Dazu gehört der Anstieg der Wassertemperatur ebenso wie die Versauerung der Ozeane und veränderte Lichtverhältnisse im Wasser aufgrund des Meereisrückgangs.

Mikroalgen sind im Gegensatz zu Makroalgen nicht mit dem bloßen Auge erkennbar, sondern mikroskopisch kleine, einzellige Algenarten. Sie sind so winzig, dass ein Milliliter Wasser Abertausende enthalten kann. Da Mikroalgen eine wichtige Nahrungsquelle etwa für Krebstiere wie Krill sind, könnte eine Änderung zum Beispiel ihres Wachstums weitreichende Folgen für das arktische Nahrungsnetz haben.

Das Besondere an Clara Hoppes Forschung: Während etwa die traditionelle Forschung zur Ozeanversauerung oftmals im Labor stattfindet, nehmen sie und ihr Team jedes Jahr mehrere hundert Liter Wasserproben direkt vor Ort in der Arktis und untersuchen entsprechend eine diverse Gemeinschaft von mehreren Dutzend unterschiedlichen Algenarten, die sich zu dem Zeitpunkt darin befindet. „Diese größere Artenvielfalt erlaubt uns in Experimenten zu analysieren, welche der vielen Arten vom Klimawandel profitieren und welche darunter leiden. Außerdem können so auch die Beziehungen der Arten zueinander in die Untersuchungen einbezogen werden“, erklärt Clara Hoppe.

Zurück in Bremerhaven verbringt aber auch sie zahlreiche Stunden im Labor. Dort setzt sie die Mikroalgen verschiedenen Bedingungen aus: „Wir drehen zum Beispiel den Kohlendioxid-Gehalt des Wassers oder die Temperatur nach oben und beobachten, wie die verschiedenen Arten aus der Arktis darauf reagieren.“ Clara Hoppe analysiert etwa, wie viel Biomasse die Algen aufbauen. Speichern sie bei veränderten Bedingungen mehr Kohlenstoff? Oder mehr Stickstoff? Letzteres macht die Algen beispielsweise als Nahrung deutlich wertvoller.

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Die wichtigsten Mikroalgen in der Arktis sind Kieselalgen, auch Diatomeen genannt. Sie bauen aus Kieselsäure ein hartes Skelett auf, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Was ist, wenn das Wasser wärmer wird oder mehr Kohlendioxid enthält? Bauen die Kieselalgen beispielweise schwerere Skelette auf, würden sie in der Folge schneller zu Boden sinken und mit ihnen der Kohlenstoff, der so dem globalen Kohlenstoffkreislauf für viele Jahre entzogen würde.

All das wären denkbare Szenarien. Doch das Überraschende: „Ich habe jahrelang am Mikroskop gesessen und kaum Unterschiede beobachtet“, stellt Clara Hoppe fest. Was an sich eine gute Tatsache ist, war für die Biologin zunächst gewöhnungsbedürftig. „Ich bin als Forscherin ja quasi darauf gepolt, Veränderungen und Effekte erkennen zu wollen. Aber letztlich habe ich gemerkt, dass es unglaublich spannend ist, dass diese Organismen eben nicht so stark reagieren wie wir es von anderen Arten und Regionen kennen. Ich will herausfinden, warum nicht. Warum sind die Arktischen Mikroalgen so widerstandsfähig? Welche Mechanismen stecken dahinter?“

Eine Theorie hat sie bereits: Die Mikroalgen reagieren unterschiedlich auf Umweltveränderungen wie Temperaturanstiege. Selbst innerhalb einer Art geht nicht jede Mikroalge damit gleich um. Durch diese Flexibilität scheint die Artengemeinschaft insgesamt robuster zu sein. Je höher also die Vielfalt innerhalb einer Art ist, umso besser können die Mikroalgen Veränderungen in ihrer Umwelt abfedern.

„Das ist letztlich wie gute Teamarbeit“, sagt die Biologin. „Für ein Gesamtergebnis ist es oftmals auch besser, wenn es im Team Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Vorlieben gibt, weil immer jene Person, die eine Sache am besten kann, diese übernehmen kann.“

In einer Algen-Gemeinschaft machen dann im Laufe der Zeit die Individuen, die am besten an die jeweiligen Bedingungen angepasst sind, einen größeren Anteil an der Population aus und gleichen die „Defizite“ der anderen aus. Und genau dadurch kann die Produktivität der Algen-Gemeinschaft langfristig gleich bleiben.

Soweit ihre Theorie. In der Praxis wird Clara Hoppe für ihre Fragen noch öfter auf den Kongsfjord rausfahren – mit immer kleineren Sorgen um Plan B.